RECHT UND KAPITALMARKT

Die Banken und das Deleveraging

Unterschiedliche Transaktionsformen setzen Kreativität keine Grenzen - Investorensuche für Transaktionen schwierig

Die Banken und das Deleveraging

Von Oliver Kronat *)Kreditinstitute stehen zunehmend unter Druck, Darlehen und andere Bankaktiva abzubauen. Ein Grund dafür sind die erhöhten Eigenkapitalanforderungen, die Basel III und CRD IV an Banken stellen. Zu den bestehenden Erfordernissen, eine Eigenkapitalquote von 8 % einzuhalten, kommen künftig ein Kapitalerhaltungspolster sowie ein antizyklisches Kapitalpolster. Zusätzlich wird für systemrelevante Banken die Eigenkapitalquote auf 9 % erhöht.Der durch diese Veränderungen hervorgerufene Eigenkapitalbedarf der europäischen Kreditinstitute wird auf etwa 115 Mrd. beziffert. Auf deutsche Kreditinstitute entfallen dabei rund 13 Mrd. Euro.Verluste, die durch den Umtausch griechischer Staatsanleihen entstehen, sind dabei noch nicht berücksichtigt und dürften den Eigenkapitalbedarf einiger Kreditinstitute erhöhen. Die Aufnahme von Eigenkapital kann diese Effekte kompensieren. Die Eigenkapitalaufnahme in dem erforderlichen Umfang und zu günstigen Bedingungen ist für viele Kreditinstitute jedoch nicht einfach. Das Vertrauen außereuropäischer Investoren in Europa ist aufgrund der Staatsschuldenkrise nicht gerade üppig. Dieses Misstrauen strahlt auch auf die europäischen Kreditinstitute ab. Hinzu kommt, dass viele Kreditinstitute in den nächsten Jahren beträchtliche Beträge an unbesicherten Verbindlichkeiten (Senior Unsecured Debt) refinanzieren müssen und damit ohnehin bereits auf Mittelzufluss durch Investoren angewiesen sind. Insofern verwundert nicht, dass ein Abbau von Bankaktiva im Volumen von 775 Mrd. Euro in den nächsten zwei Jahren erwartet wird.Die erhöhten Eigenkapitalanforderungen sind jedoch nicht der einzige Grund für diese Entwicklung. Basel III und CRD IV führen auch eine Liquidity Cover Ratio, eine Net Stable Funding Ratio und eine Leverage Ratio ein, die jeweils einen Einfluss auf den Abbau von Bankaktiva haben: Die Liquidity Coverage Ratio macht das Investieren in und das Halten von nicht hochliquiden Aktiva (zu den hochliquiden Aktiva zählen Staatsanleihen, Pfandbriefe, Guthaben bei der EZB und – das ist aber noch umstritten – auch gewisse ABS-Papiere) für Banken wesentlich unattraktiver als zuvor.Die Net Stable Funding Ratio führt dazu, dass Bankaktiva mit einer Laufzeit von über einem Jahr durch teures Kern- oder Ergänzungskapital oder durch langfristige Verbindlichkeiten refinanziert werden müssen. Nach Maßgabe der Leverage Ratio darf das Verhältnis des Kapitals eines Kreditinstituts zu seinen Aktiva 3 % nicht unterschreiten. Strategie und AuflagenNeben diesen regulatorischen Gründen sind aber auch Bilanzstrategie, Auflagen, die dem Kreditinstitut im Rahmen einer staatlichen Rettungsmaßnahme gemacht wurden, und Liquiditätsbedarf entscheidende Faktoren für die Durchführung von Deleveraging-Maßnahmen.Doch welche Bankaktiva stehen für ein Deleveraging im Fokus? Dies sind häufig Darlehen, vor allem solche, die eine hohe Eigenkapitalunterlegung erfordern. Darlehen sind für die Anwendung der Liquidity Cover Ratio keine hochliquiden Aktiva, und wenn ihre Laufzeit ein Jahr erreicht oder übersteigt, sind sie nach der Net Stable Funding Ratio durch langfristige Verbindlichkeiten bzw. durch Kernkapital zu refinanzieren. Auch eignen sich Darlehen regelmäßig nur in begrenztem Umfang zur Beschaffung von Liquidität bei der EZB: Zwar sind Darlehensansprüche grundsätzlich notenbankfähige Sicherheiten, die von der EZB angewendeten Abschläge und die formellen Anforderungen sind jedoch hoch, und viele Institute schrecken vor deren Einhaltung zurück. Anleger findenJede Deleveraging-Maßnahme setzt voraus, dass sich Investoren finden, die bereit sind, in die Bankaktiva zu investieren. In dem zur Zeit vorherrschenden Niedrigzinsumfeld suchen Versicherungen nach neuen geeigneten Investitionsmöglichkeiten. Auch die Regelungen von Solvency II ermutigen Versicherungen, Darlehen auf ihren Büchern zu halten. Einige Versicherungsgesellschaften haben