Recht und Kapitalmarkt

Die Hürden für ein US-Listing bleiben hoch

Neue Regeln der Börsenaufsicht SEC werden kaum mehr deutsche Unternehmen in die USA locken - Weitere Verbesserungen nötig

Die Hürden für ein US-Listing bleiben hoch

Von Alexander Georgieff und Joseph McLaughlin *) Erwartungsgemäß ist seit Inkrafttreten des Sarbanes-Oxley Act 2002 nur ein einziges deutsches Unternehmen dem SEC-Berichtssystem beigetreten. Bedeutende Zirkel in den Vereinigten Staaten beginnen aber jetzt anzuerkennen, dass die US-Kapitalmärkte im Begriff sind, ihre Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu den Märkten in London, Hongkong und anderswo zu verlieren. Ungeachtet der unterschiedlichen Meinungen über die Frage, inwieweit Sarbanes-Oxley Auslöser dieses Verlustes ist, haben US-amerikanische Aufsichtsbehörden begonnen, einige Hindernisse anzugehen, die ausländische Unternehmen davon abhalten, an dem SEC-Berichtssystem teilzunehmen. Werden diese Bemühungen fruchten, oder handelt es sich um einen Fall von “zu wenig und zu spät”? WettbewerbsproblemDrei kürzlich veröffentlichte Berichte haben die Wettbewerbsfähigkeit der US-Märkte im Vergleich mit Nicht-US- und privaten Märkten in Frage gestellt. Bei diesen Berichten handelt es sich um den “Interim Report of the Committee on Capital Markets Regulation”, entstanden unter der Leitung von Glenn Hubbard und John L. Thornton, veröffentlicht Ende 2006, den McKinsey Report: “Sustaining New York’s and the US’ Global Financial Services Leadership”, veröffentlicht im Januar 2007 im Auftrag des Bürgermeisters von New York, Michael R. Bloomberg, und des Senators Charles E. Schumer, und den “Report and Recommendations of the Commission on the Regulation of U.S. Capital Markets in the 21st Century”, veröffentlicht im März 2007 im Auftrag der US Chamber of Commerce (Handelskammer). In den Berichten wird eingeräumt, dass US-Märkte nicht zuletzt wegen der Verbesserungen ausländischer und privater Märkte an Boden verlieren. Der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit wird aber auch darauf zurückgeführt, dass der Umgang mit den Regulierungsmechanismen und der häufigen Prozessführung in den USA mit besonderen Lasten verbunden ist. Die US-Börsenaufsicht SEC schlug im Dezember 2006 eine Reihe von Vorschriften vor, die abschreckende Regulierungsmechanismen abmildern sollen. Einer dieser Vorschläge sollte die “Registrierungsfalle” schließen. Diesen Vorschlag hat die SEC bereits am 21. März endgültig verabschiedet. Hierdurch sind Nicht-US-Unternehmen berechtigt, aus dem SEC-Berichtssystem auszuscheiden, wenn die an US-Märkten gehandelten Aktien im Verhältnis zu den an weltweiten Märkten gehandelten Aktien des Unternehmens über einen Zeitraum von zwölf Monaten einen Anteil von nicht mehr als 5 % ausmachen. Durch die neue Regelung wird eine der größten Hemmschwellen für den Beitritt zum SEC-Berichtssystem abgeschafft. Die SEC beschäftigt sich zzt. mit zwei weiteren Vorschlägen. Diese umfassen: – Die Lasten und Kosten, die mit der Einhaltung der Sec. 404 des Sarbanes-Oxley Act (“Sec. 404”) (Internal Control over Financial Reporting) zusammenhängen, sollen verringert werden. Zu diesem Zweck wurde eine neue Richtlinie am 20. Dezember 2006 vorgeschlagen. – Die SEC hat darüber hinaus die Wirtschaftsprüferkontrollbehörde (Public Company Accounting Oversight Board) dazu ermutigt, einen neuen Bilanzprüfungsstandard im Zusammenhang mit der Bewertung der internen Kontrolle des Finanzberichtswesens eines Unternehmens durch das Management einzuführen. Der neue Standard wurde schon auf der Tagung der Kontrollbehörde am 19. 12. 