Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Marc Zimmerling

D&O-Versicherung kein Garant in der Finanzkrise

Verlust der Deckung bei Vorsatz und wissentlicher Pflichtverletzung - Es kommt aufs Kleingedruckte an

D&O-Versicherung kein Garant in der Finanzkrise

– Herr Dr. Zimmerling, die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen zahlreiche aktuelle und ehemalige Bankvorstände. Was bedeutet das für die persönliche Haftung der jeweiligen Vorstandsmitglieder?Bei diesen strafrechtlichen Vorwürfen wird es häufig nicht bleiben. Der Vorwurf lautet in vielen Fällen, im Zuge der Finanzkrise erforderlich gewordene Abschreibungen in Millionen- oder gar Milliardenhöhe seien durch unzulässig eingegangene, außerordentliche Risiken verursacht worden. Der Aufsichtsrat hat angesichts der entstandenen Schäden die Frage nach persönlicher Haftung der Vorstandsmitglieder zu stellen.- Auf welcher Grundlage?Hierzu zwingt ihn schon die ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach welcher der Aufsichtsrat Ansprüche gegen die beaufsichtigten Geschäftsführungsorgane zu prüfen und bei hinreichenden Erfolgsaussichten auch durchzusetzen hat. Diese Entscheidung ist gerichtlich voll überprüfbar, auf unternehmerisches Ermessen etwa im Sinne der sogenannten Business Judgment Rule kann sich der Aufsichtsrat hierbei nicht berufen. Um eine eigene Haftung zu vermeiden, ist der Aufsichtsrat so nicht selten gezwungen, ungewollt strenge Maßstäbe anzulegen. Das hat in der Praxis eine echte Eigendynamik entwickelt. Zusätzlich sehen wir in jüngster Zeit vermehrt, dass Anleger und Investoren durch Sammelklagen gegen Vorstandsmitglieder vorgehen.- Welchen Einfluss gesteht die Rechtsprechung bestehendem bzw. fehlendem Directors & Officers-Versicherungsschutz, also einer Managerhaftpflichtversicherung, auf die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ansprüchen zu?Wirtschaftlich ist der Versicherungsschutz der Vorstandsmitglieder natürlich ein kritischer Faktor. Unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs entstandener Schäden macht erst die D & O-Versicherung die Inanspruchnahme der Vorstände für die Gesellschaft attraktiv.- Das ist aber eine rein ökonomische Bewertung . . .Eine andere Frage ist die nach der rechtlichen Bedeutung des Versicherungsschutzes für die Pflicht des Aufsichtsrats, den Vorstand in Anspruch zu nehmen. Der Bundesgerichtshof und die Instanzgerichte bleiben hier vage: Die Durchsetzbarkeit des Anspruchs sei in die Entscheidung über die Geltendmachung einzubeziehen. Konkreter werden die einschlägigen Kommentare und Handbücher, die das Bestehen von D & O-Versicherungsschutz ausdrücklich als Abwägungsgesichtspunkt zulassen. Das geht so weit, dass bei hinreichenden Erfolgsaussichten sogar von einer regelmäßigen Pflicht zur Inanspruchnahme die Rede ist, wo eine D & O-Versicherung besteht.- Stehen Vorstandsmitglieder damit durch eine D & O-Versicherung nicht schlechter, als sie ohne stünden?Nein, so weit geht das nicht. Die Inanspruchnahme erfolgt ja nicht allein mit Blick auf Kompensation. Häufig spielen etwa Prävention und Imagepflege eine Rolle. Wo entsprechendes Privatvermögen vorhanden ist, schützt die D & O-Versicherung dieses vor dem Zugriff der Gesellschaft – sofern die Versicherung im Einzelfall dann auch tatsächlich greift.- Wann greift der D & O-Versicherungsschutz nicht, insbesondere für die Schäden aus der Finanzkrise?Erforderlich ist natürlich zunächst, dass der Schaden durch pflichtwidriges Handeln des Vorstands verursacht wurde und nicht etwa durch Marktverwerfungen. Selbst wo eine Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft oder Anlegern anzunehmen ist, kann der – ohnehin durch eine Haftungsobergrenze beschränkte – D & O-Versicherungsschutz im Einzelfall ausscheiden.- Nach welchen Kriterien?Maßgeblich sind die Versicherungsbedingungen, und hier ist das Angebot sehr differenziert. Nach unserer Erfahrung spielen jedoch einige Klauseln immer wieder eine besondere Rolle. Im Kontext der Finanzkrise betrifft das häufiger als sonst den – selbstverständlichen – Ausschluss jeder Deckung bei vorsätzlich verursachten Schäden. Angesichts staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zum Vorwurf der Untreue, die ja nur vorsätzlich begangen werden kann, ist dieser Vorsatzausschluss regelmäßig ein Thema.- Es gibt aber noch andere Fälle?Neben dem Vorsatz gibt es einen schwer abgrenzbaren Bereich sogenannter wissentlicher Pflichtverletzungen. Häufig soll nach den Versicherungsbedingungen bereits ein Augenverschließen vor möglichen Regelwidrigkeiten zum Verlust der Deckung führen. Fast immer stellt sich hier die Frage, wie die Zurechnung von Wissen anderer Personen konkret geregelt ist. Hinzu kommen geografische Ausschlüsse, namentlich für Schäden mit Bezug zu den USA, sowie zunehmend auch auf die Finanzkrise zugeschnittene inhaltliche Einschränkungen.- Es gibt also die vielfältigsten Gestaltungsvarianten?Insgesamt hat die Finanzkrise gezeigt, wie sehr es auch bei der D & O-Versicherung im jeweiligen Einzelfall auf das Kleingedruckte ankommt.- Wie reagieren die Anbieter von D & O-Versicherungen auf die Auswirkungen der Finanzkrise?Wie hoch die Schadenswelle aus der Finanzkrise letztlich sein wird, ist für die Versicherungswirtschaft noch nicht absehbar. Für den Finanzsektor haben wir bei den Neuabschlüssen und Vertragsverlängerungen bereits Ende 2008 einen deutlichen Anstieg der Prämien gesehen, der inzwischen aber zumindest gestoppt zu sein scheint. Hinzu kommt schon seit Beginn der Finanzkrise, dass zusätzliche Ausschlüsse in die Versicherungsbedingungen einfließen.—-Dr. Marc Zimmerling ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro von Lovells LLP. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.