daher angekündigt, selbst Darlehen auszureichen und entsprechende Strukturen aufzubauen. Der Erwerb eines Darlehensportfolios von einer Bank kann der Versicherung dabei helfen, rasch “kritische Masse” aufzubauen.Neben Versicherungen interessieren sich auch Finanzinvestoren für eine Investition in Bankaktiva. Zu Letzteren gehören Hedgefonds, Privat-Equity-Fonds und speziell für den Ankauf von Darlehensportfolios und ähnlicher Aktiva gegründete Special-Situations-Fonds. Ihr Augenmerk liegt auf leistungsgestörten (Non-Performing) Darlehen, die sie unter Anwendung eines Abschlags auf den Nominalwert zu erwerben suchen. Sollte dieser Abschlag die Wertberichtigung, die die Bank bereits auf die Darlehen vorgenommen hat, übersteigen, würde die Bank durch den Verkauf der Darlehen einen Verlust erleiden. Dieser würde das Eigenkapital weiter mindern. Insofern wird sie eine solche Transaktion wahrscheinlich nicht eingehen. Andererseits wird der Investor die Darlehen nur zu einem Abschlag erwerben, der einen Gewinn erwarten lässt. Insofern ist die Preisfindung oft schwierig und häufig der Grund, an dem die Durchführung von Darlehensverkäufen scheitert. Dies gilt v. a. für Darlehensportfolios, bei denen Abschreibungen noch nicht oder noch nicht in entsprechender Höhe durchgeführt wurden. Dazu kommt, dass Finanzinvestoren den Erwerb zumeist zumindest teilweise fremdfinanzieren.Fremdfinanzierungsmittel stehen aufgrund der vorstehend beschriebenen Situation der Banken aber nur begrenzt oder nur zu ungünstigen Konditionen zur Verfügung. Dies wirkt kaufpreismindernd und beeinträchtigt die Durchführbarkeit von Verkäufen. Ein Ausweg ist es, wenn der Verkäufer selbst die Kaufpreisfinanzierung zur Verfügung stellt (Vendor Financing). Schließlich kennt er die zum Verkauf stehenden Aktiva bestens und wird sich daher in der Lage sehen, günstige Finanzierungskonditionen zu stellen. Allerdings wird damit einer der Zwecke der Durchführung des Deleveraging, nämlich der Zufluss von Liquidität, zunichtegemacht. Der klassische WegDie klassische Form des Deleveraging ist der Verkauf und die Abtretung der Bankaktiva an den Erwerber oder die Übertragung der Bankaktiva im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf eine Tochtergesellschaft mit anschließender Veräußerung der Geschäftsanteile an den Erwerber. Bei Ersterer spielt die Übertragbarkeit der Darlehensforderungen, v. a. das Nichtvorhandensein von Abtretungsverboten, eine besondere Rolle. Nach Maßgabe des Risikobegrenzungsgesetzes verhindern Abtretungsverbote die Abtretung einer Darlehensforderung selbst dann, wenn der Schuldner ein Kaufmann ist. Auch die Verwendung des Refinanzierungsregisters schafft hier keine Abhilfe, denn explizite Abtretungsverbote sind auch hier zu beachten. Außerdem ist der Kreis der Übertragungsberechtigten auf Kreditinstitute und Zweckgesellschaften eingeschränkt. Der synthetische WegDeleveraging kann aber auch ohne einen Verkauf und eine Übertragung der Darlehensaktiva erreicht werden. So können die mit den Darlehensaktiva verbundenen Risiken synthetisch (d. h. unter Verwendung von Credit Default Swaps, Credit Linked Notes, Unterbeteiligungen, Garantien oder ähnlichen Instrumenten) auf einen Erwerber übertragen werden. Die Inhaberschaft an den Darlehensaktiva verbleibt bei der Bank. Eine Bilanzentlastung kann auf diese Weise regelmäßig nicht erreicht werden. Erfolgt aber ein wesentlicher Risikotransfer, dann kann eine Entlastung des regulatorischen Eigenkapitals erreicht werden.Eine weitere Form ist die Gründung eines Joint Venture zwischen Veräußerer und Erwerber. Sie bietet sich vor allem dann an, wenn der Veräußerer an einer möglichen Werterholung der Aktiva weiter beteiligt sein möchte. Außerdem kann auf diese die Verwaltung der Bankaktiva effizient zwischen Veräußerer und Erwerber aufgeteilt werden.Für ein Deleveraging stehen somit unterschiedliche Transaktionsformen zur Verfügung, und der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form das große Deleveraging stattfinden wird.—-*) Dr. Oliver Kronat ist Partner im Frankfurter Büro der Anwaltssozietät Clifford Chance.