"Deutschland bleibt ein investitionsfreundlicher Markt"
Frau Thoms, Deutschland hat in den vergangenen Wochen mehrere Gesetzgebungsverfahren zur Verschärfung der Investitionskontrolle auf den Weg gebracht. Sorgt die Coronakrise für mehr Protektionismus?Bereits vor Ausbruch der Pandemie hatte das Bundeswirtschaftsministerium eine Reform angekündigt. Die vor der Gesundheitskrise geplanten Verschärfungen sollten in erster Linie der Umsetzung der EU-Rahmenverordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen dienen und bestimmte weitere kritische Technologien dem Anwendungsbereich unterwerfen. Nun beabsichtigt die Bundesregierung aber auch weitere Verschärfungen insbesondere im Gesundheitssektor. Neu ist zudem die erstmalige Einführung eines strafbewehrten Vollzugsverbots für meldepflichtige Transaktionen. Danach ist es etwa unter Strafe gestellt, dem Erwerber bestimmte unternehmensbezogene Informationen zu überlassen, während der Erwerb noch geprüft wird. Müssen Ausländer nun befürchten, dass sie erschwert in Deutschland investieren können?Die grundlegenden sicherheits- und ordnungspolitischen Interessen zu schützen und gleichzeitig einer der offensten Investitionsräume weltweit zu bleiben, ist kein Widerspruch. In den letzten Jahren haben wir vermehrt Investitionen durch Unternehmen mit teilweise engsten Verbindungen zu ausländischen Regierungen gesehen. Hier dürfen wir nicht naiv sein. Wir bleiben aber ein offener, investitionsfreundlicher Markt. Ausländische Investoren können in Deutschland und in der EU weiterhin einen verlässlichen und transparenten Markt sehen. Investitionsprüfungen müssen aber selbstverständlich weiterhin schnell und nach klaren und transparenten Kriterien durchgeführt werden. EU-Mitgliedstaaten wie Italien und Frankreich haben ebenfalls coronabedingt ihre Gesetze zur Investitionskontrolle verschärft. Die EU-Kommission hat außerdem Leitlinien für die Mitgliedstaaten betreffend ausländische Direktinvestitionen und Schutz der strategischen Vermögenswerte herausgegeben. Mit welcher Motivation?Die Kommission befürchtet in der Krise den Ausverkauf angeschlagener Unternehmen, insbesondere aus systemrelevanten Bereichen, und fordert die Mitgliedstaaten daher dringend auf, ihre Überprüfungsmechanismen voll auszuschöpfen, wenn nötig auszubauen oder einen solchen Mechanismus umgehend einzuführen, wenn es noch keinen gibt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Gesundheitssektor. Mehrere Mitgliedstaaten der Union haben darauf reagiert oder planen entsprechende Änderungen. Warum gibt die Kommission lediglich Leitlinien heraus? Wäre ein Gesetz nicht sinnvoller?Für ein Gesetz auf europäischer Ebene gibt es keinen Konsens. Bereits die EU-Rahmenverordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen, die sich noch in der Umsetzungsphase befindet, wurde von einigen Mitgliedstaaten stark kritisiert. Die Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, einen nationalen Screening-Mechanismus einzuführen. Prüft ein Staat aber ausländische Direktinvestitionen, so hat er dabei die Vorgaben des EU-Rahmens zum Transparenzgebot und zum Nichtdiskriminierungsgebot einzuhalten. Mit der Verordnung wird zudem ein Kooperationsmechanismus zur Abgabe von Stellungnahmen geschaffen. Auf mehr konnten sich die Staaten nicht einigen. Haben die Mitgliedstaaten denn Lehren aus der Finanzkrise gezogen?Wir müssen zwischen Screenings von Direktinvestitionen und anderen Instrumenten zum Schutz der Interessen der EU und der Mitgliedstaaten unterscheiden. Wenn wir den Blick ausschließlich auf Prüfungen von Direktinvestitionen richten, fällt sofort auf, dass immer noch nur etwa die Hälfte der Mitgliedstaaten nationale Screening-Instrumente eingeführt haben. Alle Mitgliedstaaten sollten aber die Einführung solcher Instrumente dringend erwägen. Das hat mit Protektionismus nichts zu tun, sondern mit einem klaren Blick auf die aktuellen geopolitischen Realitäten. Anahita Thoms ist Partnerin im Bereich Außenwirtschaftsrecht von Baker McKenzie. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.