Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Jens-Dietrich Mitzlaff

"Dass Protokolle Hinweise auf falsche Beratung geben, ist unwahrscheinlich"

Großer bürokratischer Aufwand bei Aufzeichnungen in Anlagegesprächen

"Dass Protokolle Hinweise auf falsche Beratung geben, ist unwahrscheinlich"

Die Bundesregierung beabsichtigt, in das Wertpapierhandelsgesetz Regelungen über die Protokollierung von Beratungsgesprächen über Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen einzuführen. Die Neuregelung soll gleichzeitig mit der Modernisierung des Schuldverschreibungsrechts in Kraft treten.- Herr Mitzlaff, was bezweckt der Gesetzgeber mit der Protokollierungspflicht?Ziel des Gesetzgebers ist es, für eine verbesserte Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern bei Falschberatung zu sorgen – durch das dem Kunden auszuhändigende Protokoll soll es dieser zukünftig einfacher haben, die z. B. nicht anlegergerechte Beratung vor Gericht nachzuweisen. Auch bezweckt der Gesetzgeber eine bessere Kontrolle der Anlageberater durch die BaFin. Insgesamt sollte sich die Qualität der Anlageberatung verbessern.- Wann ist ein Beratungsprotokoll zu erstellen?Künftig hat der Anlageberater über jedes Beratungsgespräch über Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen ein schriftliches Protokoll zu erstellen. Es geht dabei nicht um Gespräche im Rahmen der Eröffnung eines Girokontos oder Sparbuchs, sondern um Beratungen im Zusammenhang mit Erwerb oder Veräußerung von Aktien, Anleihen, Zertifikaten, Optionsscheinen und vergleichbaren Produkten.- Was ist in dem Protokoll festzuhalten?Anders als bisher, als der Anlageberater bei derartigen Gesprächen vor allem Informationen über die Erfahrung des Kunden mit verschiedenen Arten von Finanzinstrumenten nur standardisiert festgehalten hat, soll der Berater nunmehr ein individuelles Protokoll über das mit dem Kunden geführte Gespräch anfertigen. Es muss u. a. Angaben über den Anlass der Beratung, die Beratungsdauer, die der Beratung zugrunde liegenden Informationen über die persönliche Situation des Kunden und die im Verlaufe der Beratung erteilten Empfehlungen enthalten. Das Protokoll ist vom Berater zu unterzeichnen und dem Kunden auszuhändigen.- Wird das Ziel durch die vorgeschlagene Regelung erreicht?Das ist zweifelhaft. Zwar ist anzunehmen, dass die Protokollierungspflicht eine gewisse disziplinierende Wirkung für Anlageberater haben wird. So wird der Berater gezwungen sein, die in das Protokoll aufzunehmenden Themen mit seinem Kunden durchzugehen und zu besprechen. Andererseits ist es doch eher unwahrscheinlich, dass sich für den Kunden tatsächlich eine verbesserte Beweismöglichkeit bei Falschberatung ergibt – ich halte es sogar für möglich, dass sich die Beweislage durch die Protokolle zugunsten der Anlageberater verschiebt.- Wie kann das sein?Die Beweislage würde sich für Kunden doch nur dann verbessern, wenn dem Protokoll Hinweise auf die Falschberatung zu entnehmen wären. Es ist aber nicht zu erwarten, dass derartige Protokolle durch den Berater “auf einem weißen Blatt Papier” in Fließtext erstellt werden – die (zeitliche) Belastung im täglichen Bankgeschäft wird dies kaum zulassen. Es erscheint vielmehr wahrscheinlich, dass die Beratungsprotokolle mit Hilfe eines standardisierten Verfahrens erstellt werden. Da damit die Protokolle im Regelfall den jeweils aktuellen rechtlichen Anforderungen genügen werden, wird es unwahrscheinlich, dass das Protokoll wirklich einen Hinweis auf Falschberatung gibt.- Wieso könnte sich die Beweislage für Kunden sogar verschlechtern?Obwohl es gesetzlich nicht zwingend vorgesehen ist, ist zu erwarten, dass der Anlageberater den Kunden um Gegenzeichnung des Protokolls bitten wird. Und ob der Kunde in der Praxis das Protokoll vor Unterzeichnung sorgfältig durchliest und etwaige Unstimmigkeiten mit dem Berater klärt, erscheint zumindest offen. Ein von beiden Seiten unterzeichnetes Protokoll später zu entkräften und z. B. nachzuweisen, dass man über den Inhalt getäuscht wurde, wird vielfach schwer möglich sein.- Gibt es weitere Kritikpunkte an der vorgeschlagenen Neuregelung?Nach der vorgeschlagenen Regelung sollen sämtliche Beratungsgespräche erfasst werden, also auch Beratungsgespräche z. B. mit institutionellen Kunden. Es wäre sinnvoll, die Regelung auf die Beratung von Verbrauchern zu beschränken. Der erhebliche bürokratische Aufwand, der aus der Protokollierungspflicht entsteht, wird so jedenfalls etwas eingedämmt.—-Dr. Jens-Dietrich Mitzlaff ist Partner im Frankfurter Büro von Morgan Lewis & Bockius. Die Fragen stellte Walther Becker.