2006 vorgeschlagen. Die SEC vertagte außerdem das Erfordernis des Wirtschaftsprüferattests für kleinere Gesellschaften auf 2008. Leider müssen große deutsche und andere ausländische Unternehmen, die bereits SEC-berichtspflichtig sind, weiterhin (d. h. zumindest für das Jahr 2006) den Bestimmungen der geltenden Sec 404 nachkommen, es sei denn, dass sie bis zum 30. Juni 2007 Gebrauch von der neuen Deregistrierungregelung machen können. Weitere SchritteUnserer Auffassung nach werden ausländische und besonders deutsche Unternehmen ein erhöhtes Interesse an einer Börsennotierung in den Vereinigten Staaten erst dann wieder entwickeln, wenn auch auf den folgenden Gebieten ein Fortschritt erreicht wird:1. Rechtsverfolgungsrisiko (“Litigation Risk”): Deutsche und andere Nicht-US-Unternehmen betrachten das Risiko, in den USA mit behördlichen Verfahren oder Prozessen konfrontiert zu werden, als hoch und unkontrollierbar. Der Hubbard-Thornton-Report und der Bloomberg-Schumer-Report sprechen genaue Empfehlungen aus, wie die SEC diese Situation verbessern könnte. Der Bloomberg-Schumer-Bericht enthält des Weiteren die interessante Empfehlung, die Prospekthaftung ausländischer Unternehmen auf den Betrag zu begrenzen, der proportional zu der Präsenz des fraglichen Unternehmens auf den US-Märkten ist.2. US-GAAP-Überleitung: Eine Voraussetzung der Börsennotierung in den Vereinigten Staaten ist noch immer, dass ein deutscher oder ausländischer Emittent in seinem Emissionsprospekt und in jährlichen Abschlussberichten eine Überleitung seiner Bilanzen mit den US-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften US-GAAP vornehmen lässt. Dass Investoren von dieser kostspieligen Regelung profitieren, ist keineswegs sicher. Die SEC hat unter Druck von der EU eine Roadmap entwickelt, die die Beseitigung des Überleitungserfordernisses bis 2009 zum Ziel hat. Darüber hinaus ist es nicht uninteressant, dass der ehemalige Chef-Wirtschaftsprüfer der SEC vor kurzem vorgeschlagen hat, dass US-Emittenten verpflichtet werden sollten, International Financial Reporting Standards (IFRS) und nicht US-GAAP anzuwenden!3. Andere Anpassungen von Sarbanes-Oxley: Die SEC sollte anerkennen, dass einige Bestimmungen des Sarbanes-Oxley Act nur wenig Bedeutung für ausländische Emittenten haben. Das gilt z. B. für das Verbot von Darlehen an Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder. Ebenso sollte für die Bestätigung des Jahresberichts durch das Management die Kollektivverantwortung eines deutschen Vorstandes und von Managementorganen in anderen Ländern anerkannt werden. Wichtig ist, dass die SEC die legitimen Unterschiede zwischen den Corporate-Governance”-Ansätzen verschiedener Staaten respektiert. 4. Status von Investmentgesellschaften: Der Anwendungsbereich des US-amerikanischen Investmentrechts ist sehr weit gefasst und betrifft z. B. viele ausländische Banken. Zwar hat die SEC eine Ausnahmebestimmung für ausländische Banken geschaffen, allerdings ist diese Regelung überholt und bedarf dringend einer Novellierung. Lediglich zwei Gruppen europäischer Gesellschaften hätten zurzeit Interesse, dem SEC-Berichtssystem beizutreten. Die erste Gruppe umfasst Unternehmen, die vom “Siegel des guten Verhaltens”, das mit der Registrierung bei der SEC und einem US-Listing einhergeht, profitieren könnten. Die andere Gruppe besteht aus Unternehmen, die eine börsennotierte US-Gesellschaft erwerben und möglicherweise ihre Aktien als Zahlungsmittel einsetzen wollen. Neue EntwicklungSeit 2004 beobachten wir Entwicklungen auf dem deutschen Markt, die es auch für eine weitere Gruppe von Unternehmen sinnvoll erscheinen lässt, eine US-Registrierung zu erwägen, nämlich solche, die von den Anti-Übernahme-Bestimmungen des “Williams Act” profitieren wollen. Der “Williams Act” legt potenziellen Erwerbern bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte umfangreiche Mitteilungs- und Offenlegungspflichten auf, die ggf. zu einer nicht unerheblichen Komplizierung eines Übernahmevorhabens führen könnten.Die Vorschläge der SEC zur Verbesserung des Sarbanes-Oxley Act sind zu begrüßen. Ob sie ausreichen, den Trend einer Abkehr der Nicht-US-Emittenten von den US-Kapitalmärkten zu stoppen oder sogar umzukehren, ist hingegen fraglich. Die SEC und der Kongress tun aber gut daran, ihre Bemühungen zu intensivieren, die Attraktivität des US-Kapitalmarktes zu verbessern und bereits heute die Voraussetzungen für einen erneuten Zuwachs an ausländischen Emittenten zu schaffen. *) Alexander Georgieff ist Partner bei Georgieff Capital Advisors, Frankfurt/München/London; Joseph McLaughlin ist Partner bei Sidley Austin, New York.