PORTFOLIO

Der Kunstmarkt boomt wieder

Die Baisse der Krisenjahre ist vorüber - Wachstum bei Auktionen von 21 Prozent - Marke von 10 Mrd. Dollar geknackt - Starkes Wachstum in Asien

Der Kunstmarkt boomt wieder

Der internationale Kunstmarkt hat die schwachen Jahre der Krise hinter sich gelassen. Der Umsatz der großen Auktionshäuser überschritt die Marke von 10 Mrd. Dollar, vor allem zeitgenössische Kunst fand die Gunst der Käufer.Von Anna Perucki, Frankfurt”Kunst wird durch Geld erst schön”, hat Andy Warhol einmal gesagt. Dementsprechend war 2011 wohl für die Kunst ein schönes Jahr, der Markt hat sich sehr gut entwickelt. Er erreichte fast wieder das Allzeithoch von vor der Finanzkrise und hat die Erwartungen der Auktionshäuser noch übertroffen. Das Jahr 2011 lieferte viele spektakuläre Ergebnisse und zählt zu den besten in der Kunstwelt überhaupt.Der globale Markt für Kunst hat sich inzwischen gegenüber seinem Tiefpunkt von 2009 um 52 % erholt. Auktionshäuser, Galerien und Künstler im Direktverkauf setzten 2011 rund 43 Mrd. Euro um. Das Volumen bleibt damit nur um 10 % unter dem Rekord von 2007. Die guten Resultate basieren vor allem auf dem Wachstum in China und Asien. Ohne den chinesischen Markt würde das Jahr 2011 unter den Erlösen von 2007 liegen.Im Auktionsmarkt als dem wichtigsten und transparentesten Teilmarkt der globalen Kunstszene wurden 11,57 Mrd. Dollar umgesetzt. Zum ersten Mal wurde damit die Marke von 10 Mrd. Dollar überschritten, der Erlös stieg im Vorjahresvergleich um 21 %. Trotz des über Europa und den USA hängenden Damoklesschwerts war 2011 nach Erhebungen der Kunstpreisdatenbank Artprice das beste Auktionsjahr der Geschichte.Weder die Finanzkrise der vergangenen Jahre noch die Rezessionsangst oder die Euro-Krise haben im vergangenen Jahr einen größeren Einfluss auf den Kunstmarkt gehabt, sodass die Baisse von 2008 bis 2010 nur einen relativ kurzen Abschwung darstellt. Verantwortlich sind dafür vor allem zwei Tendenzen: Zum einen erholt sich der Kunstmarkt schneller als andere Wirtschaftszweige von den Krisen. Zum anderen ist eine Globalisierung des Kunstmarkts zu beobachten, die dazu führt, dass ökonomische Tiefpunkte und unterschiedliche Sammeltendenzen der Amerikaner oder Europäer von anderen Nationen substituiert werden. Nach einer kurzen Verunsicherung aufgrund der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen kehrte die Sicherheit zurück, gestützt durch gute Ergebnisse in Auktionen und Kunstmessen.Im Vergleich zu 2010 setzte moderne Kunst bei Auktionen 1,2 Mrd. Dollar mehr um. Im Bereich der Kunst nach 1945 wurde der Absatz um 372 Mill. Dollar gesteigert. An zeitgenössischer Kunst wurden rund 291 Mill. Dollar mehr verkauft. Das Marktvolumen bei den alten Meistern stieg um 124 Mill. Dollar, während Sammler für Kunst des 19. Jahrhunderts 43 Mill. Euro mehr lockermachten. Der Vormarsch der Chinesen ist deutlich zu erkennen, die nicht nur mit 65,5 Mill. Dollar den höchsten Auktionspreis des Jahres, sondern auch die meisten Millionenzuschläge erzielten. Artprice errechnete, dass der asiatische Anteil am weltweiten Auktionskunstmarkt inzwischen bei 43 % liegt. China verzeichnete einen Zuwachs von 49 %, Singapur um 22 % und Indonesien um 39 %. Laut Artprice, führend im Bereich Kunstmarktinformationen, hat Asien ein größeres Volumen an Auktionserträgen als die USA generiert. Doch auch andere Märkte entwickelten sich meistens positiv. So wuchs der Markt in Großbritannien um 24 %, in Frankreich um 9 % und in Deutschland um 23 %. Nur die USA kamen auf ein leichtes Minus von 3 %.Insbesondere das Hochpreissegment zeigte 2011 eine dynamische Entwicklung. Nicht weniger als 1 688 Werke wurden für jeweils über 1 Mill. Dollar verkauft, 59 davon sogar über 10 Mill. Dollar. Letzteres repräsentiert einen 32-prozentigen Zuwachs im Vergleich zu 2010 und fast eine Versechsfachung gegenüber der vergangenen Dekade. Chinesische Käufer erwarben 774 Objekte über 1 Mill. Dollar. 