RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MICHAEL JOSENHANS

Der Markt für nachhaltige Finanzierungen wächst rasant

Neben dem Renditepotenzial sind regulatorische Anreizsysteme wichtig

Der Markt für nachhaltige Finanzierungen wächst rasant

Herr Dr. Josenhans, grüne Investments sind im Trend. Wie entwickelt sich der Markt für nachhaltige Finanzierungen?Er wächst stark! Nach einer kürzlich von Bloomberg veröffentlichten Studie wurden 2018 circa 30 % des weltweit verwalteten Vermögens in nachhaltigen oder grünen Investments gehalten. Dies entspricht einem Anstieg von über einem Drittel gegenüber 2016. Das Marktvolumen für nachhaltige Fremdkapitalfinanzierungen betrug 2018 rund 260 Mrd. US-Dollar. Neben Green Bonds, also Anleihen zur zielgenauen Finanzierung bestimmter nachhaltiger Projekte, erfreuen sich vor allem Sustainability-Linked Loans steigender Beliebtheit. Insbesondere in diesem Bereich dürften Volumen, Umfang und Popularität weiter wachsen. Was zeichnet Sustainability-Linked Loans aus?Anders als Green Loans und Green Bonds dienen diese der allgemeinen Unternehmensfinanzierung. Der variable Zinssatz wird nicht nur anhand von ökonomischen Finanzkennzahlen bestimmt, sondern richtet sich auch nach dem ESG-Score des Unternehmens, den Nachhaltigkeitsratingagenturen quantifizieren. Berücksichtigt werden beispielsweise die Höhe des Energieverbrauchs, Arbeitnehmerbedingungen sowie Maßnahmen zur Prävention wettbewerbswidrigen Verhaltens. Alternativ kann – als “Tailor-Made Solution” – auch eine Orientierung an individuell vereinbarten ESG-Key Performance Indicators vereinbart werden. Hat sich dieser Trend in allen Bereichen der Fremdfinanzierung durchgesetzt – auch im Private-Equity-Bereich, in dem Sie häufig beraten?Bemerkenswert ist, dass das Marktinteresse mittlerweile nahezu alle Produktformen abdeckt: Betriebsmittelkreditlinien werden stark nachgefragt, Anleihen werden platziert, von Dürr wurde kürzlich der weltweit erste ESG-Linked-Schuldschein emittiert. Starkes Wachstum beobachten wir derzeit vor allem im Bereich der Corporate Loans. Im Leveraged-Loan-Bereich gibt es noch keine vergleichbare Nachfrage. Woran liegt das?Dies ist unter anderem den unterschiedlichen Bedürfnissen geschuldet: Aus Unternehmenssicht bringt eine ESG-Linked-Finanzierung einen mitentscheidenden Reputationseffekt mit sich. Private-Equity-Investoren hingegen bevorzugen möglichst geräuschlose Unternehmensakquisitionen. Bewegung ist trotzdem im Markt: So refinanzierte sich im Mai Másmóvil mit dem europaweit ersten ESG-Linked Leveraged Loan. Darüber hinaus gibt es auch auf Nachhaltigkeit fokussierte PE-Fonds, beispielsweise Ambienta. Sie haben den Reputationseffekt angesprochen. Welche weiteren Anreize gibt es für Kreditnehmer und -geber?Kreditnehmer haben gegebenenfalls den Vorteil der Verringerung ihrer Zinslast, auch wenn sich dieser Abschlag typischerweise nur auf wenige Basispunkte beläuft. Daneben kann sich die Anzahl potenzieller Kreditgeber erhöhen, da tendenziell Banken, institutionelle Investoren und Vermögensverwalter mit ESG-Prinzipien im Einklang stehende Sektoren und Unternehmen präferieren. Auf Kreditgeberseite ergeben sich potenziell neue Einnahmequellen, unter anderem durch Erstellung und Vertrieb von ESG-Finanzprodukten. Wird sich ESG am Markt langfristig durchsetzen?Viel wird von den regulatorischen Anreizsystemen abhängen. Auf EU-Ebene wird beispielsweise diskutiert, an Banken geringere Eigenkapitalanforderungen zu stellen, wenn diese ihre Investitionen nachhaltiger gestalten. Darüber hinaus wird meines Erachtens entscheidend sein, ob ESG-Faktoren nachweislich ein Indikator künftiger Profitabilität und damit höherer Rendite sind. Laut MSCI, die mittlerweile selbst als Nachhaltigkeitsratingagentur agieren, kann ein hoher ESG-Score einen wirkungsvollen Frühindikator darstellen. Dr. Michael Josenhans ist Partner von Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.