INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: HENDRIK-JAN BOER, ING INVESTMENT MANAGEMENT

"Das Feld wird sich fragmentieren"

Der Leiter Sustainable Investments über Ausschlusskriterien, die Situation am Markt und die Lage in den Schwellenländern

"Das Feld wird sich fragmentieren"

Mit Aktien von nachhaltig arbeitenden Unternehmen will Hendrik-Jan Boer das Vermögen seiner Kunden mehren. Dabei finden sich im Portfolio des Head of Sustainable Investments von ING Investment Management durchaus Konzerne, die man unter dem Signet Nachhaltigkeit nicht erwarten würde.- Herr Boer, im Portfolio Ihres Fonds finden sich Namen, die nicht auf Anhieb mit dem Begriff Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht werden. Apple zum Beispiel hatte unlängst Probleme mit den Arbeitsverhältnissen in den Zulieferbetrieben wie Foxconn.Das ist sicherlich ein Problem für Apple und auch für uns als nachhaltige und an sozialen Kriterien orientierte Investoren. Allerdings muss man Apple zugute halten, dass das Unternehmen mit dem Problem zumindest transparent umgegangen ist und bemüht ist, Abhilfe zu schaffen.- Was machen Sie, wenn das dem Unternehmen nicht gelingt?Natürlich versuchen wir zunächst darauf hinzuwirken, dass die Probleme behoben werden. Idealerweise ändern sich die Dinge zum Besseren. Das wäre vielleicht anders, wenn wir aus einem Unternehmen sofort aussteigen würden, sobald etwas nicht in unserem Sinne läuft. Wenn wir aber sehen, dass sich nichts ändert, steigen wir irgendwann aus.- Wann war das zuletzt der Fall?Wir haben Ende 2011 bei Toyota unsere Positionen geschlossen, weil wir bei vielen Mängeln, unter anderem bezüglich der Arbeitsbedingungen auf den Philippinen, keine Fortschritte erkennen konnten. Das konnten viele Vorteile des Unternehmens, etwa bei der Entwicklung sauberer Technologien, nicht aufwiegen. Ähnlich war es bei Rio Tinto, die auf dem Papier nach dem Best-in-Class-Ansatz sehr gut aussehen verglichen mit anderen Unternehmen des Sektors. Vieles davon war leider nur auf dem Papier gut, bei der Implementierung der Regeln aber gab es Probleme etwa bei Arbeitnehmerrechten. Auch da sind wir ausgestiegen. Da geht es uns letztlich auch um ein Reputationsrisiko für unser Produkt, und das Risiko war uns zu groß.- Bei der Bergbaugesellschaft Xstrata sind Sie aber noch investiert, obwohl sie mit Glencore eine Fusion mit einem Unternehmen zweifelhaften Rufs eingeht.Das ist richtig, das müssen wir beobachten. Mit dem Merger waren wir nicht sehr glücklich. Der Plan ist, dass Glencore die sozialen, ethischen und ökologischen Standards von Xstrata übernimmt. Dafür werden wir dem Unternehmen Zeit geben und irgendwann eine Entscheidung treffen.- Der Trend zum nachhaltigen Investieren scheint gleichermaßen modisch wie ungebrochen: Glauben Sie, dass nachhaltige Aktienfonds mittelfristig zum Mainstream werden?Ich glaube, dass das ganze Segment mehr Aufmerksamkeit erfährt. Allerdings gibt es auch eine Menge Partikularinteressen, die von den Asset Managern bedient werden müssen. Das Feld wird sich fragmentieren.- Welche Interessen meinen Sie?Wir haben beispielsweise ein Mandat für eine kirchliche Organisation, die keine Unternehmen im Portfolio haben will, die mit Verhütung oder Geburtenkontrolle zu tun haben. Der Best-in-Class-Ansatz hingegen ist diesem Kunden nicht ganz so wichtig. Andere nachhaltige Investoren dürften hingegen ein Problem haben, wenn wir Pharmafirmen, die Antibabypillen herstellen, per se ausschließen. Es gibt Investoren, die nur auf Umweltthemen bauen wollen, andere sind auf Wohltätigkeit bedacht. Und es gibt Investoren, denen es reicht, wenn der Fonds so gut ist wie der Markt, aber nur mit vergleichsweise sauberen Investments. Das ist ein weites Feld.- Über die Out- oder Underperformance von nachhaltig ausgerichteten Finanzprodukten wurde und wird viel diskutiert. Können Sie mit einem sozial und ökologisch ausgerichteten Investment-Ansatz den Markt schlagen?Zum einen verstehe ich mich nicht als nur nachhaltig orientierten Investor. Vielmehr sehe ich mich als klassischen Investor mit einem zusätzlichen Sustainability-Fokus. Unser Ansatz ist, dass wir die klassische Mainstream-Benchmark schlagen, gerade weil wir diesen Nachhaltigkeitsfokus haben. Wenn ich mir ansehe, welche Konzerne – unabhängig von harten Nachhaltigkeitskriterien – langfristig gut dastehen, dann sind das fast immer gut geführte Unternehmen, die ihre Mitarbeiter gut behandeln, transparent arbeiten und versuchen, in der Öffentlichkeit eine gute Reputation zu erlangen und zu halten. Das sind genau die Unternehmen, in die wir investieren. Wir reden hier von immateriellen Werten, aber die zahlen sich langfristig aus. Deshalb sind gute Unternehmen an der Börse höher bewertet, als es ihre Bilanz ausweist: weil sie eine gute langfristige Perspektive haben.- Das müssten doch auch herkömmliche Vermögensverwalter und Investoren erkannt haben.Stimmt. Daher haben mittlerweile viele strikt auf fundamentale Analyse bauende Häuser auf die eine oder andere Weise Nachhaltigkeitskriterien in ihre Analysen mit einbezogen. Das fließt sicher nicht in jede Anlageentscheidung mit ein, aber es rundet das Gesamtbild eines Unternehmens ab.- Wie beurteilen Sie denn unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten die Lage in den Schwellenländern?Da hat sich einiges geändert, aber die Unternehmen haben einen anderen Fokus als in den USA oder in Europa. Viele große Konzerne sind mittlerweile sehr auf Ressourcenschonung bedacht und auch auf Umweltfreundlichkeit, nicht zuletzt weil den Menschen vor Ort der Müll und die Verschmutzung zu schaffen machen. Auf der anderen Seite gibt es in Bereichen wie dem Arbeitnehmerschutz noch immensen Nachholbedarf.—-Das Interview führte Martin Hampel.