INVESTMENTFONDS - GASTBEITRAG

Der Markt für Anleihen nach islamischem Recht reift heran

Börsen-Zeitung, 10.4.2013 Finanzierungsstrukturen nach islamischem Recht sind einer der dynamischsten Wachstumsbereiche des Finanzdienstleistungssektors - mit einem Wert von derzeit über 1 Bill. Dollar, der sich bis 2015 verdoppeln sollte. In den...

Der Markt für Anleihen nach islamischem Recht reift heran

Finanzierungsstrukturen nach islamischem Recht sind einer der dynamischsten Wachstumsbereiche des Finanzdienstleistungssektors – mit einem Wert von derzeit über 1 Bill. Dollar, der sich bis 2015 verdoppeln sollte. In den neunziger Jahren lag der Schwerpunkt des islamischen Finanzwesens klar auf der schariakonformen Geschäftsbanken- und Projektfinanzierungsaktivität.Seitdem ist das Spektrum deutlich ausgeweitet worden und umfasst mittlerweile Aktienfonds, Immobilienfonds, Instrumente zum Liquiditätsmanagement und festverzinsliche Instrumente, die sogenannten “Sukuk”.Die globale Finanzkrise und die anschließende Schuldenkrise in der Eurozone weckten bei konventionellen Instituten neues Interesse an Sukuk, da diesen Produkten Sachwerte zugrunde liegen. Mit über 1,5 Milliarden Muslimen weltweit, die rund ein Fünftel der gesamten Weltbevölkerung darstellen und schneller wachsen als alle anderen großen Religionsgemeinschaften, sind die fundamentalen Argumente für das islamische Finanzwesen sehr stichhaltig.Die Nachfrage kommt derzeit von islamischen Finanzinstituten sowie von Fondsmanagern und vermögenden Privatanlegern und ist weit höher als das Angebot. Das bedingt das rasche Wachstum der islamischen Bankenindustrie und den wachsenden Appetit auf glaubwürdige, schariakonforme, liquide Wertpapiere. Emittenten der Produkte sind in aller Regel Banken, staatliche und staatsnahe Einheiten.Bis vor kurzem wurde das eingeworbene Kapital überwiegend zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten im weiteren Sinne verwendet. Doch in den vergangenen Jahren hat sowohl bei den Emittenten als auch bei den Sektoren und Basiswerten eine erhebliche Diversifizierung eingesetzt. Ebenso ist eine Globalisierung und Expansion islamischer Finanzprodukte außerhalb ihres traditionellen Kernmarkts festzustellen. Chance zur DiversifizierungInternationale Emittenten betrachten Sukuk als Möglichkeit zur Diversifizierung ihrer Finanzierungsbasis und zur Schärfung ihres Profils in der muslimischen Welt, während nichtmuslimische Regierungen die potenziell lukrative heimische islamische Finanzindustrie fördern möchten.Inwiefern unterscheiden sich Sukuk von konventionellen Anleihen? Die Grundsätze des islamischen Finanzwesens verlangen, dass alle vertraglichen Vereinbarungen transparent und allen Parteien klar sein sowie ohne unfaire Strafklauseln und unter billiger Übereinstimmung der Interessen erfolgen müssen. Transaktionen dürfen keine übermäßigen Risiken oder spekulativen Elemente aufgrund von Ungewissheit beinhalten, Anlagen sollen der breiteren Gesellschaft neben den finanziellen Erträgen auch sozialen und ethischen Nutzen bringen und die Beteiligung an unethischen Geschäften ist ausgeschlossen.In der Praxis bedeutet das Folgendes: Während eine herkömmliche Anleihe ein Versprechen zur Rückzahlung eines Darlehens verkörpert, stellen Sukuk einen Miteigentumsanteil an Forderungen, Mietverträgen, Projekten, einem Unternehmen oder einer Partnerschaft oder einer Investition dar. Anders formuliert: Sukuk stehen für Eigentum an Sachwerten, während die Inhaber konventioneller Anleihen Schuldtitel besitzen. Teil des FinanzsystemsDie Branche hat sich ursprünglich als alternative Form der Finanzintermediation entwickelt, in erster Linie, um den Wunsch von Muslimen nach schariakonformen Anlagen zu erfüllen. Mittlerweile ist sie aber ein vollständiger und fester Bestandteil des etablierten globalen Finanzsystems geworden.Islamische Finanzanlagen einschließlich Sukuk beliefen sich Ende 2011 schätzungsweise auf ein Volumen von 1,36 Bill. US-Dollar und sind seit 2000 mit einer kumulierten Jahresrate von 15 % bis 20 % angewachsen. Nach Schätzungen der Malaysian Securities Commission waren Ende Juni 2012 Sukuk im Wert von 240 Mrd. US-Dollar in Umlauf.Einen wichtigen Meilenstein stellte Anfang 2012 die Finanzierung des Ausbaus des internationalen Flughafens Jeddah (King Abdulaziz International Airport) durch Saudi-Arabien mit der erfolgreichen Ausgabe der ersten staatlich garantierten Sukuk dar. Das war die größte staatlich garantierte Anleihenemission eines Schwellenlandes seit zehn Jahren.Weitere umfangreiche Emissionen folgten 2012, als die Türkei ihre ersten auf US-Dollar lautenden staatlichen Sukuk ausgab, Indonesien die dritte globale Sukuk-Emission platzierte und die Abu Dhabi Islamic Bank die ersten unbefristeten Tier-1-Hybrid-Sukuk emittierte. Robust in der KriseDas Sukuk-Wachstum wird außerdem durch ihre Performance im Vergleich zu den breiteren Kreditmärkten gestützt, die mit den Auswirkungen der Schuldenkrise in der Eurozone und dem bröckelnden Anlegervertrauen in hochriskante Anlagen kämpfen. Tatsächlich zeigte sich der Sukuk-Markt im Zuge der Finanzkrise verhältnismäßig robust und schnitt besser ab als viele konventionelle festverzinsliche Indizes – bei geringerer Volatilität.Der S & P Dow Jones Sukuk Index (in Dollar) verbuchte in den sechs Jahren seit seiner Auflegung im Schnitt über 5 % jährlich, trotz der globalen Finanzkrise und der schweren Schuldenkrise in Dubai im Jahr 2009. In den vergangenen drei Jahren beschleunigte sich die Wertentwicklung und der S & P Dow Jones Sukuk Index gewann bis 2012 im Jahresdurchschnitt über 7,5 %. Einem Bericht von Ernst & Young zufolge wuchs das Volumen der islamischen Anlageverwaltungsindustrie 2010 auf 58 Mrd. US-Dollar an, ein Plus von 7,6 % gegenüber dem Vorjahr, während das gesamte verfügbare Universum islamischer Anlageverwalter 500 Mrd. Dollar übersteigt und jedes Jahr um 10 % bis 15 % zunimmt.Dennoch werden schariakonforme festverzinsliche Produkte nach wie vor nur begrenzt angeboten. Aber das wird sich möglicherweise ändern. Im Januar 2010 erhielt auch Franklin Templeton GSC Asset Management als ausländische Gesellschaft die Zulassung der malaysischen Wertpapieraufsicht zum regulierten islamischen Fondsmanagementgeschäft. Im Nahen Osten ist Franklin Templeton Investments (ME) seit 2000 in der schariakonformen Anlageverwaltung tätig. Seitdem erhielt die Investmentgesellschaft auch schariakonforme Aktienmandate aus Asien und verwaltet seit 2008 eine Reihe von globalen Sukuk-Mandaten.