"Die neue Struktur dient beiden Gesellschaften"
– Herr Ralph, Sie haben zu Jahresbeginn die Leitung für das Asset Management der Allianz übernommen. Geben Sie uns doch bitte einen Einblick in Ihre Strategie.Lassen Sie mich zeitlich ein bisschen ausholen, damit die Dimensionen des Wechsels deutlich werden, der sich im Asset Management der Allianz im Laufe der Jahre vollzogen hat. Mein Vorgänger, Joachim Faber, begann 1999 mit etwa 23 Mrd. Euro an Drittgeldern in der Vermögensverwaltung. Über die Jahre baute er eine Familie aus Investment-Boutiquen auf, die jeweils unterschiedliche Kunden mit unterschiedlichen Herangehensweisen und Investmentstilen ansprachen. Das Modell war sehr erfolgreich, zum Jahresende 2011 lag das verwaltete Vermögen bei über 1,6 Bill. Euro. Das sind beeindruckende Wachstumsraten.- Und trotzdem haben Sie jetzt alles umgekrempelt?Ich bin im April 2011 zum Vorstand von Allianz Global Investors berufen worden, und gemeinsam mit Joachim Faber habe ich im vergangenen Jahr die Vorbereitungen für einen Strategiewechsel getroffen. Aus der Vielzahl an Boutiquen – insgesamt waren es neun Gesellschaften – wurden zwei Säulen, Pimco und Allianz Global Investors (Allianz GI). Darüber steht die Holding Allianz Asset Management. Neu ist insbesondere, dass Pimco nun selbst verantwortlich ist für Vertrieb, Investment Management und Kundenservice überall auf der Welt. Alle weiteren Gesellschaften ordnen sich unter das Dach der Allianz GI mit einem globalen Führungsteam unter der Leitung von Elizabeth Corley und Andreas Utermann.- Was ist der Sinn dahinter, nun zwei Asset Manager zu haben, die sich Konkurrenz machen?Das kann man nur verstehen, wenn man sich diese beiden Gesellschaften genauer anschaut und sich dabei verdeutlicht, wie unterschiedlich sie sind. Allianz GI und Pimco haben verschiedene Anlagestile, Herangehensweisen und auch Unternehmenskulturen. Pimco begann als Fixed-Income-Manager und hat sich dann zu einem Anbieter globaler Investmentlösungen über Anlageklassen hinweg entwickelt. Dies trug den veränderten Kundenbedürfnissen Rechnung. Denn mit den Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise suchen die Kunden nicht mehr lediglich einen Manager ihres Bond-Portfolios, sondern umfassende Antworten auf Fragen nach der Zukunft. Sie sagen: Pimco, bitte hilf mir zu verstehen, wie ich meine Assets allozieren soll. Das Gleiche wird auch Allianz GI gefragt.- Spezialanbieter haben also Ihrer Meinung nach keine Zukunft?Unsere Erfahrung ist, dass die Kunden einen Asset Manager wollen, der sich in seinen Empfehlungen nicht danach richtet, welche Assets er im eigenen Angebot hat, sondern vielmehr darauf achtet, was in der Wirtschaft passiert, und darauf basierend die Empfehlungen ausspricht.- Den Grund für die Trennung von Allianz GI und Pimco haben wir jetzt immer noch nicht wirklich verstanden.Ich würde es nicht als Trennung bezeichnen, vielmehr beinhaltet der Strategiewechsel den Übergang von einem Multi-Boutique-Ansatz hin zum Zwei-Säulen-Modell. Neun Einheiten wurden auf zwei Säulen verteilt. Es geht daher um einen Zusammenschluss statt um eine Trennung. Zu Letzterer kam es lediglich im Vertriebsprozess. In zwei wichtigen Märkten hatten Allianz GI und Pimco einen gemeinsamen Vertrieb: in den USA und in Europa. In den USA hat Pimco bereits vor rund einem Jahr einen eigenen Vertrieb aufgebaut. Als wir gesehen haben, dass das gut funktioniert, haben wir es jetzt auch in Europa so umgesetzt.