"Der Rohstoffmarkt ist ein kleiner Markt"
Preissprünge bei den Agrarrohstoffen haben die Politiker auf den Plan gerufen. Sie verlangen eine Regulierung des Rohstoffmarktes. Gerd Henning Beck, Fondsmanager von Lupus Alpha, sieht ein isoliertes Vorgehen Europas kritisch. Beck managt im Rahmen des Talent-Hotels einen Rohstoff-Fonds.- Herr Beck, Sie verwalten mit dem Lupus Alpha Commodity Opportunities Fund einen Rohstofffonds. Sind Sie ein Spekulant, der die Agrarpreise in die Höhe treibt?Jeder Finanzinvestor ist per Definition ein Spekulant. Egal, in was er investiert. Leider hat das Wort in Deutschland einen ziemlich negativen Beiklang. Investoren haben eine volkswirtschaftliche Funktion. Sie liefern die nötige Marktliquidität. Und sie suchen nach strukturellen Schwächen, um Übertreibungen oder Untertreibungen am Markt auszunutzen. Das können Aktien oder auch Rohstoffe sein. Die Preissprünge an den Getreidemärkten resultieren aus einer solchen strukturellen Schwäche. Angebot und Nachfrage passen nicht zusammen. Das könnte man allein den Finanzinvestoren zur Last legen. Doch führen solche Preisanstiege fast immer zeitversetzt zu einer Produktionsausweitung und damit meist auch zu fallenden Preisen für die Verbraucher. So war es beispielsweise beim Weizen in 2008 und 2009.- Für den kräftigen Anstieg bei verschiedenen Agrarrohstoffen werden Spekulanten verantwortlich gemacht. Welche Einflussfaktoren hat diese Anlegergruppe auf die Preisentwicklung?Der Rohstoffmarkt ist im Vergleich zum Devisen-, Anleihen- und Aktienmarkt ein recht kleiner Markt. Dieser wird mit Ausnahme von Gold und Silber von Produzenten und Commercials wie Händlern und Weiterverarbeitern beherrscht. Diese bestimmen den großen Trend. Investoren sind eher für die Preisspitzen verantwortlich.- Welchen Einfluss hat der Staat auf den Rohstoffmarkt?Der Staat schafft durch seine Agrarpolitik wichtige Rahmenbedingungen, die sich letztlich auch auf die Preisgestaltung auswirken. Sie sind unter anderem für die Lagerreserven verantwortlich. Werden die Lagerbestände zu sehr reduziert, sinkt auch die Möglichkeit, starke Preissprünge, wie sie zuletzt beim Weizen durch die Jahrhundertflut in Pakistan oder durch den Flächenbrand in Russland auftraten, abzumildern. Hier wurde in den vergangenen Jahren zu wenig für ausreichende Rohstoffreserven getan. Das weltweite Bevölkerungswachstum ist es, das für eine stetig steigende Nachfrage nach Rohstoffen sorgt. Darauf müssen sich die Regierungen mit ihrer Agrarpolitik einstellen.- Wie beurteilen Sie den Vorstoß der Franzosen und anderer europäischer Staaten zur Regulierung des Rohstoffmarktes?Ich halte von einem isolierten Vorgehen, wie es beispielsweise von der Bundesregierung beim Leerverkaufsverbot in Deutschland erfolgte, wenig. Es gibt weltweit allein sieben große Warenterminbörsen. Werden Rohstoffinvestments in Europa eingeschränkt, haben Investoren die Chance, auf die anderen Handelsplätze auszuweichen. Ich glaube nicht, dass der Vorschlag der Franzosen Erfolg haben wird, weil nur wenige Länder den Regulierungsbemühungen folgen werden. Eine globale Lösung ist sicherlich in einem absehbaren Zeitraum nicht in Sicht – Welche Maßnahmen wären denn sinnvoll, den Einfluss von Investoren auf den an sich sehr kleinen Rohstoffmarkt in bestimmten Marktphasen zu begrenzen?Ich halte den Vorschlag der deutschen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner für praktikabler, mehr Transparenz