RECHT UND KAPITALMARKT

Das Insolvenzrecht - steuerlich ein Sanierungsfall

Neues ESUG bisher nur Stückwerk - Bundesregierung sollte Vorschriften zu Mindeststeuer und Zinsschrankenregelung entschärfen

Das Insolvenzrecht - steuerlich ein Sanierungsfall

Von Christian Sistermann *) Die Chancen stehen gut, dass noch bis Ende des Jahres seit langem geforderte Reformen des deutschen Insolvenzrechts umgesetzt werden. Zu dem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Mai (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen/ESUG) sind grundlegende Änderungen nicht mehr zu erwarten.Die internationale Wirtschaftkrise hat erneut gezeigt, welchen Anforderungen moderne Sanierungsrechte gewachsen sein müssen. Dabei hat sich die deutsche Insolvenzordnung zwar in weiten Teilen bewährt, doch haben sich Schwachstellen offenbart, die für das Schicksal erfolgreicher Sanierungen oft entscheidend sind. Das ESUG soll nun die Reform des Insolvenzrechts bringen, die zur Sanierung fortführungsfähiger Unternehmen im Rahmen von förmlichen Insolvenzverfahren dringend benötigt wird.Ein wichtiger Teil dieser Reform ist die Stärkung der Gläubigerrechte im Insolvenzverfahren. Auch Gläubiger sollen künftig den Insolvenzverwalter vorschlagen können – dies war bisher den Insolvenzgerichten vorbehalten. Ferner sollen Schuldnerunternehmen durch das im Gesetzentwurf vorgesehene “eigenständige Sanierungsverfahren” mit einem frühzeitigen Insolvenzantrag rechtzeitig die Weichen für eine eigenverantwortliche Sanierung stellen können.Kern der Reform ist aber die Stärkung des Insolvenzplanverfahrens, das auf die Sanierung und Fortführung des Unternehmensträgers abzielt. Ein wesentlicher Mangel dieses Verfahrens bestand bislang darin, dass es – anders als etwa das Chapter-11-Verfahren im US-Recht – nicht erlaubt, in die Rechte der Eigentümer der Schuldnerunternehmen einzugreifen. Ohne einen entsprechenden Sanierungsbeitrag der Anteilseigner sind jedoch die Gläubiger eines Unternehmens meist nicht bereit, für eine Sanierung selbst Zugeständnisse zu machen. Der ESUG-Entwurf sieht daher vor, dass im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens Forderungen in Eigenkapital umgewandelt werden können (Debt Equity Swap). Diese Forderungsumwandlung dient nicht nur der bilanziellen Sanierung, sondern ermöglicht es Gläubigern, an künftigen Erträgen des Schuldnerunternehmens zu partizipieren.Steuerliche Regelungen zur Sanierung von Unternehmen enthält das ESUG dagegen nicht, obwohl die Bundesregierung im laufenden Gesetzgebungsverfahren erklärt hat, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung von Unternehmen von herausragender Bedeutung seien und man weitere Maßnahmen zur Erleichterung der Sanierung im Steuerrecht prüfen werde. Bislang jedoch sieht es so aus, dass solche Maßnahmen ausbleiben und steuerliche Regelungen keinen Eingang mehr ins laufende Gesetzgebungsverfahren finden werden. BelastungenDas deutsche Unternehmensteuerrecht ist nur unzureichend darauf zugeschnitten, was eine Gesellschaft in der Krise für eine mögliche Sanierung benötigt. Im Gegenteil, Sanierungsmaßnahmen sind oft derart mit steuerlichen Belastungen oder Risiken für das betroffene Unternehmen verbunden, dass die positiven Effekte dieser Maßnahmen letztlich konterkariert werden und den Einstieg dritter Investoren erschweren.Das neue ESUG soll dazu beitragen, die gesetzlichen Sanierungsvorschriften wirkungsvoller zu gestalten und damit die Überlebenschancen insolvenzbedrohter Unternehmen zu erhöhen. Dazu wäre es jedoch seitens des Gesetzgebers dringend geboten, die gegenläufigen und sanierungsschädlichen Steuereffekte zu beseitigen.Solche Zielkonflikte zwischen ESUG und Steuerrecht betreffen in erster Linie die steuerlichen Folgen eines Forderungsverzichts beim Schuldnerunternehmen. Ein teilweiser oder vollständiger Schuldenerlass durch die Gläubiger ist das zentrale Element jeder Unternehmenssanierung. Der Gewinn des Schuldnerunternehmens, der aus diesem Wegfall der Verbindlichkeit resultiert, ist ein reiner Buchgewinn und nicht Ergebnis einer erhöhten Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Eine Besteuerung dieses Gewinns gefährdet die