Recht und Kapitalmarkt

Die Eurohypothek hat Realisierungschancen

Auf dem Weg zu einem europaweit einheitlichen Sicherungsinstrument für Immobilienfinanzierungen

Die Eurohypothek hat Realisierungschancen

Von Otmar Stöcker *)Seit Jahren wird daran gearbeitet, ein europaweit einheitliches Sicherungsinstrument für Immobilienfinanzierungen zu erzielen, die Eurohypothek, die im kürzlich veröffentlichten Grünbuch über Hypothekarkredite genannt wird. Der folgende Beitrag zeigt den aktuellen Stand der Arbeiten hierzu auf. National geprägtMit einem Volumen von mehr als 4 Bill. Euro haben die Hypothekarkredite in Europa eine sehr große Bedeutung. Dennoch kann man bisher nicht von einem europaweiten Binnenmarkt für Hypothekarkredite sprechen; vielmehr ist der Hypothekenmarkt weitgehend national geprägt. Einer der Vorschläge zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Kreditgeschäfts besteht darin, ein Immobiliarkreditsicherungsinstrument zu schaffen, das in allen EU-Staaten einheitlich gelten sowie flexibel und effizient für alle Immobilienfinanzierungstransaktionen einsetzbar sein sollte. Flexibles GrundpfandrechtBereits im Jahre 1966 hat der sog. Segré-Bericht der damaligen EWG-Kommission vorgeschlagen, zur Integration der europäischen Kapitalmärkte ein flexibles Grundpfandrecht – ähnlich der deutschen Grundschuld – in allen Mitgliedstaaten einzuführen. Im Jahre 1987 hat die Internationale Union des Lateinischen Notariats große Aufmerksamkeit mit ihrer Anregung erregt, nach dem Beispiel des Schweizer Schuldbriefs eine europaweit einheitliche “Eurohypothek” zu schaffen. Diesem Thema haben sich in mehreren europäischen Ländern Wissenschaftler und in den vergangenen Jahren auch immer mehr Praktiker gewidmet. Federführend hat sich an diesen Arbeiten der VDH (Verband deutscher Hypothekenbanken, dessen Name seit dem 19. Juli des Jahres 2005 Verband deutscher Pfandbriefbanken, vdp, lautet) beteiligt. Zum einen haben seine seit 1989 durchgeführten umfangreichen Recherchetätigkeiten zum ausländischen Immobilienrecht gezeigt, dass die nationalen Hypothekenrechtsordnungen nicht nur sehr unterschiedlich sind, sondern zuweilen die Hypothekenarten so eng ausgestaltet sind, dass moderne Kreditstrukturen überhaupt nicht oder nur sehr aufwendig hypothekarisch besichert werden können. Zum anderen war es zweckdienlich, für die im Jahre 1992 gestartete Beratungstätigkeit in den mittel- und osteuropäischen Reformländern zur Reform des Hypothekarkreditwesens ein Muster zu formulieren. Guidelines erarbeitetDaher hat der damalige VDH eine Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern, Notaren und Bankjuristen einberufen, die “Leitlinien für ein nicht-akzessorisches Grundpfandrecht für Mitteleuropa” erarbeitet und veröffentlicht hat. Diese Leitlinien wiederum wurden im Jahre 2004 zur Arbeitsgrundlage der in Spanien initiierten europaweiten Expertengruppe “The Eurohypothec”, an der auch der VDH mitwirkte. Hier wurden die Leitlinien überarbeitet und erstmals als “Guidelines” in englischer Sprache ausformuliert.Ende 2004 hat die von der EU-Kommission eingesetzte “Forum Group on Mortgage Credit” die Schaffung einer Eurohypothek in ihre Empfehlungen aufgenommen. Dadurch erhielt die Idee der Eurohypothek Zugang zur EU-Kommission.Der VDH entsprach dem Wunsch der Expertengruppe “The Eurohypothec” und lud die Mitglieder der Untergruppe “collateral” der Forum-Gruppe, Experten der nordeuropäischen Initiative zur grenzüberschreitenden Grundbuchvernetzung (EULIS) sowie der europaübergreifenden Studie über Immobilienrecht der Europa-Universität in Florenz und weitere Fachleute zu einem mehrtägigen Workshop nach Berlin ein. Vom November 2004 bis zum April 2005 haben diese Experten gemeinsam die “Basic Guidelines for a Eurohypothec” erarbeitet, die im Mai 2005 von der Polnischen Stiftung für Hypothekarkredit veröffentlicht wurden. Diese Arbeitsergebnisse sind nunmehr in Brüssel die Basis für weitere