- Warum ist es besser, wenn jede Gesellschaft eine eigene Vertriebsmannschaft hat?Das hängt auch damit zusammen, dass Allianz GI und Pimco verschieden sind. Pimcos Kundenbetreuer sind hochqualifizierte Investmentexperten. Ein wichtiger Teil ihrer Aufgaben ist es, den Kunden den Pimco-Investmentausblick zu erläutern, der mit einem makroökonomischen Investmentprozess mit Top-down- und Bottom-up-Elementen verbunden ist. Dies ist eine der großen Stärken Pimcos, und dank ihrer langfristigen Ausrichtung hat Pimco die Anlagen ihrer Kunden selbst in sehr volatilen Marktzyklen wie der globalen Finanzkrise und der Euro-Krise geschützt. Allianz GI hat einen starken Bottom-up-Ansatz mit individuellen Aktienstilen innerhalb bestimmter Teams. Sie können sich vorstellen, dass eine Darstellung beider Bereiche in einem Kundengespräch eher Fragen aufwirft. Wir haben daher mit der neuen Struktur den Vertrieb in Segmente geteilt, die für den Kunden verständlicher sind.- Wenn man allein einen Blick auf die Vermögen wirft – Pimco verwaltet rund 1300 Mrd. und Allianz GI rund 300 Mrd. Euro -, könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich da ein Großteil Ihrer Assets selbständig macht.Nein, denn die Vorteile der neuen Struktur dienen ganz klar beiden Gesellschaften. Gerade für Allianz GI ist es von großer Bedeutung, dass wir die verschiedenen Boutiquen unter einem Führungsteam zusammengefasst haben. So waren wir zuletzt etwa sehr erfolgreich mit dem US-High-Yield-Angebot, das Teil von Allianz GI Capital war. Das Produkt verkaufen wir jetzt sehr gut in Asien und Europa. Und warum erst jetzt? Weil sich die Vertriebseinheiten in Asien und Europa auf die Produkte von RCM und Pimco auf die eigenen Produkte fokussiert hatten. Das ist heute anders, wir haben ein umfassendes Produktangebot und einen globalen Vertrieb bei Allianz GI wie auch bei Pimco. Von der Struktur her war die Reorganisation sicherlich für Allianz GI die größere Veränderung, sie hat für die Gesellschaft aber auch die größeren Vorteile gebracht.- Haben Sie nicht auch Bedenken, dass die offensichtliche Zweiteilung des Asset Managements zu Konflikten führt?Nein, ich habe keine Bedenken. Vergessen Sie bitte nicht, dass Allianz GI und Pimco jeden Tag am Markt im Wettbewerb stehen. Nur die ständige Herausforderung durch den Wettbewerb macht gute Unternehmen groß. Unser Plan ist ein fairer Wettbewerb zwischen den Gesellschaften. Letztendlich werden dadurch beide Einheiten noch stärker.- Wie reagieren denn die Kunden auf die Zweiteilung des Asset Managements der Allianz? Viele haben dadurch nun zwei Ansprechpartner im Vertrieb statt einem.Die Entscheidung bezüglich der Kundenbeziehungen bei der Reorganisation haben wir ganz allein den Kunden überlassen. Ich bin stolz, dass ich sagen kann, dass wir keinen einzigen Kunden dabei verloren haben. Das Feedback, das ich bisher bekommen habe, ist positiv. Die Kunden mögen die neue Struktur, sie ist einfacher zu verstehen und transparent. In manchen Fällen haben wir Kunden, die nur mit einem unserer Asset Manager eine Geschäftsbeziehung haben, manchmal auch mit beiden. Die Kundenbetreuer haben nun ein tiefer gehendes Verständnis für ihre jeweiligen Produkte, das mögen die Kunden. Darüber hinaus dürfen Sie nicht vergessen, dass unsere Kunden oft ganz viele Beziehungen zu verschiedenen Asset Managern unterhalten. Entscheidend ist dabei nicht, mit wie vielen Personen ich in Kontakt stehe, sondern wie gut diese in der Lage sind, mir den Service und die Informationen zu bieten, die ich brauche. Das ist wichtig, gerade in einer Zeit, in der Asset-Allokation und Anlagelösungen neben dem puren Asset Management immer mehr Bedeutung gewinnen.