bei Warentermingeschäften zu schaffen. Vergleichbares hat jetzt die Londoner Terminbörse Euronext Liffe eingeführt, indem sie die Handelspositionen bei Kakao, Kaffee und Zucker aufschlüsselt und in regelmäßigen Abständen veröffentlichen wird. Schon lange gibt es in den USA den Commitments-of-Traders-Bericht (COT) der Commodity Futures Trading Commission (CFTC), der versucht, Transparenz in die Handelsaktivitäten großer Handelsteilnehmer zu bringen. Eine praktikable Lösung wäre auch, die Sicherheitsleistungen (Margin) für Finanzinvestoren zu erhöhen. Die Margin wird von den jeweiligen Börsenbetreibern festgelegt und richtet sich nach der Volatilität des Marktes. Eine Anhebung würde zu einem De-Leveraging führen und den Einfluss von Finanzinvestoren vermindern.- Wie sehen Sie die weitere Entwicklung bei den Edelmetallen?Aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit der latenten Staatsschuldenkrise bin ich optimistisch für Gold. Ich kann mir vorstellen, dass wir beim Goldpreis in den kommenden sechs Monaten das Niveau von 1 450 Dollar sehen werden. Wenn Gold steigt, wird der Silberpreis folgen. Auch wenn mit größeren Volatilitäten zu rechnen ist. Denn Silber ist ein Industriemetall und reagiert immer noch sehr stark auf die Preisentwicklung bei den Basismetallen. Mittelfristig ist Silber aber aus meiner Sicht die bessere Alternative, um an dem erwarteten Anstieg von Gold zu partizipieren.- Der Agrarsektor macht durch spektakuläre Preisausschläge auf sich aufmerksam. Wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung?Ich gehe davon aus, dass wir bei Mais, Weizen und Sojabohnen einen weiteren Preisanstieg sehen werden. Bullish bin ich für Mais. Das amerikanische Agrarministerium geht zwar bei Mais von einer sehr guten Ernte aus, doch einiges deutet darauf hin, dass das Ministerium den Ertrag für die aktuelle Ernteperiode überschätzt. Ich erwarte, dass wir in dieser Saison eine deutliche Verknappung der Maisüberschüsse sehen werden. Auch bei Weizen rechne ich noch einmal mit einem starken Anstieg der Preise. Hier unterschätzt der Markt noch die Nachfrage, und wir wissen nicht, wie die Ernte in Australien ausfallen wird. Wenn man nun so bullish bei Mais und Weizen ist, dann kann man für Sojabohnen (zweitgrößte Anbaufläche in den USA) natürlich nicht bearish sein. China kauft weiterhin große Mengen in den USA auf. Die weltweiten Bestände an Ölsaaten sind auf dem niedrigsten Stand seit mehreren Jahren. Dies sollte den Sojapreis weiterhin hoch halten.- Bei welchen Rohstoffen würden sich derzeit direktionale Investments anbieten?Ich denke, dass die bereits erwähnten Märkte für Long-Investments am aussichtsreichsten sind. Das gilt vor allem für den kompletten Agrarsektor (Viehmärkte und Nahrungsmittel). Hier rechne ich in den kommenden sechs Monaten mit steigenden Preisen. Bei industriellen Rohstoffen bin ich eher skeptisch.- Sie managen erfolgreich den irischen Lupus Alpha Commodity Opportunities Fund, der im Rahmen des Talent-Hotels betrieben wird. Wann wird es die Möglichkeit geben, dass auch Investoren in diese Strategie als Publikumsfonds investieren können?In dem bestehenden Fonds kombinieren wir eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien. Wir arbeiten zurzeit an einer Möglichkeit, Commodity-Strategien in Form eines Publikumsfonds umzusetzen, und gehen davon aus, dass wir im November mit dem neuen Produkt auf den Markt kommen.—-Das Interview führte Armin Schmitz.