Sanierung und steht im Widerspruch zur Zielsetzung des ESUG.Zwar soll die Steuer auf einen solchen Sanierungsgewinn auf Grundlage eines Erlasses des Bundesfinanzministeriums im Billigkeitswege und auf Antrag zunächst gestundet und später erlassen werden. Dieser Erlass bietet aber aufgrund bestehender Rechtsunsicherheiten keine ausreichende Planungssicherheit. Zudem wird er nur in der Einkommen- bzw. Körperschaftssteuer unmittelbar angewendet. Da für die Gewerbesteuer die Gemeinden zuständig sind, muss zusätzlich ein Billigkeitserlass der jeweiligen Betriebsstättengemeinde erwirkt werden. Das kann sich als schwieriges und zeitraubendes Unterfangen erweisen, zumal wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe hat und zahlreiche klamme Gemeinden überzeugen muss.Neben einer gesetzlichen Grundlage für die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen müssen auch die Vorschriften zur Verlustnutzung geändert werden. Allen voran betrifft das die Regelungen zum Untergang von Verlusten im Falle des Anteilseignerwechsels, soweit mehr als 25 % der Anteile an einem Verlustunternehmen innerhalb von fünf Jahren veräußert werden. Gerade bei einem Einstieg dritter Investoren zum Zwecke der Sanierung gehen steuerliche Verluste verloren, so dass in einer anschließenden Gewinnphase dringend benötigte Liquidität in Steuerzahlungen fließt. Dieser Umstand verringert die Bereitschaft Dritter, sich zu beteiligen.Der Gesetzgeber hat die krisenverschärfende Wirkung dieser Regelung erkannt und mit der Einführung einer Sanierungsklausel reagiert – die allerdings stellt nach Ansicht der EU-Kommission einen Verstoß gegen europäisches Beihilferecht dar und ist bis zum Abschluss eines entsprechenden Verfahrens ausgesetzt. Eine Lösung scheint daher nur im Rahmen einer Neuregelung der Verlustnutzung denkbar, wie sie ja auch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung ankündigt. UnvereinbarkeitenDie Unvereinbarkeit der bestehenden steuerlichen Rahmenbedingungen mit dem ESUG zeigt sich auch an dem vorgesehenen Debt Equity Swap. Das ESUG orientiert sich dabei ausdrücklich am US-Vorbild des Chapter 11 Bankruptcy Code – freilich ohne die dort vorgesehene Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne zu übernehmen. Kommt es daher zur Umwandlung wertgeminderter Forderungen, führt dies bei dem Schuldnerunternehmen zu swapbedingten Gewinnen, die grundsätzlich voll steuerpflichtig sind, während der Gläubiger bzw. Neugesellschafter seine Forderungsverluste allenfalls eingeschränkt steuerlich geltend machen kann. Zugleich gehen Verluste des Unternehmens verloren, falls ein Gläubiger im Rahmen des Debt Equity Swap eine Beteiligung von mehr als 25 % erwirbt. Ohne flankierende steuerliche Regelungen ist es daher äußerst zweifelhaft, ob der Debt Equity Swap der ihm zugedachten Funktion eines zentralen Bausteines der Unternehmenssanierung gerecht werden kann. ZielkonflikteDie genannten steuerlichen Regelungen stehen mit den Sanierungsmaßnahmen des ESUG in unmittelbarem Konflikt. Im Interesse der Erleichterung von Unternehmensaussanierungen sollte die Bundesregierung aber auch weitere geltende Regelungen entschärfen. Zu nennen ist hier neben der sogenannten Mindeststeuer insbesondere die Zinsschrankenregelung, die bei Krisenunternehmen aufgrund des typischerweise erhöhten Finanzierungsbedarfs in eine gefährliche Abwärtsspirale und letztlich zu einer Substanzbesteuerung führen kann.Auch wenn mit der eigentlich erforderlichen umfassenden Neukonzeption eines Sanierungssteuerrechts zumindest kurzfristig wohl nicht zu rechnen ist, sollte der Gesetzgeber die Bereitschaft aufbringen, den Zielkonflikt zwischen ESUG und Steuerrecht – und damit zwischen dem langfristigen Erhalt sanierungsfähiger Unternehmen und kurzfristiger Steuereinnahmenerzielung – im Interesse der in die Krise geratenen Unternehmen zu lösen. Ansonsten bleibt das ESUG nur Stückwerk auf dem Weg zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen und kann seiner Zielsetzung nur eingeschränkt gerecht werden.—-*) Dr. Christian Sistermann ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner im Münchner Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer.