Recht und Kapitalmarkt

Debt Equity Swap ist ein Rettungsanker in Krisenzeiten

Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit belegen die wachsende Akzeptanz dieses Sanierungsinstruments

Debt Equity Swap ist ein Rettungsanker in Krisenzeiten

Von Frank Grell und Dominik Demisch *) Deutschlands Konjunktur ist stark, die Wirtschaft wächst, und dennoch befinden sich nicht wenige Unternehmen in der Krise. Dies spiegelt sich nach wie vor im Markt für Kreditforderungen wieder. Nach der Phase, in der erste riesige Portfolios notleidender Kredite (NPL) den Eigentümer wechselten, nimmt jetzt die Zahl der im Branchenjargon “Single-Name” genannten Transaktionen zu. Nicht wenige Unternehmen haben sich mit der Finanzierung von Unternehmenskäufen oder dem eigenen Management Buy-out überhoben und können die Kennzahlenvorgaben ihrer Kreditverträge nicht mehr erfüllen. Nicht selten werden dann Kreditengagements an Restrukturierungs- und Hedgefonds veräußert. Augenfälliges Beispiel ist die Automobilzuliefererbranche: Namen wie Schefenacker, Pelzer und Kiekert stehen exemplarisch für die Restrukturierungsphase, in der sich zahlreiche Unternehmen dieser Branche derzeit befinden. Angelsächsische PraxisEin wichtiges Sanierungsinstrument im Rahmen von Restrukturierungen ist der Debt Equity Swap. Neben den Distressed-Assets-Abteilungen deutscher Großbanken wenden überwiegend britische und US-amerikanische Investoren den ihnen aus ihren Heimatmärkten bestens bekannten Debt Equity Swap an, um Unternehmen zu erwerben und anschließend auf Erfolgskurs zu bringen. Bei einem Debt Equity Swap bringt der Darlehensgeber die erworbenen Forderungen gegen ein Unternehmen als Sacheinlage ein – falls erforderlich nach einer vorherigen Kapitalherabsetzung. Das Eigenkapital erhöht sich, zugleich wird der Finanzinvestor Gesellschafter des Unternehmens. Dabei tragen zwei Faktoren wesentlich zur Sanierung von Unternehmen bei: Zunächst wird die Insolvenz des Unternehmens verhindert, da durch die Einbringung der Darlehensforderungen eine eventuelle Überschuldung beseitigt wird. Darüber hinaus wird die Eigenkapitalquote des Zielunternehmens verbessert. Bei der Strukturierung von Debt Equity Swaps ist eine Reihe von Besonderheiten zu berücksichtigen, deren Nichtbeachtung leicht die gesamte Transaktion gefährden kann. Rechtliche FragenBei der Strukturierung von Debt Equity Swaps stellen sich insbesondere folgende rechtliche Detailfragen, die einer sorgfältigen Prüfung und Gestaltung bedürfen: – Differenzhaftung des Investors für die Werthaltigkeit der eingebrachten Forderungen: Wegen der Krise des Unternehmens liegt der Wert der Forderungen in der Regel unter ihrem Nominalbetrag; ihn zu ermitteln ist Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers. Wird der Wert zu hoch angesetzt, muss der Investor die Differenz in bar nachschießen – in einer Insolvenz eine Katastrophe. – Besteuerung des Sanierungsgewinns: Verzichtet der Darlehensgeber auf wertlose Forderungen, stellt dies einen voll zu versteuernden Sanierungsertrag des Unternehmens dar. Damit droht die Insolvenz des Unternehmens allein aufgrund der neu entstehenden Steuerlast. Durch eine angemessene Gestaltung kann eine Befreiung von der Besteuerung erreicht werden. – Eigenkapitalersatz: Nur durch Nutzung des sogenannten Sanierungsprivilegs kann der Darlehensgeber vermeiden, dass nicht eingebrachte Forderungen wie Eigenkapital behandelt und damit faktisch entwertet werden. – Übernahmeangebot: Bei börsennotierten Unternehmen wird durch die Übernahme von mehr als 30 % der Anteile eine Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots ausgelöst. Hier kann, bei entsprechender Gestaltung der Sanierung, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Befreiung erteilen. