Recht und Kapitalmarkt

Die Festungen der Bankgeheimnisse fallen

Nur enger Spielraum für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige - Die Uhr tickt

Die Festungen der Bankgeheimnisse fallen

Von Jürgen Detlef W. Klengel und Ole Mückenberger *)Die Zeiten, in denen Geld im Ausland vor dem Zugriff deutscher Steuerbehörden sicher war, sind vorbei. Stetig wird der internationale Druck auf Länder erhöht, die früher als Steueroasen galten, um diese zu einer Kooperation mit Finanzbehörden anderer Staaten zu bewegen. Der Druck zeigt Wirkung, die Steueroasen wackeln. Damit rückt das Instrument der steuerlichen Selbstanzeige fast zwei Jahre nach der Liechtensteiner Steueraffäre wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Abkommen umgesetztDie Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist seit Jahrzehnten bestrebt, ihren Mitgliedsstaaten zu einem einheitlichen Auskunftssystem in steuerlichen Angelegenheiten zu verhelfen, um die nationale Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Ein Doppelbesteuerungsmusterabkommen wurde entworfen. Dessen eigentlicher Zweck liegt zwar in der Vermeidung einer Doppelbesteuerung, es enthält aber darüber hinaus auch den Ausgangspunkt eines weltumfassenden Auskunftssystems, Art. 26 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA). Danach verpflichten sich Staaten zum Austausch von Informationen, die unter anderem für die Veranlagung und Durchsetzung von Steuern in den Vertragsstaaten von Bedeutung sind. Alle OECD-Mitgliedsstaaten haben diese Vorschrift entweder bereits in ihren Doppelbesteuerungsabkommen umgesetzt oder zumindest deren Übernahme zugesichert.Staaten, die diesen Informationsaustausch ratifiziert haben, befinden sich auf der “Weißen Liste” der OECD. Ihnen wird damit die Einhaltung internationaler Steuerstandards bescheinigt. Den Staaten, die die Umsetzung zumindest zugesichert haben, wurde ein Platz auf der “Grauen Liste” zuteil. Selbst ehemalige Festungen des Bankgeheimnisses wie die Schweiz und Liechtenstein haben sich dem internationalen Druck gebeugt und 2009 die Anerkennung von Art. 26 OECD-MA zugesichert. Die “Schwarze Liste” der OECD (Stand: 18. September 2009) ist mittlerweile leergefegt. Sämtliche dort einmal als Steueroasen aufgeführten Länder sind durch die Zusicherung der Umsetzung des Informationsaustauschs in die “graue Liga” vorgerückt.Deutschland nimmt schon seit Jahren am internationalen Informationsaustausch teil. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass sich deutsche Finanzbehörden bei Vorliegen von Tatsachen, die den Verdacht einer Steuerhinterziehung begründen, in naher Zukunft an sämtliche OECD-Mitgliedsstaaten wenden und steuerlich relevante Auskünfte einholen können.In Deutschland hat man sich zudem entschlossen, die Steuerverkürzung schärfer zu kriminalisieren. So wurde die Verjährungsfrist für schwere Steuerhinterziehung durch das Jahressteuergesetz 2009 von fünf auf zehn Jahre verdoppelt. Zudem hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 2. Dezember 2008 ungewöhnlich harte Vorgaben zur Sanktionierung von Steuerstraftaten erlassen. In einem von ihm selbst als Grundsatzentscheidung bezeichneten Urteil hat er die seines Erachtens oft zu laxe Handhabung von Steuerstraftaten kritisiert und Vorgaben für die künftige Verfolgung und Bestrafung aufgestellt. Vereinfacht dargestellt, sollen bei einer Verkürzung von bis zu 50 000 Euro noch Geldstrafen, ab 50 000 Euro aber in der Regel bereits bewährte Freiheitsstrafen verhängt werden. Steuerhinterzieher müssen danach, wenn sie einen Hinterziehungsbetrag im sechsstelligen Euro-Bereich erreichen, konkret mit der Gefahr der Verhängung einer unbewährten Freiheitsstrafe rechnen.Ferner ist zum 1. August 2009 das Steuerhinterziehungsgesetz in Kraft getreten. Dieses sieht einen umfassenden Maßnahmenkatalog vor, um Geschäftsbeziehungen deutscher Steuerpflichtiger im Ausland zu durchleuchten. Daneben sollen den Steuerpflichtigen umfassende Nachweispflichten treffen, deren Nichteinhaltung mit der Aberkennung steuerlicher