RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARTINA ROTHE

"Chinesische Unternehmen wollen gesetzliche Anforderungen übererfüllen"

Investoren aus Fernost sehen "made in Germany" als Türöffner

"Chinesische Unternehmen wollen gesetzliche Anforderungen übererfüllen"

– Frau Rothe, chinesische Unternehmen scheinen sich derzeit besonders für deutsche Mittelständler zu interessieren. Zuletzt machten die Fälle des Elektronikhändlers Medion und der Autozulieferer Saargummi und Preh Schlagzeilen. Werden wir Übernahmen von deutschen Firmen durch chinesische noch häufiger sehen?Ja, ich gehe davon aus, dass chinesische Unternehmen auch in Zukunft in Deutschland investieren werden. Die Chinesen haben verstanden, dass “made in Germany” als Gütesiegel Türen öffnen kann. Der hohe Qualitätsstandard deutscher Produkte und bekannte Markennamen sind hier wesentliche Treiber.- Welche rechtlichen Besonderheiten gibt es bei derartigen Transaktionen?Zunächst gelten die gleichen Besonderheiten wie in allen grenzüberschreitenden Transaktionen. Wegen der sehr unterschiedlichen Rechtssysteme und Kulturen ist allerdings mehr Fingerspitzengefühl ebenso gefragt wie umfangreiche Erläuterungen des deutschen Rechtssystems. Verhandlungen über einzelne Vertragsklauseln mit Bezug zum deutschen Rechtssystem können so sehr zeitintensiv sein.- Wie kommen chinesische Investoren mit den Besonderheiten der deutschen Corporate Governance zurecht?Viele Besonderheiten der deutschen Corporate Governance wie das zweigliedrige Organsystem, die Mitbestimmung, aber auch die Unabhängigkeit der Organmitglieder, die gerade nicht als Interessenvertreter der Aktionäre tätig werden dürfen, sind chinesischen Investoren zunächst fremd.- Welche regulatorischen Schwierigkeiten gibt es in China?Das regulatorische System in China ist weniger transparent, als wir dies aus Deutschland gewohnt sind. In der Regel müssen chinesische Unternehmen von drei unterschiedlichen Staatsbehörden die Freigabe für eine Investition im Ausland erlangen. Handelt es sich um ein chinesisches Staatsunternehmen, muss sogar eine vierte Behörde eingeschaltet werden.- Wie läuft die Zusammenarbeit mit den chinesischen Behörden, die die Transaktionen genehmigen müssen?Wichtig ist, dass der Genehmigungsprozess, insbesondere bei der Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) und beim Wirtschaftsministerium (MOFCOM), frühzeitig initiiert wird, da die einzelnen Prozesse mehrere Wochen in Anspruch nehmen können. Bei Staatsunternehmen sind die Freigabefristen noch länger. Wichtig ist für chinesische Unternehmen vor allem, dass sämtliche Genehmigungen vor einer öffentlichen Bekanntgabe einer Transaktion vorlagen, um keinen Gesichtsverlust zu riskieren.- Sind die Chinesen grob mit den Usancen des deutschen Aktienrechts vertraut?Nur zum Teil. Es ist zwar bekannt, dass das deutsche Recht z. B. Inhaberaktien vorsieht, über die praktischen Auswirkungen herrscht aber Unklarheit. Dies liegt bei der Aktiengattung insbesondere daran, dass man an der Börse in Hongkong, mit der sowohl chinesische Unternehmen als auch deren Berater vertraut sind, ausschließlich sogenannte “registered shares”, die unseren Namensaktien ähneln, kennt. Dass bei Inhaberaktien z. B. die Aktieninhaberschaft ausschließlich über einen Depotauszug nachgewiesen wird, sorgt zunächst für Irritationen.- Wie stehen die Chinesen zu den komplizierten gesetzlichen Anforderungen in Deutschland?Wir haben die Erfahrung gemacht, dass chinesische Unternehmen das deutsche System, selbst wenn es kompliziert erscheint, akzeptieren und nicht versuchen, rechtliche Grauzonen auszumachen. Vielmehr sind sie bestrebt, alle gesetzlichen Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern gerade besonders gut oder sogar überzuerfüllen.- Gibt es sprachliche Verständigungsschwierigkeiten? Und wie werden sie gelöst?Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sowohl Verantwortungsträger und Mitarbeiter aus Unternehmen als auch deren Berater sehr gutes Englisch sprechen. Zwar besteht auf chinesischer Seite das Bedürfnis, sich auch ausführlich in Mandarin auszutauschen, die Verhandlungen können aber in der Regel reibungslos auf Englisch geführt werden.—-Martina Rothe ist Counsel bei Corporate/Equity Capital Markets im Frankfurter Büro von Ashurst. Die Fragen stellte Daniel Schauber.