58,5 % des weltweiten Gesamterlöses haben allein die teuersten 1 % der Werke erzielt. Christie’s und Sotheby’sDie beiden etablierten Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s generieren den Löwenanteil der Gesamtsumme aller Umsätze. New York und London bleiben die Hauptmärkte, Hongkong nimmt den dritten Platz ein. Die chinesischen Auktionshäuser folgen ihnen allerdings in riesigen Schritten. Auch wenn Christie’s und Sotheby’s Anteile verloren haben, so haben sie dies nicht, weil sie weniger versteigern, sondern weil die asiatischen Versteigerer einfach viel aggressiver wachsen. Die beiden westlichen Häuser repräsentierten nur noch 47 % aller weltweiten Verkäufe. Anfang des Jahrtausends waren es noch 73 %.Im vergangenen Jahr nahm Christie’s weltweit mit Auktionen von Kunst und mit Privatverkäufen 3,6 Mrd. Pfund (4,3 Mrd. Euro) ein, rund 9 % mehr als 2010. Während 3,6 Mrd. Pfund tatsächlich ein Allzeitrekord für das Auktionshaus sind, liegt dieser Umsatz in Dollar ausgedrückt mit 5,7 Mrd. hinter dem Rekordergebnis von 2008 von 6,3 Mrd. Dollar.Das börsennotierte Auktionshaus Sotheby’s hat 2011 nach dem Rekordjahr 2007 das zweitbeste Ergebnis der Geschichte erwirtschaftet, obwohl die Zahlen im vierten Quartal unter dem Konsens der Wall Street lagen. Sotheby’s konnte in dem Quartal den Umsatz um 7 % auf 831,8 Mill. Dollar steigern. Das Unternehmen setzte im Gesamtjahr 4,9 Mrd. Dollar um und musste sich erneut dem Konkurrenten Christie’s geschlagen geben. Doch einen Trumpf hat das Haus im Ärmel: Eines der berühmtesten Gemälde der Welt soll in New York versteigert werden. Eine Version von Edvard Munchs Meisterwerk “Der Schrei” soll Anfang Mai den Besitzer wechseln. Das Auktionshaus hat für das expressionistische Meisterwerk einen Schätzpreis von 60 Mill. Euro angesetzt.Voraussetzungen für jede gelungene Versteigerung sind eine hohe Qualität der Werke und angemessene Schätzungen der Preise. Experten haben in der New Yorker Christie’s-Moderne-Auktion im November 2011 zu hoch gegriffen und mussten zusehen, wie 38 % der Exponate zurückgingen. Hohe Schätzungen für mittelmäßige Qualität stießen auf Ablehnung, womit die hohe Rückgangsrate und ein insgesamt enttäuschendes Gesamtergebnis zu erklären sind. Bei Sotheby’s dagegen lag das Gesamtergebnis mit 315,8 Mill. Dollar für 68 Werke der zeitgenössischen Kunst auf Rang 3 der erfolgreichsten Versteigerungen in der Geschichte des Hauses, gar nicht so weit entfernt von dem absoluten Top-Ergebnis von 2008 mit 362 Mill. Dollar.Das am meisten Gewinn bringende Segment ist die Kunst der Moderne. Der Ertrag lag bei 6,1 Mrd. Dollar, er repräsentiert damit 52 % des globalen Erlöses mit Kunstwerken. Dies waren 1,21 Mrd. Dollar mehr als 2010, das auch schon ein Rekordjahr gewesen ist. Die Nachfrage ist extrem hoch. 2011 wurden mehr als 164 000 Werke dieses Genres verkauft. Teure ImpressionistenEin schlechteres Ergebnis gab es bei den Impressionisten, was zeigt, dass längst nicht alles zu jedem Preis verkauft wird. Die Erlöse von Christie’s in diesem Bereich repräsentieren mit 136 Mill. Dollar nicht mal die Hälfte der ein Jahr davor erreichten Summe von 296 Mill. Dollar. Sowohl Christie’s als auch Sotheby’s enttäuschten auf ganzer Linie – ihre Schätzungen waren zu optimistisch.Alte Meister repräsentierten 2011 einen Anteil von 10 %. Da die Einlieferung immer schwieriger wird, weil der Markt relativ eng ist, konzentrierte sich der Westen auf die zeitgenössische Kunst, die profitabler geworden ist. Die Verkäufe der alten Meister brachten 2011 rund 1,19 Mrd. Dollar ein. In dieser Sparte wurden 41 000 Objekte gekauft, 62 % davon für weniger als 5 000 Dollar. 1 879 Bieter bezahlten mehr als 100 000 Dollar für ein Kunstwerk. Die Finanzkrise und die ökonomische Instabilität in Europa lassen die Investoren neue Wege beschreiten. Europäische Investoren weichen aus, weil der Aktienmarkt unter Umständen weniger Rendite verspricht als der Auktionsmarkt. Der Kunstmarkt profitiert von der Krise auf den Finanzmärkten, denn es ist immer noch genug Geld da: Die neuen kaufkräftigen Bevölkerungsschichten der Schwellenländer möchten ihren neu erlangten Status zeigen, ihr Weltkulturerbe pflegen oder sich an der durch politische Systeme oft tabuisierten Kunst erfreuen.Globalisierung und die Weiterentwicklung der Internettechnologien machen den Sammlern Kunstinformationen und Bilder zugänglicher und sie machen es auch einfacher, an Auktionen in der ganzen Welt teilzunehmen. Wegen der teils geschrumpften Rendite aus dem Aktienhandel und anderen Finanzinvestitionen gilt der Kunstmarkt für reiche Investoren seit längerem wieder als gute Alternative. