Nachhaltigkeit im Bankensektor

Die grüne Null – Auf dem Weg zur „Net Zero Bank“

So viel staatliche Neuverschuldung war nie. Regierungen weltweit tun das im wörtlichen Sinne Notwendige: Sie öffnen die Kassen, um herrschende und drohende Not abzuwenden. Diesmal geht es um die Pandemie und ihre Folgen. Was aber passiert...

Die grüne Null – Auf dem Weg zur „Net Zero Bank“

So viel staatliche Neuverschuldung war nie. Regierungen weltweit tun das im wörtlichen Sinne Notwendige: Sie öffnen die Kassen, um herrschende und drohende Not abzuwenden. Diesmal geht es um die Pandemie und ihre Folgen. Was aber passiert eigentlich, sollte sich die Not einmal drastisch verschärfen? Was geschieht, wenn im großen Stil Dämme brechen, wenn Überschwemmungen und Waldbrände Verwüstungen unbekannten Ausmaßes anrichten? Was passiert, wenn ganze Landstriche unbewohnbar werden? Mit anderen Worten: Was wird es uns kosten, wenn die Menschheit das Pariser Klimaziel verfehlt?

Pandemie lässt erahnen

Die Antwort mögen wir uns nicht ausmalen. In der Pandemie bekommen wir eine Ahnung davon, was die Klimakrise bedeuten würde. Erstmals in neuerer Zeit steht uns die Dimension einer tatsächlich globalen Bedrohung sehr konkret vor Augen. Wir müssen sie uns nicht mehr mühsam vorstellen. Wir stecken mittendrin.

Und genau das führt zu einem Phänomen, das so neu ist wie Covid-19 selbst: Das Thema Klimaschutz musste nicht wie üblich angesichts schlechter Wirtschaftszahlen zurückstecken, sondern hat bei Regierungen und Unternehmen an Popularität sogar noch gewonnen – und das rund um den Globus. Die Navigator-Umfrage der HSBC belegt das eindrucksvoll: Von 10000 Unternehmen in 39 Ländern sagten im Herbst 2020 über 90%, dass sie ihr Geschäft auf nachhaltigere Füße stellen wollen.

Klar ist: Die Umstellung auf klimaneutrales Wirtschaften erfordert große Anstrengungen. Die EU spricht von 260 Mrd. Euro pro Jahr, wenn wir die Emissionen bis 2030 nur in Europa und nur um 40% reduzieren wollen – im Vergleich zum CO2-Ausstoß des Jahres 1990. Sollten es sogar 60% bis 2030 werden, wie neuerdings immer öfter gefordert, dürfte die Summe noch beträchtlich höher liegen. So oder so sind gewaltige öffentliche Investitionen notwendig. Aber eben auch private. Schließlich sind es die Unternehmen, die immer mehr Mittel aufbringen müssen: für den Emissionshandel, vor allem aber für die Investition in neue, grüne Technologie.

An dieser Stelle kommen die Banken ins Spiel und erweisen sich schnell als Key Player auf dem Weg zur besseren Klimabilanz. Denn sie verhelfen den Unternehmen jeglicher Größenordnung zu den notwendigen Investitionsmitteln – sei es über Aktien, Bonds oder vor allem über Kredite. Dabei gilt: Je schlechter die Klimabilanz eines Unternehmens derzeit, umso höher der Investitionsbedarf auf dem Weg in die grüne Zukunft. Und umso notwendiger die tatkräftige finanzielle Unterstützung, wenn sich die Unternehmen tatsächlich auf den Weg machen.

Die Banken haben inzwischen erkannt, wie konkret werthaltig das Thema Klimawandel für sie selbst ist – sobald sie es konsequent als das behandeln, was es vor allem ist: ein Risiko. Als physikalisches Risiko schlägt sich der Klimawandel nieder, sollten Fertigungsanlagen, Lager oder Logistikeinrichtungen durch Hochwasser, Stürme oder Brände verwüstet werden. Noch bedeutsamer aber sind die sogenannten Transitionsrisiken: wenn sich fossile Brennstoffe weiter verteuern; wenn die CO2-Preise weiter klettern; wenn neue Umweltauflagen erlassen werden. All das kann Unternehmen künftig die komplette Ertragsgrundlage entziehen.

