Recht und Kapitalmarkt

Die liebe Not mit notleidenden Krediten?

Bei NPL-Transaktionen sind verschiedene Modelle möglich - True Sale ist häufigste Variante - Hohe Anforderungen

Die liebe Not mit notleidenden Krediten?

Von Dietmar Schulz *) Die hohe Zahl an Transaktionen mit Non Performing Loans (NPL) zeigt ein anhaltendes Interesse am Handel mit notleidenden Kreditengagements in Deutschland. Gute Gründe für den Verkauf haben Kreditinstitute reichlich: Erhöhung der Liquidität, Verbesserung der Eigenkapitalrendite, Bereinigung des Ausfallrisikos, Bilanzoptimierung, regulatorische Eigenkapitalentlastung, Verbesserung des Ratings, Konzentration bankinterner Ressourcen auf den Kernbereich und nicht zuletzt Kostenreduktion. Entscheidend ist der Portfoliowert, den der Verkäufer häufig in Form einer barwertigen Betrachtung ermittelt. Das Augenmerk liegt hier auf einem möglichen Freisetzen von Ressourcen, Dividenden aus dem Kaufpreis und anderen Abzinsungsfaktoren. Zusätzlich spielen Buchwert und bisherige Abschreibungen eine Rolle. Hohe RenditechancenFür die Investoren wiederum verspricht der Aufkauf notleidender Kredite Gewinne, da einerseits die Sachsicherheiten verwertet beziehungsweise weiterverkauft und zum anderen Portfolien effizient abgewickelt werden können. Beim Erwerb von Corporate Debt soll häufig auch die Kontrolle des Unternehmens übernommen werden. Dabei werden die Geschäftsanteile oder Vermögensgegenstände des Unternehmens erworben, die zur Sicherheit verpfändet sind, um sie nach einem erfolgreichen Turnaround oder einer Restrukturierung gewinnbringend weiterzuveräußern oder andernfalls das Unternehmen zu zerschlagen.Weitere Anreize für die Investition in notleidende Kredite sind die Wertschöpfung durch Effizienzsteigerung in der Bearbeitung, etwa durch Größeneffekte und international erprobte Servicing-Modelle. Auch eine Wertschöpfung nach Discounterwerb und die Ertragssteigerung durch Immobilien- oder Firmenakquisition in der Abwicklung sind häufige Motive. Zu beachten sind allerdings die rechtlichen Gesichtspunkte, etwa bei der Übertragung von Forderungen und Sicherheiten. Ein mögliches Abtretungshindernis kann hier die gesamte Transaktion vereiteln. Datenschutz und Bankgeheimnis sind während der gesamten Transaktion zu beachten. Die Übertragung des Portfolios kann unterschiedlich strukturiert sein. Meistens findet die Transaktion als Abtretung auf den Erwerber (True Sale) oder auf eine Zweckgesellschaft statt. Akzessorische Sicherungsrechte gehen dabei mit über, nichtakzessorische müssen gesondert übertragen werden. Alternativstrukturen wie Unterbeteiligung oder Treuhand beteiligen den Erwerber im Innenverhältnis am Ausfallrisiko der notleidenden Kreditforderungen. Im Außenverhältnis bleibt der Verkäufer aber als kreditgebendes Bankinstitut gegenüber dem betroffenen Unternehmen für die Verwaltung und Abwicklung zuständig. Teilweise werden Kreditforderungen und Sicherheiten auch durch Ausgliederung in eine Zweckgesellschaft eingebracht, um von dort aus veräußert zu werden. Unterbeteiligungen werden in der Regel eingegangen, wenn in einzelnen Fällen Abtretungsbeschränkungen bestehen. Synthetische Transaktionen sind regelmäßig komplexer und werden im NPL-Markt bisher noch nicht eingesetzt. Während der Due Diligence erhalten Investoren Zugang zu Kreditakten beziehungsweise relevanten Einzelkreditinformationen, um ein rechtlich bindendes Kaufpreisangebot abgeben zu können. Dazu gehören die für Risikobewertung und Dokumentation wichtigsten Dokumente wie Darlehens- und Sicherheitenverträge, Unterlagen über die Sicherheiten selbst und andere aussagefähige wirtschaftliche Informationen zur Planung eines Exit oder Turnaround. Je nach Größe der Transaktion kann die Due Diligence auch auf Stichproben beschränkt sein. Der anschließende Kaufvertrag regelt außer Kaufgegenstand und Kaufpreis auch Vollzugstechnik, Gewährleistungen und Pflichten von Verkäufer und Käufer sowie den Haftungsumfang und die weitere Verwaltung des Portfolios, das sogenannte Interim-Servicing. Idealerweise werden die Forderungen und Sicherheiten