Recht und Kapitalmarkt

Die GmbH-Reform bringt keine Fortschritte

Absenkung des Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro geht nicht weit genug - Wettbewerbsnachteil zur Ltd. bleibt bestehen

Die GmbH-Reform bringt keine Fortschritte

Von Cord-Georg Hasselmann *)Die Bundesregierung plant, das GmbH-Recht zu reformieren. Bereits zum 1. Januar 2006 sollen die ersten Änderungen in Kraft treten. Es geht um die Erleichterung von Existenzgründungen, um Missbrauchsbekämpfung und um Gläubigerschutz sowie ganz allgemein darum, die Wettbewerbsfähigkeit der GmbH im Vergleich zu ausländischen Gesellschaften zu erhöhen. Dahinter steht die Sorge, dass die mehr als 100 Jahre lang bewährte und in vielen Ländern übernommene GmbH vor ihrem Ende stehen könnte, nachdem der Europäische Gerichtshof die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet hat, im EU-Ausland wirksam gegründete Gesellschaften im Inland anzuerkennen. Diese Urteile haben zu einer Gründungswelle von englischen Limiteds (Ltd.) mit Verwaltungssitz in Deutschland geführt. Bei dem zuständigen Finanzamt waren bis Ende März 2005 rund 3 300 Ltds. angemeldet. Das englische Recht verlangt für die Ltd. kein Mindestkapital. Mini-ReformDie ursprünglichen Reformpläne der Bundesregierung konnten noch als relativ großer Wurf bezeichnet werden, der insbesondere vorsah, das Mindeststammkapital der GmbH von 25 000 Euro auf 1 Euro zu senken und die Haftung der Geschäftsführer für “in der Krise” geleistete Zahlungen zu verschärfen. Auch sollten die Gesellschafter stärker in die Pflicht genommen werden, zum Beispiel wenn die GmbH “geschäftsführerlos” ist. Weiter sollte die Zustellung erleichtert werden, um sog. “Bestattungsfälle” zu bekämpfen. Von all dem ist jetzt kaum etwas nachgeblieben. Mit dem “Gesetz zur Neuregelung des Mindestkapitals im GmbH-Recht” (MindestKapG) sollen nur noch zwei Maßnahmen getroffen werden: Das Mindeststammkapital wird von 25 000 Euro auf 10 000 Euro abgesenkt, und die Gesellschaften werden verpflichtet, das Stammkapital auf ihren Geschäftsbriefen anzugeben. Alles andere ist anscheinend vom Tisch oder vertagt. Die vollständige Aufhebung des Mindeststammkapitals (die “1-Euro GmbH”) wird demnach nicht mehr verfolgt, und die Verschärfung der Geschäftsführerhaftung wird auf ein künftiges Reformgesetz verschoben. Gleiches gilt für Regelungen zur Zustellungserleichterung. Das ist im hohen Maße unbefriedigend, und es ist schon absehbar, dass die eingangs genannten Ziele nicht oder nur marginal erreicht werden. Wer sein Geschäft mit der Gründung von Ltds. macht, hat nichts zu befürchten. AusgedientWürde, wie ursprünglich geplant, das Mindeststammkapital vollständig aufgehoben, so hätte dies einen grundlegenden Wechsel im System der GmbH bedeutet. Das Stammkapital wird seit dem Inkrafttreten des GmbHG im Jahre 1892 als Haftungsfonds für die Gläubiger der Gesellschaft angesehen, als Korrelat zur Haftungsbeschränkung der Gesellschafter. 1892 betrug das Mindeststammkapital allerdings noch 20 000 Reichsmark. Das war damals eine beachtliche Summe. Heute können 25 000 Euro längst nicht mehr die Funktion eines Haftungsfonds erfüllen. Kaum einer, der die Haftungsbeschränkung einer GmbH in Anspruch nehmen will, lässt sich hiervon oder von einer Mindesteinzahlungspflicht von nur 12 500 Euro abschrecken.Ein gesetzlich vorgeschriebenes Mindeststammkapital ist zudem irreführend, da die Einlage nach Einzahlung nicht dauerhaft auf dem Konto der Gesellschaft verbleiben muss, sondern im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs aufgebraucht werden kann, was kaufmännisch sinnvoll ist. Das Stammkapital – gleich, ob 25 000 oder 10 000 Euro – ist ferner als Ansatzpunkt zur Verbesserung des Gläubigerschutzes von vornherein unzureichend, da es in aller Regel in keinem Verhältnis zum Geschäftsvolumen und damit zum wirtschaftlichen Risiko der Handelspartner der GmbH steht. Hinzu kommen mittlerweile höchst komplexe, für Kaufleute allein nicht mehr überschaubare gesellschaftsrechtliche Probleme, die mit der Aufbringung und dem Erhalt des Stammkapitals