RECHT UND KAPITALMARKT

Darf Betriebsvermögen begünstigt werden?

Das Erbschaftsteuergesetz landet wieder vor dem Bundesverfassungsgericht

Darf Betriebsvermögen begünstigt werden?

Von Achim Dannecker *)Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz steht auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts – wieder einmal, so wie zuletzt 2006. Doch wer an eine Neuauflage des alten Verfahrens glaubt, der irrt. Neu ist nämlich, dass der Bundesfinanzhof (BFH) diesmal nicht die unterschiedliche Bewertung von Betriebs-, Grund- und sonstigem Vermögen beanstandet hat, sondern die steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen vor allem mittelständischer Unternehmen.Dem am 10. Oktober 2012 veröffentlichten Vorlagebeschluss des BFH (Az. II R 9/11) liegt ein Fall zugrunde, in dem ein Bankguthaben und eine Geldforderung im Wert von ca. 50 000 Euro vererbt wurden. Da es sich hierbei um Privatvermögen handelte, fiel Erbschaftsteuer in Höhe von etwa 9 000 Euro an. Hätte es sich hingegen um Betriebsvermögen gehandelt, wäre das Erbe sehr weitgehend und unter Umständen vollständig steuerlich freigestellt worden. Daran stößt sich der BFH. “Überprivilegierung”Der BFH sieht in der weitgehenden Verschonung von Betriebsvermögen eine “Überprivilegierung”, die den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt und sich auch nicht durch das Gemeinwohl rechtfertigen lässt. Das Argument, eine steuerliche Belastung von Betriebsvermögen gefährde die Betriebsfortführung und damit die Existenz mittelständischer Unternehmen und somit Arbeitsplätze, überzeugt den BFH nicht. Es lasse sich nicht belegen, dass in der Vergangenheit Betriebe wegen der Belastung mit Erbschaftsteuer hätten aufgegeben oder veräußert werden müssen. Auch könne die Privilegierung nicht mit dem Ziel der Beschäftigungssicherung begründet werden. Denn im Regelfall würden Betriebe mit nicht mehr als 20 Mitarbeitern übertragen, für welche das Gesetz die Gewährung der Steuerbegünstigung gerade nicht vom Erhalt der Arbeitsplätze abhängig macht. Im Übrigen sei eine Steuerfreistellung von Betriebsvermögen auch nicht notwendig. Falls nämlich die Steuerbelastung tatsächlich zu bedrohlichen Liquiditätsproblemen führe, könne die Steuer gestundet werden.Des Weiteren sind die das Betriebsvermögen bevorzugenden Vorschriften nach Ansicht des BFH nicht so ausgestaltet, dass wirklich nur die Fälle erfasst werden, in denen es um “echtes” schützenswertes Betriebsvermögen geht. Vielmehr könne mit nach dem Gesetzeswortlaut möglichen Gestaltungen auch an sich nicht begünstigtes Vermögen zu begünstigtem Betriebsvermögen “gewillkürt” werden. Insbesondere stößt sich der BFH daran, dass eigentlich nicht begünstigtes Barvermögen dadurch begünstigt übertragen werden kann, dass es in eine sogenannte Cash-GmbH eingebracht wird und diese dann vererbt bzw. geschenkt wird.In der Tat lässt das aktuelle Recht steuervermeidende Gestaltungen zu. Doch sollte das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte 2006 den Weg der steuerlichen Verschonung von Unternehmen und des darin gebundenen Vermögens gewiesen. Was der BFH anmahnt, ist allein eine sachgerechte und zielgenaue Umsetzung in den steuergesetzlichen Normen. Dazu enthält das geltende Recht schon Regelungen. Wenn zum Beispiel nicht begünstigtes Vermögen kurz vor der Übertragung in ein Betriebsvermögen überführt wird, ist es als junges Betriebsvermögen grundsätzlich nicht begünstigt. Aktuell überlegt sich der Gesetzgeber, wie durch eine Gesetzesänderung vermieden werden kann, dass die Einschaltung einer Cash-GmbH eine steuerliche Begünstigung begründet (siehe Bundesratsdrucksache 302/1/12, S. 125). Wohl dürfte aber schon der allgemeine Missbrauchsgrundsatz gegen derartige Gestaltungen heranzuziehen sein.Wenn der BFH nun nahelegt, anstelle der Steuerfreistellung gleich ganz auf eine Stundungslösung umzustellen, so greift er massiv in die Regelungskompetenz des Gesetzgebers ein. Die grundlegenden Belastungsentscheidungen hat allein der Gesetzgeber zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genießt er dabei einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Gerade aus dem vorliegend in Rede stehenden allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz lässt sich nicht eine einzige verfassungsmäßige Lösung ableiten. Vielmehr ist der Gesetzgeber dazu berufen, den vom Gleichbehandlungsgrundsatz abgesteckten weiten Rahmen auszufüllen. Dies wird das Bundesverfassungsgericht berücksichtigen, wenn es die derzeitige Privilegierung von Betriebsvermögen für verfassungswidrig hält. In diesem Fall könnte es dem Gesetzgeber den Auftrag zu einer verfassungskonformen Nachjustierung erteilen, der sich etwa auf die Beseitigung von Missbrauchsmöglichkeiten beschränken könnte.Das Ende der steuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen ist also mit dem Vorlagebeschluss noch nicht besiegelt. Dass es künftig zu Änderungen kommen wird, ist jedoch wahrscheinlicher geworden. Das Zeitfenster dürfte sich schließen, innerhalb dessen die noch gültige Gesetzeslage in Anspruch genommen werden kann, sei es durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder eine Änderung des Gesetzes.—-*) Dr. Achim Dannecker ist Partner der Kanzlei Gleiss Lutz in Stuttgart.