"Die Banken werden bei Börsengängen im Entry Standard besonders auf die Qualität der Kandidaten achten"
Die Deutsche Börse AG hat im Open Market den Entry Standard gestartet. Erstes IPO in dem neuen Marktsegment war Design Bau. Mit dem Entry Standard will die Börse ihr Primärmarktangebot für kleine und mittlere Unternehmen ausbauen. Den Firmen soll ein Zugang zum Kapitalmarkt mit niedrigen regulatorischen Anforderungen ermöglicht werden. – Herr Dr. Sickinger, Sie haben mit der Design Bau den ersten Börsengang im Entry Standard beraten. Weshalb war das neue Marktsegment empfehlenswert für dieses Unternehmen? – Das neue Marktsegment ist für die Design Bau AG von besonderem Interesse, weil es sich voraussichtlich auf Börsengänge mit geringerem Platzierungsvolumen konzentrieren wird. Wir erwarten hier Platzierungsvolumina im Bereich von weniger als 10 Mill. bis zu knapp unter 100 Mill. Euro. Es wird sich damit ein ähnlicher Markt wie der Alternative Investment Market in London bilden. Hinzu kommt der Kompromiss zwischen Regulierungsdichte, Qualitätsanforderungen und Erleichterungen für kleinere börsennotierte Unternehmen, der den Entry Standard attraktiv macht. Namentlich gibt es hier deutliche Erleichterungen insofern, als etwa keine Insiderverzeichnisse geführt zu werden brauchen, kein Pflichtangebot bei Kontrollwechseln abzugeben ist und auf Quartalsberichte verzichtet wird. Die Anforderungen sind zugleich gegenüber dem allgemeinen Freiverkehr (jetzt Open Standard) derart qualifiziert, dass ein besonderes Qualitätssegment innerhalb des Freiverkehrs entsteht. Innerhalb des Open Standard bietet der Entry Standard der Design Bau, die dem Kapitalmarkt mehr Informationen als im Open Standard erforderlich zur Verfügung stellt, erhöhte Aufmerksamkeit. – Welche besonderen rechtlichen Konstruktionen waren notwendig für den Börsengang im neuen Mittelstandssegment? Wie unterscheiden sich diese Anforderungen von denen des Freiverkehrs?Die Anforderungen der Einbeziehung in den Entry Standard gleichen grundsätzlich denen der Einbeziehung in den Open Plant der Emittent, wie die Design Bau AG, die Abgabe eines öffentlichen Angebotes, muss ein von der BaFin gebilligter Prospekt vorgelegt werden. Möchte das Unternehmen demgegenüber eine Privatplatzierung durchführen, ist die Vorlage eines Exposés ausreichend, das nicht öffentlich zugänglich gemacht wird. Zusätzlich zu den im Rahmen einer Einbeziehung in den Open Standard vorzulegenden Unterlagen sind ein geprüfter Konzernabschluss samt Lagebericht des Emittenten für das der Antragstellung vorhergehende Geschäftsjahr zusammen mit dem Vermerk des Abschlussprüfers und ein Unternehmenskurzporträt des Emittenten zum Zwecke der Veröffentlichung auf dessen Internetseite vorzulegen. – Wie sehen die Folgepflichten aus?Nach Einbeziehung der Aktien des Emittenten in den Entry Standard sind auf den Internetseiten des Emittenten innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des für den Emittenten geltenden Berichtszeitraums der Konzernjahresabschluss und der Konzernlagebericht zusammen mit dem Vermerk des Abschlussprüfers, innerhalb von drei Monaten nach dem Ende des ersten Halbjahres eines jeden Geschäftsjahres ein Zwischenbericht, ein jährlich zu aktualisierendes Unternehmenskurzporträt und ein aktueller Unternehmenskalender unter Angabe aller wesentlichen Termine des Emittenten zu veröffentlichen. Darüber hinaus sind auf den Internetseiten des Emittenten, ähnlich der Ad-hoc-Publizitätspflicht, Tatsachen im Tätigkeitsbereich des Emittenten unverzüglich nach ihrem Eintreten bekannt zu geben, wenn diese wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet sind, den Börsenpreis der in den Entry Standard einbezogenen Aktien des Emittenten erheblich zu beeinflussen. – Inwieweit sind die begleitenden Banken stärker in der Pflicht?Naturgemäß sind die begleitenden Banken bei kleineren und teilweise noch jungen Unternehmen stärker in der Pflicht, vor dem Börsengang ein Bewusstsein für die kapitalmarktorientierte Unternehmenskultur zu schaffen, von der Corporate-Governance-Struktur bis hin zum Investor-Relations-Management. Außerdem werden sie auf die Prospektgestaltung Einfluss nehmen, auch wenn sie nicht als Prospektverantwortliche im Sinne des Börsengesetzes in Erscheinung treten. In vielen Fällen werden die begleitenden Banken gleichzeitig die Rolle des vorgeschriebenen Deutsche Börse Listing Partner ausfüllen und so dessen Pflichten übernehmen, wie insbesondere die Durchführung eines grundlegenden Informationsgesprächs über Transparenzanforderungen am Kapitalmarkt und die Beratung bei der Veröffentlichung der vorgeschriebenen Informationen wie dem Unternehmenskalender und dem Unternehmenskurzporträt. – Sind die Risiken für die Investoren eingrenzbar, oder droht dem neuen Markt das Schicksal des Neuen Marktes?Der Entry Standard ist schon deshalb nicht mit dem Neuen Markt vergleichbar, weil kein Branchenfokus, damit auch kein Fokus nur auf wachstumsstarke Technologieunternehmen, existiert. Darüber hinaus ist die Betreuung und Hilfe durch Deutsche Börse Listing Partner vorgeschrieben, was insbesondere für kapitalmarktunerfahrene Unternehmen sehr wichtig ist und wodurch Fehler vermieden werden können. Der Entry Standard richtet sich nach dem Verständnis der Deutschen Börse in erster Linie an qualifizierte Anleger im Sinne von § 2 Nr. 6 Wertpapierprospektgesetz, die in der Risikoeinschätzung geübter sind als Privatanleger. Letztlich sollten die Anleger darauf achten, welches Institut den geplanten Börsengang begleitet. Wir gehen davon aus, dass die begleitenden Institute besonderes Augenmerk auf die Qualität der Kandidaten richten, um sich ihre Reputation für das künftig wieder interessanter werdende Feld der Börsengänge zu bewahren. – Für welche Firmen bietet sich ein Börsengang im Entry Standard an? Der Börsengang im Entry Standard bietet sich im besonderen Maße für Gesellschaften an, die ein Platzierungsvolumen zwischen 10 und 50 Mill. Euro aufzuweisen haben. Bei größeren Volumina kann bereits an den Amtlichen oder Geregelten Markt gedacht werden. Eine bestimmte Branchenfokussierung steht nicht zu erwarten. Hier zeigt der Vergleich mit dem Alternative Investment Market, dass Unternehmen aller Branchen in Betracht kommen. Mit dem Entry Standard wurde ein flexibler und kosteneffizienter Zugang zum Kapitalmarkt geschaffen, welcher attraktiv ist für Firmen, die eine einfachere Alternative zum Börsengang in den Segmenten General Standard und Prime Standard mit weniger formalen Pflichten suchen. Dr. Mirko Sickinger LL.M. ist Partner der Sozietät Haarmann Hemmelrath in Köln. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.