Der Markt ist längst reif für Sustainable Equity
Dieser Tage hätte die 26. Weltklimakonferenz stattfinden sollen. Auch wenn diese coronabedingt nun erstmals ein Jahr Pause macht, hat das Thema Nachhaltigkeit keinesfalls an Brisanz verloren.Die Relevanz und Priorität von nachhaltigen Finanzierungen hat immens zugenommen, und im derzeitigen umfassenden industriellen und sozialen Transformationsprozess spielen Banken eine zentrale Rolle. Jetzt ist es an der Zeit, grüne Finanzprodukte auf die nächste Stufe zu heben. Normen, Kriterien und Finanzlösungen müssen neu gedacht werden.Das öffentliche Interesse an nachhaltigen Themen ist hoch, und auch Investoren und Stakeholder an den Kapitalmärkten fragen diese vermehrt nach. Insgesamt steigt der Druck seitens des Marktes für nachhaltige Transformationen und Investitionen.Nachhaltige Kapitalinvestitionen haben sich während der Börsenvolatilitäten in der ersten Phase der Coronakrise im Frühjahr besser entwickelt als andere Investitionen. So hat sich beispielsweise das Volumen für ESG-Fonds (ESG steht für Environment, Social, Governance) in Europa von 2019 bis 2020 auf 120 Mrd. Euro mehr als verdoppelt, und das in europäischen ESG-Fonds verwaltete Vermögen ist seit 2010 um 50 % auf etwas mehr als 1 Bill. Euro gewachsen. Auch in Bezug auf die Mittelzuflüsse stehen ESG-Fonds im Fokus von Investoren. So haben zum Beispiel europäische Aktienfonds mit ESG-Fokus 90 Mrd. Euro an Zuflüssen allein im ersten Halbjahr 2020 erhalten.Dies spiegelt das große Interesse von Investoren wider, ESG zunehmend in den Anlageprozess zu integrieren. Dabei spielt die Offenlegung von Daten zur Umweltleistung eines Unternehmens und zur nachhaltigen Entwicklung für Investoren eine immer wichtigere Rolle und wird vom Kapitalmarkt entsprechend gefordert. Was notwendig und hilfreich wäre, ist ein weltweit anerkannter Rahmen für die Darstellung der Nachhaltigkeitsanstrengungen von Unternehmen, damit Anleger die Risiken verstehen, denen Unternehmen ausgesetzt sind.Der Markt für nachhaltige Anleihen hat sich auch der Coronakrise besser widersetzt als der breit angelegte Schuldenmarkt. Hier spielen Interessen auf zwei Seiten eine Rolle: Einerseits die Unternehmen, die Kapital benötigen, um ihre Geschäftstransformation zu finanzieren, und die daher nach Finanzierungsmodellen für grüne Themen suchen. Auf der anderen Seite fragen auch Anleger immer mehr nach ESG-konformen Investitionsmöglichkeiten und wollen eher in umweltfreundliche Projekte investieren. Was nun nötig ist, sind Strukturen und Definitionen, um zu bestimmen, wie diese beiden Entwicklungen weiter zusammengebracht werden können.Nachhaltige Geschäftsmodelle erfordern ein starkes Engagement. Denn: Für die dringend nötige, nachhaltige Transformation von Unternehmen muss nachhaltiges Kapital mobilisiert werden. Dazu kommt, dass der Kapitalpuffer von Unternehmen, der ursprünglich für Digitalisierungs- und ESG-Themen vorgesehen war, durch die Coronakrise oft an anderen Stellen aufgebraucht wurde. Daher müssen Unternehmen neue Finanzierungsinstrumente ins Auge fassen. Frühzeitig aktiv werdenDie notwendige Transformation kann nicht nur durch Fremdkapital gedeckt werden, sondern hierfür ist jetzt auch (grünes) Eigenkapital nötig. Banken spielen in diesem Prozess eine zentrale Rolle, denn sie müssen die Investitionsbedürfnisse bündeln und diese in (neue) Finanzinstrumente kanalisieren. Für ihre Kunden bieten sie mit Branchen- und Sektorexpertise die notwendige Beratung.In dieser Phase, in der wir uns befinden, werden die Gewinner und Verlierer von morgen definiert und der Markt neu sortiert werden. Es gilt, frühzeitig aktiv zu werden. Wer zu langsam agiert, wird den sprichwörtlichen Bus verpassen. Jetzt müssen betriebsbereite Standards definiert und die Komplexität herausgenommen werden, um die Dinge handhabbar zu machen.Natürlich gibt es heute bereits etablierte nachhaltige Finanzinstrumente, wie (nachhaltige und grüne) Anleihen, Aktienfonds, Exchange Traded Funds (ETF), Crowd-Investments. Der ESG-Trend, der sich an den DCM-Märkten (DCM steht für Debt Capital Market) bereits verbreitet