- Im Jahr 2011 sind die Kosten im Allianz Asset Management um 11 % gestiegen, vor allem durch Investments in Pimco. Soll das auch 2012 so weitergehen?Das Aufwand-Ertrags-Verhältnis von Allianz Asset Management ist im Wettbewerbsvergleich nach wie vor hervorragend. Wichtig war, dass wir bedingt durch das starke Wachstum, das Pimco gezeigt hat, auf der Mitarbeiterseite nachgebessert haben. Wenn Sie sich die Kosten relativ zur Geschäftsentwicklung ansehen, dann zeigt sich, dass die Kosten deutlich langsamer angestiegen sind als die Erträge. Bei Allianz GI rechnen wir künftig mit einer Reihe an Synergieeffekten bei der Zusammenlegung der Boutiquen weltweit.- Wenn Sie sich die Performance Ihrer beiden Bereiche Fixed Income und Aktien anschauen, dann zeigen sich starke Unterschiede. Bei den Rentenprodukten, die meisten kommen von Pimco, sind 93 % besser als die Benchmark. Die Aktienprodukte schaffen das mit 65 % bei Weitem nicht. Muss sich Allianz GI also nach der Decke strecken?Die Performance von Pimco in den letzten Jahren war außergewöhnlich und exzellent. Die Performance der Aktienprodukte lag darunter, sie war aber im Branchenvergleich noch immer sehr gut, insbesondere im deutschen Markt. Unser Ziel ist eine Outperformance von 65 % bis 75 %. Das bezeichnen wir als sehr gut.- War die Reorganisation auch verbunden mit Entlassungen?Das war nicht der Fall. Sicherlich gab es in diesem Zusammenhang eine Neuordnung der Ressourcen. Aber es wäre falsch zu sagen, dass damit Entlassungen systematisch über alle Bereiche verbunden waren. Im Vertrieb gab es Wechsel. Manche gingen zu Pimco, manche zu Allianz GI, und wir haben auch neu eingestellt.- Ein Blick in die Zukunft: Wo liegen Ihre Prioritäten in Sachen Wachstum?Wir verfolgen klar die Strategie des organischen Wachstums. In der Vergangenheit ist Pimco organisch gewachsen und Allianz GI über Zukäufe. Jetzt müssen Sie sich in unserer Situation die Frage stellen: Warum wollen Sie im Asset Management zukaufen? Antwort eins könnte sein, weil Sie Vertriebskanäle brauchen. Aber beide unserer Säulen haben die nötigen Voraussetzungen in Europa, den USA und Asien. Antwort zwei könnte lauten, weil Sie vielleicht nicht die Business-Ressourcen haben, die Sie brauchen. Das Gegenteil ist gerade bei Allianz GI der Fall. Dort sehen wir Chancen, schlanker zu werden, etwa bei der Zahl der juristischen Einheiten oder der Vereinfachung der Geschäftsprozesse. Antwort drei wäre, dass man spezifische Investmentexpertise braucht. Aber auch bei der Breite an Angeboten, die wir bereits haben, ist das für uns eher unwahrscheinlich.- Wo sehen Sie weltweit die besten Wachstumschancen?Wir sehen in allen Regionen Wachstumschancen. Gerne nenne ich hier das Stichwort demografischer Wandel, der große Möglichkeiten für das Asset Management bereithält. Darüber hinaus hat sicherlich Asien eine sehr hohe Wachstumsrate, dort sind aber die Asset Pools sehr viel kleiner. Europa war und ist stark, sowohl für Allianz GI und Pimco. Der US-Markt ist ein exzellenter Markt für beide Gesellschaften und wird das auch künftig sein.