zusammenhängen und für Gesellschafter wie Geschäftsführer in hohem Maße zivil- und strafrechtlich haftungsträchtig sind. Furcht vor Billig-GmbHEine systemimmanente Reaktion wäre eine erhebliche Erhöhung des Stammkapitals. Da dies mit dem Ziel, Unternehmensgründungen zu erleichtern, nicht vereinbar ist, waren die bislang geplante vollständige Abschaffung des Mindeststammkapitals und die Ersetzung des Haftungsfonds durch eine Handelndenhaftung schlüssig und konsequent. Stattdessen haben sich jetzt die Warner vor einer “Billig-GmbH” offenbar so weit durchsetzen können, dass das Mindeststammkapital nicht abgeschafft, sondern auf 10 000 Euro gesenkt wird. Damit ist in der Sache außer der Demonstration politischer Aktivität nicht das Geringste gewonnen. Weder wird hierdurch die Existenzgründung entscheidend gefördert, noch wird ein angeblicher Vorteil der Ltd. wettgemacht. Allerdings wird auch keines der vielfältigen rechtlichen Probleme gelöst. Alles bleibt beim Alten. ScheinsicherheitAuch die vorgesehene Verpflichtung, das Stammkapital auf den Geschäftsbriefen (also auch auf E-Mails) anzugeben, stellt in der Sache keinen nennenswerten Fortschritt dar. Das Stammkapital ist bereits jetzt für jedermann jederzeit aus dem Handelsregister ersichtlich, und der Zugriff auf die Daten wird mit einem flächendeckenden elektronisch geführten Unternehmensregister ab Januar 2007 noch einfacher. Für den Wirtschaftsverkehr ist nicht das Stammkapital, sondern das Eigenkapital entscheidend. Dieses ist weder aus dem Briefbogen noch aus dem Handelsregister erkennbar. Die Angabe des Stammkapitals auf den Geschäftsbriefen führt nicht zu mehr Transparenz, sondern erzeugt eine Scheinsicherheit.Aufgeschoben werden die in der Sache richtigen Zustellungsregelungen sowie das brisante Thema des Gläubigerschutzes mittels einer Verschärfung der Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter. Der ursprüngliche Entwurf sah noch eine Vorverlagerung der Haftung der Geschäftsführer vom Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Zeitpunkt der “Krise”, also – verkürzt – der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft, vor – verbunden mit einer Beweislast zulasten der Geschäftsführer. Dieser Ansatz wird nun anscheinend nicht mehr verfolgt, was begrüßenswert ist. Will die Bundesregierung allerdings die Missbrauchsfälle bekämpfen und den Gläubigerschutz verbessern, so duldet dieses Thema keinen Aufschub. Das Gesamtvorhaben enttäuscht. Die Absenkung des Mindeststammkapitals bringt für die Betroffenen keinen nennenswerten Vorteil, löst aber auch keines der bestehenden rechtlichen Probleme. Die Transparenzregelung ist unbedeutend und die Haftungs- und Zustellungsfragen werden vertagt. Enttäuschend ist auch, dass der Gesetzgeber die Chance nicht ergreift, dort zu handeln, wo erheblicher Handlungsbedarf besteht, etwa im Bereich des Kapitalersatzrechts, des Cash-Pooling oder bei der überholten Beurkundungspflicht für die Abtretung von GmbH-Anteilen. Auch zu einer Verlagerung von insolvenzrechtlichen Bestimmungen aus dem GmbHG in die Insolvenzordnung soll es offenbar nicht kommen. Von der ursprünglich geplanten vollständigen Abschaffung des Mindestkapitals und der Verschärfung der Geschäftsführerhaftung sind eine Absenkung des Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro und eine Angabepflicht für Geschäftsbriefe geblieben. Mit solchen Maßnahmen macht die GmbH keine Punkte gegenüber der Ltd. Praktikable Rechtsform nötigMan kann nur hoffen, dass im zweiten Teil der Reform die Regelung des Mindeststammkapitals noch einmal überprüft und die anderen drängenden Fragen so gelöst werden, dass die mittelständische Wirtschaft wieder eine zeitgemäße und praktikable Rechtsform zur Verfügung hat, die sie nutzen kann, ohne stets gesellschaftsrechtliche Expertise einholen zu müssen. Damit wäre der Wettbewerbsfähigkeit der GmbH und dem Standort mehr gedient als mit halbherzigen Lösungen, wie sie sich jetzt abzeichnen.*)Dr. Cord-Georg Hasselmann ist Rechtsanwalt und Notar und Partner der Rechtsanwaltssozietät Hengeler Mueller, Berlin.