INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: KRISTINA SANDKLEF, EAST CAPITAL

"China hat aus der Vergangenheit gelernt"

Ökonomin erwartet lokale Investitionsprogramme

"China hat aus der Vergangenheit gelernt"

Die großen Industrienationen erwarten, dass China wie in der Vergangenheit die Konjunkturlokomotive ist. Doch das Wirtschaftswachstum hat sich in den letzten Monaten deutlich verlangsamt. Kristina Sandklef, Asien-Ökonomin der Kapitalanlagegesellschaft East Capital, erklärt im Interview der Börsen-Zeitung die von der chinesischen Regierung geplanten Strukturveränderungen der Wirtschaft.- Frau Sandklef, die Wachstumsraten der Wirtschaft in China haben sich in den vergangenen Monaten deutlich verlangsamt. Befindet sich das Land in einer Krise?Wir sehen derzeit in China ein “Soft Landing”. Nach den hohen Wachstumsraten infolge des riesigen Konjunkturprogramms 2008/2009 hat die Regierung in Peking auf die Bremse getreten. Die Regierung wollte die zweistelligen Inflationsraten deutlich zurückführen. Was wir jetzt sehen, ist eine proaktive Fiskalpolitik und eine vorsichtige Geldpolitik, um das Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Hohe Wachstumsraten sollten der Vergangenheit angehören. Zudem ist China nicht mehr in diesem Maße von den Exporten abhängig ist, wie es 2008 war. Man setzt jetzt mehr auf den Konsum im eigenen Land. Wir erwarten, dass die Konjunktur im zweiten Quartal mit Wachstumsraten von 7 bis 7,5 % ihren Boden finden wird und dann zur Erholung ansetzt. Wir glauben, dass die Wirtschaft mit einer Rate von jährlich 8 % auf den Wachstumspfad zurückkehren wird.- Warum möchte die Regierung Chinas von einem Exportland zu einem konsumorientierten Land wandeln?Man hat aus den Krisen in der Vergangenheit gelernt. Die Fokussierung einzig auf den Export hat das Land verletzbar gegenüber externen Schocks gemacht. Hinzu kommen ein Mangel an Ressourcen und der Verlust der Konkurrenzfähigkeit als Billigexportland. Mit dem neuen Fünfjahresplan wurde beschlossen, die Wirtschaft neu auszurichten. Weg von einer Wirtschaft, die von Investitionen und vom Export abhängig ist, zu einer Wirtschaft, die vom Konsum und Innovationen angetrieben wird. Der sinkende Energieverbrauch könnte ein Zeichen dafür sein, dass diese Umwandlung schon im Gange ist. Sie scheint besser zu verlaufen als gedacht. Denn es gibt aus der verarbeitenden Industrie keine übermäßig hohe Zahl an Entlassungen.- Wie hat sich die Inflation in den vergangenen Monaten entwickelt?Dank des Abbremsens der Wirtschaft sinkt auch die Inflation. Es wird erwartet, dass sich die Teuerungsraten oberhalb von 3 % stabilisieren werden. Zum großen Teil verantwortlich für die hohen Inflationsraten in der Vergangenheit waren die Nahrungsmittel. Daran haben einerseits die veränderten Ernährungsgewohnheiten Schuld. Andererseits verteuerte im vergangenen Jahr die Schweinepest beispielsweise massiv das Schweinefleisch.- Gibt es im Immobilienbereich immer noch Preisübertreibungen?Es gibt in einigen Regionen immer noch die Tendenz zur Preisbubble. Doch die Regierung hat eine Reihe von Restriktionen beschlossen, die einen dämpfenden Einfluss auf die Preisbildung haben. So können die Chinesen in einigen Städten nur Wohnungen beziehungsweise Häuser kaufen, wenn sie dort bereits fünf Jahre gelebt und Steuern gezahlt haben. Damit wird der Kauf von Immobilien durch Investoren deutlich erschwert. Auf der anderen Seite wurde die Vergabe der Kredite für neue Immobilienprojekte erschwert.- Wann werden wir wieder neue, große Stimulationsprogramme für die Konjunktur erleben?Die Wahrscheinlichkeit dafür ist sicherlich klein. Aus den Auswirkungen des letzten Programms nach der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers und der Finanzkrise 2008 haben die Chinesen gelernt. Die Regierung in Peking wird daher kleinere Projekte im Infrastrukturbereich initiieren, an denen sich lokale Investoren beteiligen sollen. Dazu gehören beispielsweise alternative Energieprojekte, drei Stahlprojekte, die Stahlwerke modernisieren und energieeffizienter machen sollen, und der Bau verbesserter Telekominfrastrukturen. Das soll die Nachhaltigkeit verbessern und die Nachteile wie beispielsweise eine steigende Inflation verhindern.- Die Höhe der faulen Kredite wurde zuletzt auf 68 Mrd. Dollar geschätzt. Wie kritisch ist der Zustand des Bankensystems?Die großen, systemisch wichtigen Banken sind in einem besseren Zustand als allgemein angenommen. Die faulen Kredite sind sicherlich ein Problem für die kleineren Banken. Aber die faulen Kredite nehmen nur einen relativ kleinen Teil des gesamten Kreditvolumens ein, sodass wir da keine Probleme sehen.—-Das Interview führte Armin Schmitz.