Diamanten stecken Krisen schnell weg
Der internationale Diamantenmarkt hat die Preiseinbrüche infolge der Banken-, Finanz- und Konjunkturkrise erstaunlich schnell weggesteckt. Seit gut anderthalb Jahren sind die Preise für Rohdiamanten und geschliffene Steine wieder in einem Aufwärtstrend. Mittlerweilehat der Markt längst wieder das Vorkrisenniveau von 2007/2008 erreicht. Zuletzt gab es eine Konsolidierung auf den hohen Niveaus. Auf lange Sicht gehen Experten aber von weiteren Preissteigerungen aus, da das Minenangebot nicht mit der Nachfrage, unter anderem seitens der Schmuckindustrie, Schritt halten kann.Von Kai Johannsen, FrankfurtIm Frühjahr und Sommer 2008 sah es noch danach aus, als würde die Immobilien- und Hypothekenkrise der USA den internationalen Diamantenmarkt kalt lassen. Die Krise wurde als solche im Diamantenhandel wahrgenommen, nachhaltigen negativen Einfluss zeigte sie auf den Markt aber lange nicht. Im August 2008 befand sich der Markt auf einem Rekordhoch. Das änderte sich im Herbst 2008, als die Krise in dem Kollaps renommierter Bankhäuser gipfelte. Die Auswirkungen der Bankenkrise kamen am Diamantenmarkt erst mit einer zeitlichen Verzögerung an, wie eine Versteigerung zeigt. So wurde noch im Dezember 2008 bei einer Diamantenversteigerung des Auktionshauses Christie’s für einen 35,56 Karat (1 Karat = 0,2 Gramm) schweren Stein noch der bis dahin höchste Preis gezahlt, und zwar 23,4 Mill. Dollar.2009 schlug die Bankenkrise aber voll auf den Diamantenmarkt durch. Die Angst vor deutlichen Umsatzrückgängen auf dem weltgrößten Schmuckmarkt, d. h. den USA, sorgte für deutliche Preisrückgänge. Einen wesentlich stärkeren Einfluss auf den Markt und damit die Diamantenpreise hatte aber noch ein anderer Faktor. Banken, die krisenbedingt schwer in Bedrängnis geraten waren, kürzten ihren Kunden laut Insidern die Kreditlinien oder setzten die Linien mit ausgesprochen kurzen Fristen ganz auf null. Dadurch kamen viele Diamanthandelsfirmen in die Bredouille. Steine, die bereits eingekauft und kreditfinanziert waren, mussten in kurzer Zeit abgestoßen werden. Viele Käufer zeigten sich angesichts der Preisrückgänge verunsichert und waren deshalb zurückhaltend, was den Preisverfall nochmals beschleunigte. Von Ende 2008 bis Ende 2009 sackten die Preise für Rohdiamanten und geschliffene Steine im Schnitt betrachtet, d. h. über die einzelnen Qualitätskategorien (Karat, Schliff, Reinheit und Farbgebung), um 20 bis 30 % ab, was in der Branche als deutlicher Einbruch gilt.Einige Diamanthandelsfirmen mussten ihre Aktivitäten deutlich herunterfahren, andere verschwanden ganz vom Markt. Unterstützung erhielten viele Diamantenhändler laut Experten aber durch die Produktionskonzerne/Minenbetreiber bzw. den Diamantenzwischenhandel. Sie traten an die Stelle der Banken und halfen mit entsprechenden Kreditlinien bzw. Vorfinanzierungen aus. Damit stabilisierte sich der Markt auf der Seite der Händler. Knapperes Angebot2010 wurde der Preisverfall gestoppt, der Markt setzte in beiden Segmenten, d. h. bei den Rohdiamanten und den geschliffenen Steinen, zu einer Erholungsbewegung an. Diese Erholung erwies sich als recht robust, führte sie den Markt doch in gut anderthalb Jahren zurück auf das Vorkrisenniveau von 2007/2008. Die Staatsschuldenkrise bzw. die dadurch ausgelöste Verunsicherung trieb die Preise weiter an. Hinzu kam die Aussicht auf ein knapperes Angebot, die ebenfalls preissteigernd wirkte.Im Frühsommer 2010 überholte die Preisentwicklung der Rohdiamanten die Preise für geschliffene Steine, was im Handel zunächst mit Skepsis betrachtet wurde. Kann diese Entwicklung nachhaltig sein, war die oft gestellte Frage von Marktteilnehmern. Häufig wurde sie mit einem klaren Nein beantwortet, nur wenige Akteure sahen hierin eine Markt- bzw. Preiskonstellation, die durchaus Stabilitätsansätze entwickeln kann. “Die Anfangsphase dieser Preisentwicklung war für viele Akteure schmerzlich. Denn keiner konnte zu diesem Zeitpunkt mit Gewissheit abschätzen, ob der Markt für geschliffene Steine nachziehen, d. h. dem Markt für Rohdiamanten folgen wird”, sagt Ulrich Freiesleben, an der weltgrößten Rohdiamantenbörse in Antwerpen zugelassener Händler.Dieser Preisprozess hielt allerdings an. Nach wie vor