Ähnlich beim Transitionsrisiko „stranded assets“. Erdölquellen, aus denen in absehbarer Zeit kein Öl mehr sprudeln darf, oder Produktionsanlagen, die ausschließlich mit Hilfe fossiler Energie betrieben werden können, müssen wahrscheinlich schon bald als Aktivposten aus der Bilanz gestrichen werden.

Das bedeutet: Klimabezogene Risiken und Chancen werden sich immer stärker bei den Banken materialisieren – und sich auch in der Werthaltigkeit der Kreditportfolien niederschlagen. Ein Thema, das im Übrigen auch die Aufsicht umtreibt, die ihrerseits Druck auf die Banken ausübt, hier transparenter zu werden und klimabezogene Risiken auch im Risikomanagement zu verankern.

Dringender Handlungsbedarf

Dass dringender Handlungsbedarf besteht, ist nicht erst seit gestern klar. HSBC etwa hat schon 2017 die Initiative ergriffen. Und erklärt: Bis Ende 2025 werden wir insgesamt 100 Mrd. Dollar für Unternehmen und Institutionen bereitstellen, die ihr Ge­schäftsmodell nachhaltig ausrichten wollen – sei es über Kredite oder Investitionslösungen. Doch weil das Geld schneller abgerufen wurde als erwartet, haben wir jetzt noch einmal erheblich aufgestockt. Und zwar mit Nachdruck: Bis 2030 stehen insgesamt bis zu 1 Bill. Dollar für grüne Finanzierungen bereit! Damit machen wir den Firmen oder der öffentlichen Hand spezifische Angebote für ihre Transitionsvorhaben, für nachhaltige Infrastrukturlösungen und Investments.

Ambitioniert sind aber nicht nur die Summen, sondern auch die Ziele in Sachen CO2-Reduktion. So will HSBC zum einen bis 2030 selbst das Netto-Null-Ziel erreichen. Vor allem aber nehmen wir als weltweit eine der ersten Banken auch unsere Aktivseite vollumfänglich in den Blick. Und verpflichten uns: Bis spätestens 2050 wird unser gesamtes Kredit- und Anleiheportfolio klimaneutral. Danach wollen wir keine Firmen mehr finanzieren, die netto CO2 ausstoßen. Für Unternehmen in EU- und OECD-Ländern kommt dieser Kreditstopp sogar schon 2030, sofern sie Energie mit Hilfe von Kohle produzieren. In allen anderen Ländern endet die Finanzierung fossiler Energiegewinnung 2040.

Anderes Set an Kennziffern

Dieser Weg zur „Net Zero Bank“ ist ein globales Transformationsprojekt. Denn „Carbon Accounting“ und das noch fortschrittlichere PACTA-Tool (Paris Agreement Capital Transition Assessment), mit dem man überprüfen kann, ob der Pfad, den die Unternehmen einschlagen, mit den Pariser Zielen übereinstimmt, erfordern ein ganz anderes Set an Kennziffern, eine andere Form der Buchhaltung und der Interaktion mit unseren Kunden, Investoren und Regulatoren. Wir müssen in der Lage sein, den Beitrag jeder Finanzierungs- oder Investitionslösung zur Klimaneutralität genau zu bestimmen und unser Kapital entsprechend zu allokieren.

Die „grüne Bank“ ist deshalb weit mehr als die Kombination tradierter Geschäftsmodelle mit dem einen oder anderen Nachhaltigkeitsprojekt. Sie bedeutet einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel, der nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist. Die nächsten zehn Jahre werden zeigen, ob es uns gelingt, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Ohne „grüne Banken“ werden wir die Not kommender Klimakrisen nicht abwenden.

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