ANLAGEPRODUKTE - IM INTERVIEW: MARK MOBIUS, TEMPLETON

"China geht es gut"

Kreditausfälle im Schattenbankensektor befürchtet

"China geht es gut"

Mark Mobius gilt als Schwellenländerguru. Der 77-Jährige bereist nach wie vor die ganze Welt und sucht nach Investments. In China setzt er derzeit auf Ölkonzerne und Konsumgüterhersteller.- Herr Mobius, institutionelle Anleger fürchten Umfragen zufolge nichts so sehr wie eine “harte Landung” Chinas. Sie auch?Nein, denn die aktuellen Daten legen nahe, dass es China gut geht. Wir erwarten 7,5 % Wachstum in diesem Jahr, was sehr gut ist. Die jüngsten Produktionszahlen zeigen nach oben, ebenso die Im- und Exporte. Also waren die Ängste etwas voreilig. Natürlich wird China künftig wohl eher einstellige als zweistellige Wachstumsraten hinlegen, aber das Land ist die zweitgrößte Wirtschaft nach den USA.- Sind die Zahlen denn belastbar? In den vergangenen Wochen haben wir uns gewundert: Erst kommen schwache Daten, die Regierung kassiert die Wachstumsprognose – das widerruft sie kurze später, und es kommen nur noch starke Konjunkturdaten.Natürlich zweifeln viele Leute die chinesischen Zahlenwerke an. Das ist sicher historisch bedingt, unter Mao Zedong wurden die Statistiken schlicht so gedreht, dass sie China gut dastehen ließen. Diese Zeiten sind vorbei. Chinas Wirtschaft hat sich geöffnet. Viele Finanzdienstleister und andere Organisationen haben vor Ort Büros eröffnet und prüfen die Zahlen. Es wäre inzwischen sehr schwer, die Statistiken zu fälschen.- Was prüfen Sie nach?Wir haben uns beispielsweise kürzlich die Im- und Exportstatistiken angeschaut und die amtlichen Werte mit denen der Welthandelsorganisation und der Vereinten Nationen verglichen. Auch wenn die Zahlen nicht exakt übereinstimmen – und dafür gibt es methodische Gründe -, sind die Trends doch exakt dieselben. Das zeigt, dass die Chinesen ihre Statistiken nicht frei erfinden.- Gilt das auch auf kommunaler Ebene?Dort mag es noch vorkommen, aber auch das wird nicht mehr lange so weitergehen können. Im Großen und Ganzen sind die Zahlen, die aus China kommen, akkurat.- Viele Leute sorgen sich um den Zustand des Bankensektors.Ohne Frage wird das Volumen der Non-Performing Loans steigen. Nach Ausbruch der Finanzkrise haben die Banken aggressiv Geld in die Märkte gegeben, darunter waren dann natürlich auch schlechte Investments. Aber die Institute haben sich darauf vorbereitet. Sie haben sich bemüht, Kapital einzusammeln, ihr Fund Raising war beinahe aggressiv. Es ist bemerkenswert, dass die Bilanzen der Banken ungemein gestärkt worden sind.- Und der Schattenbankensektor?Natürlich haben die Banken, als sie ihre Kreditlimits erreicht hatten, die Kunden aber weiterhin Darlehen nachfragten – allen voran übrigens die Kommunen -, sogenannte Trusts aufgesetzt.- Das ist das Gegenstück unser Zweckgesellschaften?Ja. Auf diese Weise konnten die Banken die Kredite aus ihren Bilanzen raushalten und gleichzeitig die Nachfrage befriedigen. Wir schätzen, dass bis zu 20 % des chinesischen Kreditvolumens über Trusts vergeben wurden. Und einige Darlehen werden ausfallen oder umgeschuldet. Allerdings handelt es sich dabei mehrheitlich um Kommunalkredite, so dass die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls gering sein dürfte. Die Regierung ist sich dieser Probleme bewusst und steuert gegen.