Begünstigungen geahndet werden kann. Der praktische Anwendungsbereich des Steuerhinterziehungsgesetzes ist derzeit begrenzt. Es ist vorwiegend für den Verkehr mit nicht auskunftswilligen Staaten gedacht. Für die übrigen wird es zu dem bereits dargestellten Austausch steuerrelevanter Informationen kommen. HandlungsdruckVor diesem Hintergrund ist die Gefahr der Entdeckung diskreter Auslandskonten enorm gestiegen. Es dürfte damit höchste Zeit sein zu handeln, übrigens auch für Erben von Vermögen im Ausland. Das Steuerrecht hält eine in dieser Form einzigartige Möglichkeit zur Legalisierung von Vermögen vor. Einzigartig deshalb, weil hiermit auch hinsichtlich bereits vollendeten strafbaren Verhaltens Straffreiheit erlangt werden kann. Nach 371 der Abgabenordnung (AO) wird unter gewissen Voraussetzungen straffrei, wer “unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt”.Experten im Steuer- und Steuerstrafrecht wissen, dass die Erstellung einer formgerechten Selbstanzeige oft nicht so einfach ist, wie der Gesetzestext es vermuten lässt. Tatsächlich sind die Voraussetzungen für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige eng. Der falsche Zeitpunkt, eine nicht vollständige Erklärung oder eine nicht fristgerechte Nachzahlung schließen die Chance einer Strafbefreiung irreparabel aus. Mindestens ebenso gravierend ist, dass man den Behörden mit Erstattung einer Selbstanzeige eigenhändig umfangreiches belastendes Material liefert, was erhebliche strafrechtliche Folgen haben kann, wenn die Selbstanzeige nicht wirksam ist. Fehler kann man sich hier nicht leisten.Nur beispielhaft können hier einige der möglichen Fallstricke skizziert werden. So ist der Zeitpunkt der Abgabe einer Selbstanzeige von höchster Bedeutung. Die Behörden dürfen noch keinerlei Kenntnis von der Steuerhinterziehung oder den zugrunde liegenden Tatsachen haben. Ausgeschlossen ist eine Strafbefreiung beispielsweise, wenn bereits ein Prüfer bei dem Steuerpflichtigen erschienen ist, dem Täter oder Teilnehmer die Einleitung des Verfahrens bekannt gegeben wurde oder wenn die Tat bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder auch nur wissen musste.Zudem muss die Selbstanzeige vollständig sein. Vollständigkeit bedeutet hier nicht nur, dass tatsächlich sämtliche bislang nicht offengelegte Geldquellen aufzuzeigen sind; vielmehr sind die Besteuerungsgrundlagen in der Selbstanzeige so präzise aufzuzeigen, dass dem Finanzamt – ohne weitergehende Nachfragen oder eigene Recherchen – eine Festsetzung der nachzuerhebenden Steuern unmittelbar möglich ist. Ist der Steuerpflichtige zu einer solchen Präzisierung nicht oder zumindest nicht gleich in der Lage, so muss unter Umständen die Abgabe einer sogenannten “Selbstanzeige dem Grunde nach” oder einer “Stufenselbstanzeige” erwogen werden. Sperrwirkung drohtWirklich kompliziert wird es, wenn mehrere Personen an einer Steuerverkürzung beteiligt waren. Dann gilt es, eine abgestimmte Selbstanzeige für alle Beteiligten, also mögliche Täter und Teilnehmer, zu koordinieren und gemeinsam einzureichen. Gelingt dies nicht und geht etwa die Selbstanzeige eines Beteiligten vorzeitig bei den Finanzbehörden ein, gilt die Tat insgesamt als entdeckt, und es kann eine Sperrwirkung für alle übrigen Beteiligten eintreten. Es bedarf hier einer reibungslos funktionierenden und fachmännischen Koordination.Nicht ideal ist es übrigens, die Abgabe einer Selbstanzeige mit dem eigenen Steuerberater zu besprechen. Falls sie nämlich beispielsweise doch nicht abgegeben wird, müsste dieser sein Mandat niederlegen, um sich nicht selbst wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in der Zukunft strafbar zu machen.Angesichts der global rapide zunehmenden Konten- und Vermögenstransparenz wie auch des inländisch stetig steigenden Drucks läuft die Uhr für eine Legalisierung von Vermögen im Ausland immer schneller. Für ein langes Zögern dürfte keine Zeit mehr bleiben.—-*) Jürgen Detlef W. Klengel und Ole Mückenberger sind Partner der internationalen Sozietät White & Case im Büro Frankfurt.