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Einbeziehung der bisherigen Gesellschafter: Ohne sie geht nichts. Die im Rahmen eines Debt Equity Swap erforderlichen Kapitalmaßnahmen bedürfen der Zustimmung der Inhaber. Letztlich werden daher in der Regel nur solche Debt-Equity-Swap-Transaktionen erfolgreich sein, bei denen Darlehensgeber und bisheriger Gesellschafter an einem Strang ziehen. Die Praxis zeigt, dass dies für beide Seiten durchaus sinnvoll sein kann. Wenn die bisherigen Inhaber nicht mitziehen, droht ihnen über kurz oder lang mit der Insolvenz ein Totalverlust, während sie beim Debt Equity Swap regelmäßig noch beteiligt bleiben. Den Kontrollverlust werden sie nicht verhindern können, allenfalls für sich bessere Konditionen heraushandeln. Verschiedentlich wird im Rahmen von Restrukturierungen auch eine Sitzverlegung ins Ausland erwogen. Die Voraussetzungen für eine solche Sitzverlegung sind allerdings meist nicht gegeben: Nach den einschlägigen EU-Regeln ist ein Insolvenzverfahren am “Centre of Main Interest” – COMI – zu eröffnen. Dies ist dort, wo die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden und auch der Geschäftsbetrieb selbst stattfindet. TransaktionskostenEine Verlegung insbesondere des Geschäftsbetriebs ist nur mit vertretbarem Aufwand durchzuführen, wenn es sich um eine reine Holding handelt; ein produzierender Betrieb wird sich in den seltensten Fällen verlagern lassen. In jedem Fall dürften erhebliche Transaktionskosten und Steuern anfallen. Eine Sitzverlegung ist nur vorteilhaft, wenn sie die angefallenen Kosten überwiegt. Letztlich hängt es vom Einzelfall ab, ob eine Sitzverlegung entscheidenden Mehrwert zu einer Restrukturierung beitragen kann oder nicht. Typen von Investoren Investoren, die bereit sind, sich über notleidende Forderungen in ein Unternehmen einzukaufen, sind an der Sanierung des Unternehmens interessiert. Dabei sind sie aufgrund ihrer Spezialisierung auf diesen Bereich bereit, ganz andere Konzepte mitzugehen als die klassische Hausbank. Dabei werden sie allerdings auch eine etwas forschere Gangart an den Tag legen. Dies erscheint für alle Beteiligten allemal lohnenswerter als ein Gang zum Insolvenzgericht.Je nach Ausrichtung ist ein Investor an einem Kontrollerwerb oder an dem Erwerb lediglich einer Kapitalbeteiligung interessiert. Zwar verfolgen beide Investorentypen unterschiedliche Investmentstrategien, beide sind aber daran interessiert, von der Sanierung von Firmen mit Turnaround-Potenzial zu profitieren. Für beide Herangehensweisen ist der Debt Equity Swap ein ideales Werkzeug. Flexibles InstrumentEs steht zu erwarten, dass Finanzinvestoren künftig vermehrt ihr Augenmerk auf Unternehmen legen, die aus Branchen stammen, die ohnehin unter wirtschaftlichem Druck stehen. Neben den Automobilzulieferern haben Investoren mittlerweile auch andere Branchen in die engere Wahl genommen. Alles in allem bietet ein Debt Equity Swap sowohl den beteiligten Unternehmen als auch den interessierten Investoren ein flexibles Instrument zur Sanierung, das gerade in der derzeitigen deutschen Marktsituation für beide beteiligten Seiten von großem Vorteil sein kann.*) Frank Grell, LL.M., und Dominik Demisch sind Rechtsanwälte bei Latham & Watkins in Hamburg.