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit investieren Menschen ihr Geld gerne in berührbare und wertbeständige Anlageformen wie Gold, Schmuck oder eben Kunst, vor allem in Zeiten von Geldentwertung oder wenn klassische Anlageformen nur noch geringe Zinsen abwerfen. Kunstinvestitionen haben sich lange als inflationssichere Wertanlagen erwiesen. Man muss aber bedenken, dass Kunstsammeln nicht nur mit hohen Kaufgebühren verbunden ist, sondern auch mit stattlichen Versicherungsprämien und Lagerkosten.Im bisherigen Jahresverlauf 2012 hat sich der positive Trend des Vorjahres jedenfalls fortgesetzt. In den Impressionisten- und Moderne-Kunst-Auktionen im Februar 2012 nahm Christie’s 125,4 Mill. Pfund ein. 13 % der Lose gingen zurück. Sotheby’s erzielte ein Ergebnis von 69,2 Mill. Pfund mit einer Rückgangsrate von 22,6 %. Insgesamt wurde eine Summe von 203,6 Mill. Pfund erreicht, ein Plus von 28 % gegenüber Februar 2011.Während der Februar-Auktionen der zeitgenössischen Kunst wurden ebenfalls beeindruckende Resultate erzielt, mit einer Rückgangsquote von lediglich ca. 10 %. Sotheby’s hat einen Umsatz von 50,7 Mill. Pfund erzielt. 63 % der verkauften Lose überschritten ihre obere Taxe. Die Quote lag nach Losen bei 91 % und nach Schätzpreisen bei 95 %. Christie’s nahm 80,5 Mill. Pfund ein. Schulden, Tod und ScheidungIm Jahr 2012 werden Käufer weiterhin auf museale Qualität, Rarität, Provenienz, Marktfrische, etablierte Namen und historische Bedeutung setzen. Die drei Ds (Debt: Schulden; Death: Tod, Divorce: Scheidung) werden weiterhin eine substanzielle Rolle bei der Einlieferung der Kunstwerke spielen, denn nur so wird der Markt mit neuen, interessanten, seltenen Werken beliefert. Der chinesische Markt wird reifen und selektiver werden, wodurch eine Beruhigung zu erwarten ist. Der mittlere Markt – unter 300 000 Euro – bleibt schwach, viele Galerien und Händler mussten vergangenes Jahr schließen. Der Internet-Kunstmarkt wird sicherlich wachsen, wobei es aber sowohl an Transaktionstransparenz als auch an der Authentizitätsgarantie fehlt.Der Markt ist im Vergleich zu der Zeit vor der Krise weniger spekulativ. Die Preise sind stabiler, das Publikum ist sicherer. Qualität ist Trumpf. Der Kunstmarkt mit seinen Kunstindizes erholte sich nach dem Einbruch 2009 sehr schnell und zeigte schon 2010 einen signifikanten Aufschwung. Das Jahr 2011 war stark, und die Aussichten für 2012 sind trotz der ungewissen ökonomischen Entwicklung und der zum Teil sehr düsteren Wirtschafts- und Finanzprognosen ebenfalls gut.——Gefragte Kunstgattungen- Impressionismus & klassische Moderne: Kunst des späteren 19. und der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Epoche schließt ebenfalls Fauvismus, Kubismus, Realismus und Surrealismus ein. Wichtigste Vertreter: Cézanne, Giacometti, Matisse, Monet, Picasso, Van Gogh.- Kunst nach 1945 & zeitgenössische Kunst umfasst die Zeit seit 1945 bis zur Gegenwart mit vielen Bewegungen vom abstrakten Expressionismus und Pop Art von den späten vierziger bis frühen siebziger Jahren. Nach 1970 wurden vor allem Minimalismus und Konzeptkunst, Graffiti Art, Brit Pop berühmt. Vertreter: Francis Bacon, Willem de Kooning, Damien Hirst, Yves Klein, Jeff Koons, Roy Lichtenstein, Joan Mitchell, Takashi Murakami, Gerhard Richter, Mark Rothko, Andy Warhol.- Alte Meister: Gemälde europäischer Künstler vom 14. bis zum frühen 19. Jahrhundert. Vertreter: Mantegna, Tizian und Canaletto, Poussin und Fragonard, Cranach, Rubens und Van Dyck, Rembrandt, Hals und Vermeer, Velazquez und Goya sowie Reynolds, Constable und Turner. per——