Recht und Kapitalmarkt

Das Anschleichen an Zielgesellschaften wird schwieriger

Neuregelung wird Meldepflichten und Schwellen verschärfen - Doch es bleibt ein Spielraum für unbemerkten Beteiligungsaufbau

Das Anschleichen an Zielgesellschaften wird schwieriger

Von Tim Oliver Brandi *) Pressemeldungen zufolge befindet sich das Gesetzgebungsverfahren für das Risikobegrenzungsgesetz auf der Zielgeraden. Ziel des Vorhabens ist gemäß dem Regierungsentwurf vom 7. Dezember 2007, dass “gesamtwirtschaftlich unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren erschwert werden” und das “Anschleichen” an inländische Emittenten durch den verdeckten Aufbau von Aktienpaketen verhindert werden soll. Erreicht werden soll dies insbesondere durch die folgenden Neuregelungen:Stimmrechte aus Aktien (§ 21 Wertpapierhandelsgesetz) und aus Finanzinstrumenten (d. h. Optionen), die ihrem Inhaber das Recht verleihen, einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien des Emittenten zu erwerben (§ 25 Wertpapierhandelsgesetz), sind künftig zusammenzurechnen. Diese Zusammenrechnung gilt nur bei den Meldepflichten für Finanzinstrumente, nicht bei den Meldepflichten für Stimmrechte aus Aktien. ZurechnungsregelUm von der Zurechnungsregel des § 25 Wertpapierhandelsgesetz erfasst zu werden, darf die Option unter keiner Bedingung stehen und muss sich auf bereits existierende Aktien beziehen. Solche meldepflichtigen Finanzinstrumente betreffen insbesondere als Kauf, Tausch oder durch anderweitigen Bezug auf eine Aktie als Basiswert ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die bei Ausübung durch eine physische Lieferung von Aktien abgewickelt werden. Nicht erfasst sind dagegen Derivate, die durch Geldzahlung beglichen werden, da diese keine Stimmrechte verschaffen.Nach bisheriger Rechtslage liegt die Meldeschwelle für Stimmrechte aus Aktien bei 3 % und für Finanzinstrumente der vorgenannten Art bei 5 % der Stimmrechte des betroffenen Emittenten. Daher können nach bisheriger Rechtslage ein Aktienpaket von bis zu 2,99 % und Finanzinstrumente von bis zu 4,99 % erworben werden, ohne dass eine Meldepflicht ausgelöst wird. Nach der geplanten Neuregelung im Risikobegrenzungsgesetz würden die Stimmrechte aus Aktien und die (potenziellen) Stimmrechte aus Finanzinstrumenten für die Zwecke der Meldepflichten hinsichtlich der Finanzinstrumente zusammengerechnet. Folglich müsste im obigen Beispiel das Überschreiten der Schwelle von 5 % hinsichtlich der Finanzinstrumente offengelegt werden.Ferner werden durch das Risikobegrenzungsgesetz die Rechtsfolgen bei Verletzung der Meldepflichten des Wertpapierhandelsgesetzes verschärft. Nach geltender Rechtslage verliert der Aktionär das Stimmrecht aus den von ihm gehaltenen Aktien nur so lange, wie die Meldepflicht verletzt wird. Nach der geplanten Neuregelung soll das Stimmrecht auch für einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Nachholung der Meldung entfallen, die zunächst pflichtwidrig unterlassen wurde. Damit soll die bislang mögliche Überrumpelungstaktik verhindert werden, bei der ein unter Verletzung der Meldepflichten aufgebautes Aktienpaket erst unmittelbar vor der Hauptversammlung des Emittenten offengelegt wird. Mit Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes wird ein “Anschleichen” folglich erschwert. Gleichwohl verbleibt auch danach noch ein gewisser Spielraum für den unbemerkten Beteiligungsaufbau. Inwieweit dieser Spielraum für den Erwerbsinteressent ausreicht, hängt davon ab, welche Ziele er mit dem Beteiligungsaufbau verfolgt:Ist dem Aktionär lediglich daran gelegen, ein Stimmrechtspaket im einstelligen Prozentbereich zu erwerben, wird dies auch nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes möglich sein, wenn auch in geringerem Umfang als bisher. Unter Ausnutzung der niedrigsten Meldeschwellen kann der Aktionär einen Stimmrechtsanteil von bis zu 2,99 % in Form von Aktien und zusätzlich von bis zu 2,0 % in Form von Finanzinstrumenten im Sinne von § 25 Wertpapierhandelsgesetz erwerben, ohne eine Meldepflicht auszulösen. Erst nach Erwerb weiterer Aktien bzw. Finanzinstrumente wäre der Aktionär verpflichtet, seine Beteiligung