- Sind Sie gar nicht beunruhigt?Na ja, ich würde nicht unbedingt in großem Stil Bankpapiere kaufen. Wir haben ein paar Aktien, zumindest auf kurze Sicht ist die Situation aber nicht gut für die Branche. Doch wir glauben auch nicht an einen Kollaps des Finanzsystems.- Was kaufen Sie denn?Einige der Ölkonzerne sind interessant und entwickeln sich sehr gut. Dabei achten wir auf diversifizierte Geschäftsmodelle, bei denen sowohl gefördert als auch produziert wird. Und natürlich setzen wir auf Konsumwerte. Der chinesische Konsument wird immer wohlhabender, und es ist immer noch möglich, einzusteigen und an diesem Trend teilzuhaben.- Gleichzeitig schützen die nach wie vor bestehenden Kapitalverkehrbeschränkungen China vor plötzlichen Kapitalabflüssen. Für andere Schwellenländer gilt dies nicht, nachdem die US-Notenbank Mitte Mai ein absehbares Ende der ultralockeren Geldpolitik angekündigt hatte, verloren viele Staaten unerwartet Unsummen an Kapital. Hat Sie das überrascht?Das war eine seltsame Sache. Zuvor war das Kapital vor allem in die Rentenmärkte der Staaten geflossen, weil die Investoren höhere Renditen suchten. Die Schwellenländer boten gut 6 bis 7 %. Als Notenbankchef Ben Bernanke seine Rede hielt, dachten alle: Okay, das Spiel ist vorbei, ziehen wir uns lieber in die USA zurück. Also schossen die Renditen in den Schwellenländern in die Höhe, weil alle Welt diese Anleihen verkaufte.- Wie sah es am Aktienmarkt aus?Aus den Aktienmärkten ist gar nicht so viel abgeflossen. Unseren Zahlen zufolge gab es in der ersten Jahreshälfte kaum Bewegung bei den Mittelflüssen. Gleichzeitig konnten die Aktienmärkte der entwickelten Länder netto Kapital anlocken. Aus Sicht der Aktienmärkte hat die Panik, die damals bei den Anlegern um sich griff, keinen Sinn gemacht. Aus Sicht eines Rentenmarktinvestors hingegen schon. Allerdings scheinen die meisten nicht beachtet zu haben, dass die US-Zinsen auch nach dem Ende der Anleihenkäufe durch die Notenbank niedrig bleiben. Daher dürften die höheren Erträge in den Schwellenländern weiterhin Kapital anziehen.- Sie glauben also, dass das Geld zurückfließt?Ja, vor allem auch aus den USA.- Welches Schwellenland ist derzeit unter Investitionsgesichtspunkten am interessantesten?Viele Frontier-Märkte sind attraktiv, beispielsweise Nigeria, Ghana, aber auch Pakistan und Vietnam. Diese Länder schauen wir uns derzeit näher an, weil es dort nach wie vor starkes Wirtschaftswachstum gibt.- Wie hart wird ein Ende der Anleihenkäufe diese Märkte treffen?Der Ausstieg wird alle Märkte der Welt drücken. Viele Leute übersehen aber, dass Bernankes Problem kumulativ ist. Das Geld, das er im Rahmen all seiner Programme ins System gegeben hat, ist immer noch dort. Es ist ja nicht so, dass ein Programm geendet hätte und das Geld wieder eingesammelt worden wäre. Nein, es ist noch dort und es wird sehr kompliziert und langwierig, es aus dem System zu bekommen – es sei denn, die Notenbank macht einen aggressiven Schritt wie zum Beispiel eine massive Zinserhöhung. Aber das halte ich für unwahrscheinlich. Und ich glaube, dass US-Präsident Barack Obama Bernanke auch deswegen ersetzen will, weil er sich eher quantitative Lockerung wünscht.—-Das Interview führte Grit Beecken.