hat, wird nun auch für Eigenkapitaltransaktionen an Relevanz gewinnen. Der mit dem Key Performance Indicator (KPI) verknüpfte Mechanismus in Sustainability-Linked Loans wurde auf den Anleihemarkt angewendet, indem nachhaltigkeitsgebundene Anleihen geschaffen wurden, die transparente und glaubwürdige Ziele in Anleihekuponmechanismen einbetten.Die gute Performance nachhaltiger Assets wird den Sustainability-Trend weiter forcieren. Unternehmensumstrukturierungen ermöglichen es den Aktionären, in den grünen Teil eines Unternehmens zu investieren, sofern dieser beispielsweise in Form eines Spin-off abgetrennt ist. Was allerdings noch nicht verfügbar ist, ist “grünes” Eigenkapital. Dies liegt zum einen an einer fehlenden breiten Definition dafür, was grün und nachhaltig ist, zum anderen an der fehlenden strukturellen Möglichkeit, dieses Kapital darzustellen oder zu “ringfencen”. Im Anleihemarkt ist es üblich, die Verwendung der Erlöse aus einer Anleiheemission klar zu definieren. Eine ähnliche Vorgehensweise wäre auch im Aktienmarkt denkbar, indem zum Beispiel die Mittel nur von einem Treuhänder freigegeben werden, falls bestimmte, vorab festgelegte ESG-Kriterien erfüllt sind.Zur Etablierung von “Sustainable Equity” sind also umfassende strukturelle Änderungen erforderlich; eine Definition dessen, was als grün kategorisiert werden kann, muss auf der Bilanzierungsebene beginnen. Hier liegt noch ein längerer Weg vor uns, doch muss es das langfristige Ziel sein, Strukturen zu ermöglichen, zweckgebundenes, grünes Eigenkapital zu identifizieren. Eigenkapital gefragtIn der Krise war das Szenario lange unklar, doch nun, auch in Anbetracht eines hoffentlich bald verfügbaren Impfstoffes, wird die Nachfrage nach Eigenkapital wieder steigen, Bilanzen müssen wiederhergestellt werden. Schon seit Juli hat sich gezeigt, dass der Markt wieder offen für Bilanzstärkungen ist. Heute stehen die Themen Wachstumsfinanzierung und Kapitalerhöhung fast zeitgleich auf dem Tapet vieler Unternehmen, ein dynamischer Markt, getrieben vom Transformationsgeschehen der Unternehmen, in dem sich auch die Preisschere zwischen nachhaltigen Investments und solchen ohne ESG-Fokus weiter öffnen wird.Auch bei M&A-Transaktionen (Mergers & Acquisitions) wird ESG künftig eine noch größere Rolle spielen, als dies heute der Fall ist, um an einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem zu arbeiten. Bereits in den vergangenen fünf Jahren ist der Prozentsatz der M&A-Berater, die ESG-Probleme im M&A-Prozess als “wichtig” betrachten, von 25 auf 96 % gestiegen, wie eine globale Umfrage von Datasite zeigt. Und laut dem Analyseunternehmen IHS Markit senken negative ESG-Faktoren die Bewertung eines Unternehmens bei einem M&A-Deal erheblich. Finanzinvestoren achten im Rahmen ihrer Investitionskriterien verstärkt auf ESG-Aspekte, und strategische Investoren positionieren ihre Akquisitionen zunehmend im Zusammenhang mit ESG.Doch nicht nur bei klassischen M&A-Prozessen, sondern auch bei sogenannten Spin Initial Public Offerings, also der Abspaltung eines Unternehmensbereiches über die Börse, wird ESG zu einem entscheidenden Investitionskriterium für institutionelle Investoren. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass in zukünftigen M&A-Prozessen ESG eine immer wichtigere Rolle bei der “Equity Story” einnehmen wird, und die beratende Bank so zum Kernpartner für die richtige Positionierung jeglicher ESG-Aspekte wird.BNP Paribas engagiert sich seit mehreren Jahren intensiv für Sustainable Finance. Erst kürzlich hat die Bank die weltweit erste Wandelanleihe mit einem Nachhaltigkeitsmerkmal, einen sogenannten Sustainability-Linked Convertible Bond begleitet.Nachhaltige Finanzierung ist kein Trend, sondern ein wesentlicher und profitabler Bestandteil des modernen Bankwesens. Jetzt ist die Zeit, konsequent Rahmenbedingungen zu schaffen und damit auch für Sicherheit am Kapitalmarkt zu sorgen, und mit einer breiten Palette an Finanzierungs- und Kapitalisierungselementen die nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu unterstützen. Banken sind hierbei ein wichtiger Teil der Lösung.