"Deutscher" Limited droht nach dem Brexit die Haftungsfalle
Von Germar Enders *)Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (“Brexit”) droht den in Deutschland ansässigen Unternehmen englischer Rechtsform, insbesondere den schätzungsweise 10 000 englischen Limited (“Ltd”) der Verlust der Niederlassungsfreiheit und damit der Verlust ihrer Rechtsfähigkeit. Es ist nämlich davon auszugehen, dass deutsche Gerichte auf Basis der für Nicht-EU-Mitgliedstaaten geltenden Sitztheorie, englische Unternehmen in solche deutscher Rechtsform umqualifizieren. Nach der Sitztheorie gilt für Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben, deutsches Gesellschaftsrecht. Aus einer Ltd würde eine OHG oder eine GbR, aus einer Einpersonen-Ltd ein Einzelkaufmann oder schlicht eine Einzelperson. Folge wäre jeweils die persönliche und unbegrenzte Haftung.Bisher diskutierte Lösungsmöglichkeiten sind vielfältig, aber selten einfach. Beispiele:Denkbar ist die Übertragung sämtlicher Vermögenswerte der Ltd auf eine beteiligungsidentische GmbH im Wege eines Asset-Deals. Eine solche Transaktion kann allerdings steuerlich nachteilhaft sein (Stichwort: Aufdeckung stiller Reserven) und beinhaltet für Gesellschaften mit umfangreichen Vertragsbeziehungen das Problem, dass für den Übergang jedes einzelnen Vertrags die Zustimmung des Vertragspartners erforderlich wäre. Ein grenzüberschreitender Formwechsel bzw. die Verlegung des Satzungssitzes nach Deutschland ist nach der Rechtsprechung des EuGH zwar möglich, allerdings fehlt es hierfür an einem einheitlichen europäischen Regelungsregime und damit an rechtssicheren Umsetzungsmechanismen; da sich das Companies House jüngst sogar ablehnend gegenüber dieser Möglichkeit geäußert hat, erscheint dies kein gangbarer Weg. Denkbar bleibt, die Anteile der Ltd im Rahmen einer GmbH-Gründung als Sacheinlage einzubringen; hierfür sind gegebenenfalls teure Wertgutachten erforderlich. Ebenfalls möglich ist die grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine deutsche GmbH. Im Ergebnis ist die Wahl der jeweils passenden Strukturierung eine Frage des Einzelfalls. Problem erkanntDer Gesetzgeber hat das Problem erkannt und will mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes den vom Brexit betroffenen britischen Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland einen rechtssicheren Wechsel in eine inländische Gesellschaftsrechtsform mit beschränkter Haftung ermöglichen bzw. eine neue Gestaltungsvariante zur Verfügung stellen. Hierfür sollen die Regelungen zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften in §§ 122 a ff. Umwandlungsgesetz dahingehend ergänzt werden, dass der Kreis der verschmelzungsfähigen Gesellschaften erweitert wird. Künftig ist dann auch die Hineinverschmelzung einer europäischen Kapitalgesellschaft in eine deutsche Personenhandelsgesellschaft möglich. Bisher waren als übernehmende oder neu gegründete Rechtsträger nur Kapitalgesellschaften zulässig.Praktisch wird durch die Neuregelung also die Hineinverschmelzung einer Ltd in eine deutsche Kommanditgesellschaft (“KG”) ermöglicht, an der die bisherigen Gesellschafter als Kommanditisten beteiligt werden. Mit der GmbH & Co KG steht damit eine beliebte Rechtsform zur Verfügung, mit der sich die Haftung weiterhin beschränken lässt. Bei Verwendung einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) als persönlich haftendem Gesellschafter der KG ist sogar das für eine GmbH erforderliche Mindeststammkapital von 25 000 Euro entbehrlich.Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen macht die Ergänzung der bisherigen Regelungen erforderlich. Insbesondere wird der Verschmelzungsplan für jeden Anteilsinhaber angeben müssen, ob dieser in der übernehmenden bzw. neuen Gesellschaft persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist sein wird. Auch ist der festgesetzte Betrag der Einlage jedes Gesellschafters anzugeben.Mit der geplanten Neuregelung ergänzt der Gesetzgeber die bestehenden Handlungsmöglichkeiten betroffener Unternehmen um eine sinnvolle Alternative. Unternehmen, die von der neuen Möglichkeit Gebrauch machen wollen, müssen allerdings zügig handeln, sobald die Neuregelungen in Kraft sind. Zwar wird eine eigens für den Brexit vorgesehene Übergangsvorschrift zeitlichen Spielraum verschaffen; dieser ist aber nicht unbegrenzt: Vor Wirksamwerden des Brexits begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Verschmelzungen einer britischen Ltd auf eine deutsche Gesellschaft können auch danach innerhalb eines Übergangszeitraums abgeschlossen werden. Entscheidend für das Eingreifen der entsprechenden Regelungen ist die notarielle Beurkundung des Verschmelzungsplans vor Ausscheiden Großbritanniens aus der EU (bzw. vor Ablauf eines Übergangszeitraums); sofern die Anmeldung der Eintragung der Verschmelzung dann unverzüglich, spätestens aber innerhalb von zwei Jahren erfolgt, bleibt die Verschmelzung möglich.—-*) Dr. Germar Enders ist Rechtsanwalt und Counsel bei McDermott Will & Emery in München.