Recht und Kapitalmarkt - Gastbeitrag

Die Einladung zur ersten Hauptversammlung nach dem neuen UMAG

Börsen-Zeitung, 28.9.2005 Am gestrigen Dienstag ist das Gesetz zu Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) verkündet worden. Es tritt am 1. November 2005 in Kraft. Das Gesetz enthält unter anderem eine grundlegende...

Die Einladung zur ersten Hauptversammlung nach dem neuen UMAG

Am gestrigen Dienstag ist das Gesetz zu Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) verkündet worden. Es tritt am 1. November 2005 in Kraft. Das Gesetz enthält unter anderem eine grundlegende Modernisierung der Anmeldung und Legitimation zur Hauptversammlung. Insbesondere wird in § 123 Aktiengesetz ein international verbreiteter “record date” eingeführt, ein Stichtag, zu dem die Kreditinstitute anhand der Depotbestände einen Legitimationsnachweis ausstellen. Wer so legitimiert ist, darf an der Hauptversammlung (HV) teilnehmen und abstimmen, wer die Aktie erst danach erwirbt, nicht. Der Stichtag liegt 21 Tage vor der Hauptversammlung. Der Bestandsnachweis muss der Gesellschaft sieben Tage vor der HV zugehen (Anmeldefrist). Die öffentliche Einberufung zur Hauptversammlung hat 30 Tage vor dieser zu erfolgen, diese Frist verlängert sich um die Anmeldefrist – also 30 plus 7. Die Record-Date-RegelungNeben der neuen Record-Date-Regelung bleiben die bisherigen Legitimationsregelungen in der Satzung gültig und können auch in Zukunft weiter vorgesehen werden. Dabei handelt es sich insbesondere um die bisher übliche “Hinterlegung”. Die Gesellschaften müssen sich für die nächste Hauptversammlungssaison auf die nunmehr geltenden neuen Regelungen einstellen. Dabei ist zu beachten: Für nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften gilt die neue Record-Date-Regelung nicht – sie haben völlige Satzungsfreiheit. Aktiengesellschaften mit Namensaktien haben ebenfalls kein Problem, bei ihnen folgt die Legitimation der Aktionäre aus dem Aktienregister.Weit mehr als 250 börsennotierte Inhaberaktiengesellschaften haben ihre Satzungen in der vergangenen Hauptversammlungssaison mit Vorratsbeschlüssen auf die Reform vorbereitet. Dazu haben das Bundesjustizministerium und die Fachliteratur auch stets geraten. Diese Gesellschaften haben kein Problem. Die Übergangsregelung zum UMAG ermächtigt zudem Vorstand und Aufsichtsrat, die neue Satzungsregelung an Änderungen des Gesetzes im Gesetzgebungsverfahren anzupassen. Kein Vorratsbeschluss?Was machen die Inhaberaktiengesellschaften, die keinen Vorratsbeschluss haben? Sie werden ihre Satzung in der nächsten Hauptversammlung an die neue Rechtslage anpassen. Die erste Hauptversammlung müssen sie aber noch mit der alten Satzung bestreiten. Damit tritt die neue gesetzliche Record-Date-Regelung neben die bestehende Satzungsregelung. Das bedeutet: Da die Kreditwirtschaft sich rasch auf die neue Record-Date-Regelung umstellen wird, werden sich die meisten Aktionäre mit dem neuen Bestandsnachweis der Kreditinstitute legitimieren und anmelden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich ein Aktionär auf die satzungsmäßige Hinterlegungsvorschrift beruft und eine herkömmliche Hinterlegungsbescheinigung verlangt. Doppellegitimation Möglicherweise wird seine Bank ihm dies nicht verweigern. Die Praxis hatte im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, in sehr theoretischen Fällen könne es zur Doppellegitimation kommen. Für dieselben Aktien könnte am 21. Tag vor der Hauptversammlung ein Record-Date-Nachweis und am 7. Tag vor der Hauptversammlung eine Hinterlegungsbescheinigung ausgestellt werden. Um diesen Sorgen zu begegnen, ist in der Übergangsregelung zum UMAG in § 16 EG-AktG geregelt: Bestehende Altregelungen in den Satzungen gelten weiter, aber anstelle des dort meist vorgesehenen 7. Tages vor der Hauptversammlung gilt der 21. Tag. Damit ist ein Gleichlauf für die Legitimation für alle Mechanismen – sei es Record-Date-Nachweis, sei es Hinterlegung – erreicht. Doppellegitimationen sind ausgeschlossen. Nun wird in den Satzungen nach altem Recht oft nur die Hinterlegung angeordnet und nicht differenziert zwischen Anmeldung und Legitimation des Aktionärs, beides fällt in der Hinterlegung zusammen. Da die Einberufungsfrist von 30 Tagen um die Anmeldefrist verlängert wird, fragen sich diese Gesellschaften nun, ob sie für die erste Hauptversammlung mit 30 plus 7 Tagen oder mit 30 plus 21 Tagen einladen müssen. Auf Nummer SicherNach dem Sinn der gesetzlichen Übergangsregelung ist eindeutig: Die Vorverlegung der Frist von 7 auf 21 Tage galt nur der Angleichung der Legitimationstermine, nicht der Verlängerung der Anmeldefrist. Freilich wird es Gesellschaften geben, die sich auf keinerlei Auslegungsrisiken einlassen und auf Nummer Sicher gehen wollen. Das ist verständlich. Dann können sie mit einer Frist 21 plus 30 = 51 Tage einberufen – und haben kein Problem. Sie müssen dann die Prüfung des Jahresabschlusses und die entscheidenden Aufsichtsratssitzungen um 14 Tage vorverlegen. Das sollte nicht unmöglich sein.Wer keinen Vorratsbeschluss gefasst hat, konnte zumindest seine Termingestaltung rechtzeitig einstellen. Der BDI und der Zentrale Kreditausschuss bereiten gegenwärtig eine Information für die Betroffenen vor, damit alle auf dem gleichen Stand sind.*) Prof. Dr. Ulrich Seibert ist Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz in Berlin.