sind Rohdiamanten teurer als geschliffene Steine wie etwa Brillanten. Freiesleben gibt die Preisdifferenz über die einzelnen Kategorien bzw. Qualitäten hinweg betrachtet mit 2 bis 10 % an. In einzelnen Größen (Qualitäten) kann der Preisabstand laut dem Experten aber auch schon mal größer ausfallen. Beeindruckender AnstiegDie Aufwärtsbewegung der Diamantenpreise ist beeindruckend. Der Diamantenindex von Idex (International Diamond Exchange), einem Preisprovider für Diamanten, wies für Anfang Oktober einen durchschnittlichen Indexstand von knapp 141 Punkten aus. Anfang des Jahres waren es um die 120 Punkte. Ende Juni lag das Barometer, das die Entwicklung geschliffener Steine unterschiedlicher Größenordnungen und Qualitäten umfasst, allerdings bei rund 146 Zählern.Seit einigen Wochen ist am Diamantenmarkt eine Konsolidierungsbewegung zu beobachten. Für Verunsicherung und damit Zurückhaltung sorgt die Staatsschuldenkrise in Europa. Aber nach den deutlichen Preisanstiegen in diesem Jahr, die Freiesleben über die einzelnen Kategorien hinweg betrachtet mit rund 40 % per Ende Juni angibt, tritt nun die Furcht vor einem Rückgang der Konsumentennachfrage auf, was für Preisdruck sorgt. Bis Anfang Oktober errechnet sich nun eine Performance von rund 25 %.Das Umfeld des Diamantenmarktes spricht laut Experten auf lange Sicht für weiter steigende Preise. Weite Anlegerkreise finden Gefallen daran, Diamanten als Investment zu halten und als Schutz vor unsicheren Zeiten ins Portfolio aufzunehmen. Der Faktor Investmentdiamanten hat gerade in diesem Jahr einen stärkeren Aufwärtsdruck auf die Preise ausgeübt. In die gleiche Richtung gehen geopolitische Unsicherheiten, insbesondere im arabischen Raum. Auch das bewegt viele Investoren zu einer stärkeren Sachwerteorientierung. Abzulesen ist das unter anderem an den Preisanstiegen bei den Edelmetallen. Den stärksten Einfluss auf die Preisentwicklung der Diamanten zeigen laut Marktbeobachtern aber China und Indien sowie andere aufstrebende Volkswirtschaften. Hier entwickeln sich infolge der robusten Konjunktur neue Mittel- und Oberschichten. “Insbesondere Schmuck wird in den Mittel- und Oberschichten der Gesellschaften des Nahen und Fernen Osten völlig anders gewichtet als etwa hierzulande. Vor diesem Hintergrund verzeichnet die Schmuckindustrie eine verstärkte Nachfrage nach Diamanten. Gerade in Indien und China entstehen viele Schmuckgeschäfte, in denen auch direkt Diamanten aller Kategorien und Qualitäten erworben werden können und nicht nur in Schmuckstücken verarbeitete Steine”, sagt Freiesleben. Rekord gebrochenEin sehr guter Indikator sind aber auch Auktionen bei den großen renommierten Auktionshäusern. Sie geben einen guten Einblick, welche Mengen nachgefragt werden und wie die Einzelpreisentwicklung insbesondere für selten Steine ausfällt. Auch hier sei eine starke Performance zu erkennen. So wurde beispielsweise im November 2010 der Rekord aus dem Jahr 2008 gebrochen. Ein 24,78 Karat schwerer pinkfarbener Diamant wechselte für 46 Mill. Dollar den Besitzer.Mit der enormen Nachfrage nach Diamanten kann die Minenproduktion derzeit nicht mithalten. Viele Minen haben in der Krise die Produktion gedrosselt. Darüber hinaus haben Rohstoffkonzerne wie BHP Billiton und Rio Tinto angesichts der kräftigen Preissteigerungen in fast allen Segmenten des Rohstoffmarktes die Produktion anderer Rohstoffe wie zum Beispiel Erze nach oben gefahren. Hiermit ließen sich angesichts der Hausse gute Erträge generieren.Für einen zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die Diamantenpreise sorgte aber zudem eine bestimmte Verhaltensweise der Minenbetreiber in Phasen steigender Diamantenpreise. Eine klassische Strategie besteht in der Verlangsamung der Produktion. Damit wird einerseits die Laufzeit der Mine verlängert. Andererseits kann durch die zeitweise Drosselung der Produktion in Phasen anhaltender Aufwärtsbewegungen für den Output ein höherer Ertrag generiert werden. Preisschübe erreichte der Markt auch durch eine Hortung, die auf den nachgelagerten Stufen des Diamantengeschäfts zu beobachten ist. Die Rohdiamantenhändler horten Steine, da sie später mit Aufschlägen weitergereicht werden können. Somit treten auch hier phasenweise Verknappungen auf.