- Wenn wir uns den Retailmarkt hierzulande ansehen, dann ist dieser im Fondsgeschäft geprägt von Mittelabflüssen verunsicherter Kunden. Was wollen Sie da tun?Auf unsere Kunden eingehen. Die Kunden suchen derzeit vor allem eines: Hilfe bei der Entscheidung, wo sie ihr Geld anlegen sollen. Daraus erklärt sich auch die steigende Beliebtheit von Multi-Asset-Produkten. Zudem beobachten wir auch, dass die Anleger inzwischen sehr, sehr risikobewusst geworden sind. Nur mehr ein Teil ist bereit, bei einem gewissen Zeithorizont auch Risiken einzugehen. Ich denke, wir werden hier eine Segmentierung sehen, auf der Retailseite, aber auch bei den Profi-Investoren, zwischen Kunden, die Sicherheit suchen, und solchen, die Rendite suchen. In beiden Gruppen wird sich der Anteil derer erhöhen, die Produkte wählen, die es dem Asset Manager erlauben, die Aufteilung der Assets mit Blick auf die Marktentwicklungen zu ändern.- Müssen also einfach die Aktienmärkte wieder anziehen, damit das Geschäft zurückkommt?Das muss man grundsätzlicher betrachten. Wir kommen aus einer Zeit mit mehreren Dekaden deutlichen Wachstums. So haben wir im Fixed-Income-Bereich seit etwa 30 Jahren sinkende Zinsen. Gleichfalls ging es auf den Aktienmärkten stark bergauf. Man muss ehrlich mit Institutionellen und Retailkunden sein: Die Zeiten der extrem hohen Renditen werden wir sehr wahrscheinlich in der nahen Zukunft nicht mehr sehen. Die Renditen aus Aktien und Bonds werden sehr viel moderater ausfallen.- Unter den Anlegern erfreuen sich die börsengehandelten Indexfonds (ETF) immer größerer Beliebtheit. Bisher ist Ihr Angebot hier aber noch sehr begrenzt.Gerade erst vor ein paar Wochen, am 1. März, hat Pimco einen neuen aktiv gemanagten ETF in den USA auf den Markt gebracht. Der Produkt-Launch war in der kurzen Zeit ein großer Erfolg. In Sachen ETF müssen Sie immer im Blick behalten, dass es sich um ein anderes Format handelt. Pimco und Allianz GI sind entschieden aktive Manager. Und das wird sicher auch in Zukunft so sein. Dennoch sehen wir das Format ETF als ein interessantes rechtliches Konstrukt für aktives Management. Ich hätte daher nichts dagegen, wenn Pimco oder auch Allianz GI bei aktiv gemanagten ETF tiefer einsteigen will.- Die Deutsche Bank will ihr institutionelles Asset-Management-Geschäft verkaufen. Wie ist Ihre Gesellschaft davon betroffen?Ich möchte nicht die Schachzüge unserer Mitbewerber kommentieren. Ich kann nur sagen, für die Allianz hat das Asset Management eine extrem wichtige Bedeutung. Viele Gesellschaften wären schon stolz, wenn sie einen Asset Manager in der Qualität von Pimco oder Allianz GI hätten. Wir haben zwei Top-Gesellschaften, und unsere Pläne sind, beide Asset Manager weiter erfolgreich zu führen.- Wie sind Sie 2012 gestartet, und was sind die Ziele für die kommenden Jahre?Mein Vorgänger, Joachim Faber, hat noch ein Wachstum beim operativen Ergebnis von 5 bis 10 % angestrebt, das ich für die nächste Dekade als realistisch einschätze. Wir gehen dabei von einem geringeren Wachstum der Assets under Management aus, vor allem aufgrund der zu erwartenden niedrigeren Renditen bei Bonds und auch Aktien. Die Mittelzu- oder abflüsse werden stark von den Marktentwicklungen abhängen, wir sind aber sehr zufrieden mit den Entwicklungen. In der Vergangenheit haben wir das Ergebnis im Asset Management aufgesplittet nach dem Beitrag aus dem Fixed Income und dem Aktienbereich. Das wird mit der zunehmenden Anzahl von Multi-Asset-Produkten immer schwerer und wird auch weniger aussagekräftig. Künftig werden wir daher das Reporting, analog zur neuen Struktur, auf Basis der Ergebnisse der beiden Einheiten Pimco und Allianz GI veröffentlichen.—-Das Interview führten Bernd Neubacher, Julia Roebke und Silke Stoltenberg.