ASSET MANAGEMENT - SERIE: ANLAGESTRATEGIE IM UMBRUCH (6)

"Das niedrige Zinsniveau erhöht den Druck"

Wüstenrot klagt über enge Grenzen bei der Kapitalanlage für Bausparkassen - Stärkeres Investment in alternative Anlagen

"Das niedrige Zinsniveau erhöht den Druck"

Von Gerhard Bläske, StuttgartBausparkassen sind vom Gesetzgeber enge Grenzen bei der Anlage der Kundengelder gesetzt. “Zu enge Grenzen”, findet Jürgen Steffan, Vorstandsmitglied der Wüstenrot Bausparkasse. In Zeiten extrem niedriger Zinsen und hoher Risiken “ist heute nicht mehr sicher, was jahrzehntelang als bombensicher galt. In unserem Anlageuniversum gibt es keine risikolose Anlage mehr”, meint Steffan.Staatsanleihen vieler Länder seien inzwischen als kritisch zu betrachten, oder aber man zahle teilweise, wie bei Bundesanleihen, sogar drauf. Auch Bankenanleihen seien risikoreich. Steffan hält den Artikel 4 des Bausparkassengesetzes, der genau regelt, welche Geschäfte die Institute betreiben und wie sie ihr Geld anlegen dürfen, “grundsätzlich für eine gute Idee”. Dennoch fordert er, den Bausparkassen die Möglichkeit zu eröffnen, “stärker in alternative Anlagen zu diversifizieren, etwa in Aktien, neue Energien oder Immobilien”. Dann müsse man nicht “alle Eier in einen Korb legen” – so wie es derzeit der Fall ist. Die Institute dürfen heute im Wesentlichen in festverzinsliche Papiere mit mindestens “BBB”-Rating, Banken- und Staatsanleihen sowie ausgewählte Industrieanleihen der Eurozone investieren. Überwiegend AAA-Anleihen”Wir haben die Kundeneinlagen in Höhe von insgesamt 8,7 Mrd. Euro im Wesentlichen in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, die überwiegend ein “AAA”-Rating, im Durchschnitt ein “AA”-Rating aufweisen.” Das seien Pfandbriefe, gedeckte Wertpapiere mit Schwerpunkt Deutschland, zum kleineren Teil ungedeckte Wertpapiere etwa der KfW, Staatstitel wie Bundes- und Landesanleihen sowie Staatstitel aus Frankreich, den Niederlanden und Österreich. Anleihen der sogenannten PIGS-Staaten habe Wüstenrot überhaupt nicht im Portefeuille: “Das bisschen, das wir in Griechenland und Spanien hatten, ist raus.”Nicht nur der Branchenzweite Wüstenrot, nein die ganze Branche steht, nicht nur wegen des niedrigen Zinsniveaus, unter Druck. Die Institute leiden auch unter der erheblichen Verschärfung des regulatorischen Umfelds, “mit einer Flut an neuen Anforderungen”, befindet Steffan. Die verschärften Eigenkapitalanforderungen nach Basel III zwängen dazu, viele eigentlich risikoarme Geschäfte mit noch mehr Eigenkapital zu unterlegen, und die zunehmenden Berichtspflichten hätten Wüstenrot dazu veranlasst, eine eigene Abteilung zu schaffen, die sich allein mit aufsichtsrechtlichen Anforderungen für die Branche beschäftigt.Der Garantiezins von etwa 3 % lässt sich immer schwerer erwirtschaften. “Das niedrige Zinsniveau erhöht den Druck, noch schneller und konsequenter zu handeln”, sagt Steffan. Bei der Bausparkasse hat man schon vor längerer Zeit reagiert. Während noch vor zwei Jahren die Bewertung durch die Ratingagenturen entscheidendes Anlagekriterium gewesen sei, reagiere man nun “teilweise innerhalb eines Tages”. Wüstenrot betreibe ein professionelles Risikomanagement, das ständig die Spread-Entwicklung im Auge behalte. “Wir reagieren sofort auf Veränderungen der Spreads. Da hilft es uns, dass wir eine eigene professionelle Bank im Haus haben”, sagt Steffan.Er ist zwar “zuversichtlich, dass wir 2012 den angepeilten Konzern-Jahresüberschuss von 250 (i. V. 193) Mill. Euro erreichen werden”. Doch angesichts der Zinsbaisse drohe das Ergebnis bei der Bausparkasse bei Fortschreibung der derzeitigen Entwicklung und ohne Veränderungen “auf Dauer unter Druck zu kommen, weil die Wiederanlage von Geldern auf einem dauerhaft niedrigen Niveau erfolgt”. Steffan erinnert daran, dass es “noch im vergangenen Jahr mehrheitlich Szenarien gab, die von einem Anstieg der Zinsen ausgingen”.Der Finanzkonzern W & W hat aus dem anhaltend niedrigen Zinsniveau die Konsequenzen gezogen. Nachdem seit 2006 zunächst Kosten gesenkt, Vertrieb und Produktpalette neu aufgestellt sowie Risiko- und Steuerungsmethoden verfeinert worden waren, hat die Bausparkasse anschließend “aktiv am Konsolidierungsprozess der Branche” teilgenommen und etwa die AllianzDresdnerBauspar übernommen. Nun gelte es, nach der Verdoppelung des Marktanteils auf 14 % in den vergangenen fünf Jahren zu konsolidieren und die Kosteneffizienz zu verbessern.Wüstenrot will die Produktpalette noch einmal überprüfen, “um eine nachhaltige Profitabilität auch bei einem niedrigen Zinsniveau zu sichern”. Um die Unabhängigkeit sicherzustellen, müssten in den nächsten drei Jahren jeweils mindestens 200 Mill. Euro in die Stärkung des Eigenkapitals fließen. “Wir müssen die Profitabilität ständig hinterfragen und Nichtprofitables aussortieren”, so Steffan. Erste Schritte waren die Auslagerung des Gebäudemanagements an Dussmann oder die geplante automatisierte Bearbeitung von Bausparverträgen durch eine eigene Servicegesellschaft.Durch den Ausbau von provisionsträchtigeren Geschäftsbereichen soll das Produktportefeuille unabhängiger vom Zinsniveau werden. Außerdem sollen mehr Synergien zwischen der Bausparkasse und der Versicherung mit ihren jeweils drei Millionen Kunden gehoben werden.W & W entstand 1999 aus der Fusion der Wüstenrot-Bausparkasse mit der Württembergischen Versicherung, doch wurden beide Geschäfte lange Zeit recht separat geführt. Derzeit wird beispielsweise auch die stärkere Zusammenlegung der hauptsächlich auf die Standorte Stuttgart und Ludwigsburg aufgeteilten Aktivitäten in Ludwigsburg geprüft. Außerdem wurde ein Einstellungsstopp verhängt. Angebote ohne GarantienDen Kunden will man “einfache, gute Produkte, die zu ihnen passen” bieten. Für W & W gehe es darum, “werthaltiges Geschäft” zu generieren, das anhaltend profitabel ist, und sich von anderen Dingen zu trennen. So sollen Angebote ohne Garantien wie fondsgebundene Policen, deren Anteil am Neugeschäft der Lebensversicherung von 30 auf 50 % wachsen soll, stärker in den Mittelpunkt rücken. Im Vertrieb setzt man auf Schaden- und Unfallversicherungen und ganz allgemein will man weniger zinssensible Produkte anbieten.—-Zuletzt erschienen:- “Russische Staatsfonds bekommen mehr Freiheit” (24.7.)