"Das Angebot ist weiter entwickelt"
– Frau Bourcier, wieso ist das Interesse an Smart-Beta-Indizes in Europa im Vergleich zu den USA bisher so zurückhaltend?In den USA ist die Zahl der Exchange Traded Funds und Publikumsfonds, die Smart-Beta-Indizes abbilden, deutlich höher als in Europa. Die US-Investoren tendieren dazu, hauptsächlich in ihren eigenen Markt zu investieren. Zu Diversifizierungszwecken sind sie recht offen, auf alternative Indizes oder alternative Aktiengewichtungen in ihren Portfolios zu setzen. Das Angebot ist also deutlich weiter entwickelt. Außerdem werden in den USA deutlich mehr akademisches Research und empirische Studien als in Europa veröffentlicht.- Worin besteht der Unterschied Ihrer Minimum-Variance-Indizes zu den Minimum-Volatilitäts-Indizes von MSCI ?Ein wichtiger Unterschied ist in dem fehlenden Liquiditätsfilter bei den MSCI-Indizes zu sehen. So finden kleine oder wenig liquide Aktien Einzug in das Portfolio. Damit werden an den Rebalancing-Tagen die Umsätze beeinträchtigt. Die MSCI-Strategie kann weniger auf Änderungen im Variance-Covariance-Regime reagieren. Ossiam verwendet absolute geografische beziehungsweise Sektor-Einschränkungen: Anteile der Regionen und Sektoren können deutlich von der Benchmark abweichen. Die Einschränkungen bei der Diversifizierung verleihen der Strategie genügend Flexibilität, um Länder beziehungsweise Sektoren, deren Volatilität zu hoch ist, nicht zu berücksichtigen. MSCI orientiert sich bei der Verteilung dagegen an der Benchmark. Starke Verzerrungen im Benchmark-Index werden in der Minimum-Volatility-Version widergespiegelt. Das führt zu einer geringeren Reduktion der Volatilität. Da weisen die Ossiam-Variance-Indizes bessere Werte auf.- Entwickeln sich die Minimum-Variance-Indizes in allen Marktphase gleich gut?Die Strategie entwickelt sich in Bullen- und Bärenmärkten unterschiedlich. Die Minimum-Variance-Indizes haben ein asymmetrisches Ertragsprofil, bei dem die Marktabhängigkeit in Aufwärtstrends größer ist als in Abwärtstrends.- Können Minimum-Variance-ETF Verluste verhindern?Das Investmentuniversum unserer Minimum-Variance-Angebote sind die Aktien. Daher sind sich die Investoren bewusst, dass Verluste nicht vermieden werden können. Allerdings konzentriert sich der von Ossiam entwickelt Minimum-Varianz-Ansatz auf die Analyse und das Management von Portfoliorisiko ohne Berücksichtigung der zu erwartenden Renditen. Die Methodik soll dann von asymmetrischen Märkten profitieren und Drawdowns sowie Volatilität minimieren.- Funktioniert das Minimum-Varianz-Prinzip nicht nur bei den Aktienmärkten, sondern auch bei anderen Assetklassen?Die Ergebnisse werden von Assetklasse zu Assetklasse variieren. Bei anderen Assetklassen als Aktien besteht das Risiko in anderen Faktoren als der Portfoliovolatilität, also eher von Credit Spreads, der Duration et cetera. Darüber hinaus kann aber im Rahmen eines diversifizierten Portfolios die Existenz von Risikoprämien nicht ignoriert werden kann.- Wie eng orientieren sich die Minimum-Variance-Indizes an der Zusammensetzung und Sektorverteilung der Referenzindizes?Die Minimum-Variance-Indizes weisen tendenziell einen Tracking Error gegenüber dem marktkapitalisierten Index auf, der zwischen 8 und 12 % liegt. Ohne die Einschränkungen des klassischen marktkapitalisierten Index kann die Zusammensetzung des Minimum-Varianz-Portfolios erheblich von der Benchmark abweichen.- Wie häufig werden die Portfolien in einem Jahr adjustiert?Die Frequenz variiert von Indexprovider zu Indexprovider und ist abhängig von dem Investmentuniversum, das abgebildet werden soll. Es schwankt zwischen monatlichem und halbjährlichem Rebalancing.- Ist dies ein regelbasierter automatischer Prozess, oder werden die Portfolien von einem Fondsmanager beziehungsweise Analysten zusammengestellt?Bei den Indizes ist es ein regelbasierter Prozess.—-Das Interview führte Armin Schmitz.