Überlegungen zur Fortentwicklung des Hypothekenrechts in Europa. Größter Erfolg der Bemühungen bislang ist, dass die Idee der Eurohypothek in das “Grünbuch – Hypothekarkredite in der EU” der EU-Kommission aufgenommen wurde, das am 19. Juli 2005 veröffentlicht worden ist. Darin nimmt die EU-Kommission die Eurohypothek-Projekte zur Kenntnis und kündigt an, die dort erarbeiteten Vorschläge zu prüfen.Der Berliner Workshop hat deutlich gemacht, dass eine Eurohypothek nicht gebraucht wird, wenn eine einzige Bank einem Kunden ein Darlehen gibt, das durch ein Grundpfandrecht an einer Immobilie gesichert wird – und sich während der gesamten Laufzeit des Darlehens daran nichts ändert. Allerdings wird diese einfache Struktur immer mehr zur Ausnahme. Neutrales InstrumentHeute werden grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen geändert, anfänglich und nachträglich syndiziert, abgetreten, verbrieft, durch mehrere Objekte gesichert, geteilt und teilweise verkauft. Maßnahmen der Refinanzierung, der Eigenkapitaloptimierung, der Risikosteuerung und der Diversifikation machen es heute zunehmend erforderlich, große Portfolios von Hypothekendarlehen zu übertragen.Viele nationale Rechtsordnungen bieten Lösungen für einige der rechtlichen Probleme an, häufig allerdings nur für spezielle Strukturen. All diese sind schon schwierig genug auf nationaler Ebene, aber nahezu nicht lösbar bei grenzüberschreitenden Fällen.Daher sollte eine Eurohypothek nicht auf bestimmte einzelne Finanzierungsstrukturen zugeschnitten sein, sondern als neutrales Kreditsicherungsinstrument so flexibel konstruiert werden, dass sie allen Finanzierungsusancen dienen und auch für Kreditstrukturen der Zukunft herangezogen werden kann. Schutz des EigentümersIn Zeiten eines hohen Verbraucherschutzes ist selbstverständlich darauf zu achten, dass der Eigentümer einer mit einer Eurohypothek belasteten Immobilie nicht schlechter gestellt würde als mit seiner nationalen Hypothek. Dies ist ohne weiteres erreichbar, wie die Vorschläge der Expertengruppe zeigen.Wenn die Eurohypothek zum Beispiel an der Struktur einer deutschen Sicherungsgrundschuld ausgerichtet wird, beruht das theoretische Risiko eines Eigentümers, bei abredewidriger Abtretung von Darlehensforderung und Grundschuld an verschiedene neue Gläubiger doppelt leisten zu müssen, nicht auf der Sicherungsgrundschuld an sich, sondern an der Ausprägung des positiven öffentlichen Glaubens des Grundbuches im deutschen Recht. Man bräuchte folglich nur zu regeln, dass Einwendungen und Einreden aus dem Sicherungsvertrag, der Forderung und Grundschuld verbindet, gegen jeden Erwerber des Grundpfandrechts entgegengehalten werden können – und schon ist diese Gefahr gebannt. Der Eigentümer muss diese Möglichkeit in einem Prozess allerdings nutzen, wie es bei einer Hypothek nicht anders ist.Aufgrund der rechtlich-technischen Trennung von Darlehensforderung und Grundpfandrecht könnte eine Eurohypothek europaweit Sicherungskonstruktionen ermöglichen, die darauf beruhen, dass nur die Darlehensforderung verkauft bzw. abgetreten wird, die Grundpfandrechte jedoch treuhänderisch gehalten werden. Die EU-Forum-Gruppe hat in Verbindung mit einer Eurohypothek auch ein europaweites Trust-Recht gefordert. RefinanzierungsregisterDer deutsche Gesetzgeber hat vor kurzem die Rechtsgrundlagen für eine solche Struktur im deutschen Recht erlassen. Nach der Sicherungsgrundschuld, die mittlerweile das Modell einer Eurohypothek geworden ist, könnte das neue “Refinanzierungsregister” ein wichtiger Baustein für diesen Vorschlag der Forum-Gruppe werden. Damit würde das deutsche Treuhand-Recht vergleichbar wichtige Beiträge zum Aufbau eines europaweiten Hypothekenmarktes liefern, wie dies die deutsche Pfandbriefgesetzgebung seit Jahren zur Entwicklung des europäischen Marktes der “covered bonds” bereits geleistet hat.*) Dr. Otmar Stöcker ist Geschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Berlin.