mittels jeweils selbständiger Verfügungsakte außerhalb des Kaufvertrages übertragen. Keine Vertragsübernahme Eine Vertragsübernahme ist in der Regel unpraktikabel. Zum einen, weil die Kreditverhältnisse in der Regel bereits gekündigt sind, zum anderen, weil das Erwerbsvehikel typischerweise nicht die erforderlichen Lizenzen zum Halten und Verwalten von Kreditverhältnissen beziehungsweise Kreditforderungen besitzt. Üblicherweise werden die Übertragungsdokumente der jeweils verkauften Forderungen und Sicherheiten Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben. Gleiches gilt für die Kreditakten. Der Kaufpreis ist in der Regel am Vollzugstag fällig, teilweise abzüglich Zahlungseingängen und zuzüglich Aufwendungen, die seit dem Stichtag, zu dem die Kreditforderungen und Sicherheiten verkauft werden, beim Verkäufer eingehen beziehungsweise von diesem erbracht worden sind. Teilweise findet anstelle der Vollrechtsübertragung nur die wirtschaftliche Übertragung statt, wenn die rechtliche Vollrechtsübertragung (noch) nicht möglich ist. Soweit die notleidenden Kreditforderungen und Sicherheiten beim Verkäufer bereits in eine eigens hierfür errichtete Gesellschaft ausgegliedert oder sonst übertragen sind, ist zum Vollzug in der Regel nur die Übertragung der Gesellschaftsanteile erforderlich.NPL-Transaktionen sind strukturell mit M & A-Transaktionen zu vergleichen, allerdings mit einigen Besonderheiten. Kaufgegenstand sind im Gegensatz zu M & A-Strukturen selten Gesellschaftsanteile, sondern häufig Vermögensgegenstände wie Forderungen und Sicherheiten verschiedener Klassen. Dementsprechend muss die Transaktion vor allem von Seiten des Verkäufers sorgfältig vorbereitet sein. Die dafür erforderliche Zeit, die in der Praxis häufig unterschätzt wird, können sich die Parteien in der Regel nehmen, da bereits nach dem Abschluss des Kaufvertrages die Verwaltung der verkauften Kreditforderungen und Sicherheiten durch das Interim-Servicing in enger Abstimmung zwischen Verkäufer und Erwerber beziehungsweise der Servicegesellschaft stattfindet. In dieser Phase ist der Verkäufer zwar noch rechtlicher Eigentümer, die entsprechenden Maßnahmen werden aber bereits im Namen und auf Rechnung des Erwerbers durchgeführt.Ein weiterer Unterschied zu M & A-Transaktionen ist, dass es auch nach der NPL-Transaktion noch eine Reihe fortwirkender Verpflichtungen gibt, vor allem hinsichtlich der Unterstützung bei der Verwaltung der verkauften Kreditforderungen und Sicherheiten.Im Hinblick auf die nötigen Spezialkenntnisse stellen NPL-Transaktion teilweise sehr hohe Anforderungen. Dies fängt bei der Einschätzung von Risiken und der Ausarbeitung eines Exit oder Turnaround an, setzt sich in der Festlegung des Kaufpreises sowie im Erkennen von Abtretungsbeschränkungen und Einwendungen fort und reicht bis insolvenz- und zwangsvollstreckungsrechtlichen Fragestellungen. Insgesamt erfordert eine NPL-Transaktion sowohl auf Seiten des Verkäufers als auch des Finanzinvestors vor allem in der Phase der Due Diligence eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Portfolio. Der Käufer kann sich während der Due Diligence zwar enorme Einzelfallkenntnisse auf der Ebene seines jeweiligen Engagements aneignen. Typischerweise wird aber jedes Kreditengagement von mindestens einem Rechtsanwalt, einem Wirtschaftsprüfer und – soweit das Kreditengagement durch Grundpfandrechte besichert ist – von einem Immobilienkaufmann durchleuchtet. Häufig kann sich der Käufer aber trotzdem keinen allumfassenden Überblick über die gesamte Historie oder die Ursachen für die Entwicklung der Schieflage des Engagements verschaffen. Im Gegensatz trifft man auf Verkäuferseite häufig Sachbearbeiter, die das Engagement zwar seit Urzeiten betreuen, aber in der Regel wenig Kenntnisse bei Spezialfragen haben und auch hinsichtlich eines Exit neben der Einleitung von Zwangsmaßnahmen wenig Kreativität zeigen. Gerade an dieser Stelle kann aber die Bewertung und damit die Kaufpreisfindung entscheidend sein. *) Dr. Dietmar Schulz, LL.M., ist Rechtsanwalt der internationalen Anwaltssozietät Ashurst.