offenzulegen. Schwieriger wird es hingegen, sich im Vorfeld eines öffentlichen Übernahmeangebotes unbemerkt den Zugriff auf ein signifikantes Aktienpaket zu sichern. Diese Erschwernis resultiert weniger aus der geplanten Zusammenrechnung von Stimmrechten aus Aktien und Finanzinstrumenten als vielmehr aus der Verschärfung der Sanktion für die Verletzung der Meldepflichten. Die Aussicht darauf, für einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Nachholung einer pflichtwidrig unterlassenen Meldung von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen zu sein, dürfte für einen Erwerbsinteressenten, der eine Übernahme des Emittenten anstrebt, je nach Fallgestaltung eine erhebliche abschreckende Wirkung haben. Zwei Wege Einem Erwerbsinteressent, der sich in Vorbereitung eines Übernahmeangebotes unbemerkt den Zugriff auf ein Aktienpaket sichern möchte, ohne die gesetzlichen Meldepflichten auszulösen, stehen vorrangig zwei Wege zur Verfügung, die jedoch jeweils wichtige Fallstricke beinhalten:Zum einen könnte der Erwerbsinteressent mit einer oder mehreren Gegenparteien, die Aktienpakete des Emittenten halten, Geschäfte über Finanzinstrumente eingehen, die ihm mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Zugriff auf Aktien des Emittenten sichern, ohne dabei jedoch den Zurechnungstatbestand des § 25 Wertpapierhandelsgesetz auszulösen. Dafür wäre erforderlich, dass der Erwerb der Aktien durch den Erwerbsinteressenten nicht ausschließlich von dessen Ermessen, sondern (zumindest auch) von anderen äußeren Umständen abhängt, wie zum Beispiel das Erreichen eines bestimmten Börsenkurses. Es ist im jeweiligen Einzelfall genau zu prüfen, in welcher Weise ein solches Geschäft zu gestalten wäre, um den Interessenten beider Kontrahenten gerecht zu werden. Auch müsste eine Gestaltung vermieden werden, die offenkundig als Umgehung der gesetzlichen Meldepflichten zu qualifizieren wäre. HandelsbestandZum anderen könnte der Erwerbsinteressent ein oder mehrere Wertpapierdienstleistungsunternehmen bitten, jeweils bis zu 5 % an Aktien des betreffenden Emittenten zu erwerben und dieses Paket im Handelsbestand zu halten. Aktienpakete bis zu 5 %, die von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Handelsbestand gehalten werden, sind gemäß § 23 Wertpapierhandelsgesetz nicht meldepflichtig. Bei dieser Vorgehensweise sind allerdings folgende Punkte zu beachten, um nicht doch eine ungewollte Meldepflicht auszulösen: Erstens darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Aktien nicht für Rechnung des Erwerbsinteressenten halten, da sie ansonsten Letzterem zuzurechnen wären. Zweitens darf die Abmachung zwischen Erwerbsinteressent und Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht den Zurechnungstatbestand des § 25 Wertpapierhandelsgesetz erfüllen, d. h. der spätere Erwerb der Aktien durch den Erwerbsinteressenten vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf nicht ausschließlich im Ermessen des Erwerbsinteressenten stehen. Drittens darf die Koordination der Vorgehensweise zwischen Erwerbsinteressent und Wertpapierdienstleistungsunternehmen kein Acting in Concert darstellen, wodurch es zu einer wechselseitigen Zurechnung der Stimmrechte kommen würde; soweit es im weiteren Gesetzgebungsverfahren – entgegen ersten Entwürfen des Risikobegrenzungsgesetzes – dabei bleibt, dass die Abstimmung bezüglich eines gemeinsamen Aktienerwerbs kein Acting in Concert begründet, wäre dieses Risiko jedoch überschaubar. Viertens ist zu beachten, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zum Insider wird, sobald ihm die Absicht des Erwerbsinteressenten offengelegt wird, ein Übernahmeangebot abzugeben, woraus sich wiederum Verwendungsrestriktionen für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ergeben. Sorgfalt gebotenDie vorstehenden Ausführungen zeigen, dass der Spielraum für das unbemerkte Anschleichen im Vorfeld einer öffentlichen Übernahme eng geworden ist. Um eine ungewollte Zurechnung von Aktien bzw. meldepflichtigen Finanzinstrumenten zu vermeiden, bedarf es folglich einer sehr sorgfältigen Vorgehensweise. *) Dr. Tim Oliver Brandi ist Partner der Lovells Corporate Practice Group im Büro Frankfurt.