Recht und Kapitalmarkt

Die "Quiet Period" wird lauter

Reform des SEC-Registrierungsverfahrens für öffentliche Wertpapierangebote in den USA erleichtert Informationszugang

Die "Quiet Period" wird lauter

Von Stephan Hutter und Mark Devlin *)Die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC verlautbarte jüngst eine Reihe von Reformen des Registrierungsverfahrens für öffentliche Wertpapierangebote in den USA. Diese Neuregelungen führen unter anderem zu einer Lockerung der sog. “Quiet Period”, des Zeitraums zwischen dem Beginn der Vorbereitung einer öffentlichen Platzierung und der Einreichung eines in den USA erforderlichen Registrierungsantrags bei der SEC. Für größere und regelmäßig im US-Kapitalmarkt aktive Emittenten wird es in Zukunft für bestimmte Transaktionen gar keine “Quiet Period” mehr geben. Das neue Regelwerk tritt voraussichtlich am 1. Dezember 2005 in Kraft. Bislang verlangt ein öffentliches Angebot von Wertpapieren in den USA gemäß den einschlägigen Bestimmungen des US Securities Act von 1933 die Einreichung eines entsprechenden Registrierungsantrags durch den Emittenten bei der SEC. Vor Einreichung eines solchen Registrierungsantrags (sog. “Quiet Period”) durften bisher generell weder schriftliche noch mündliche Angebote abgegeben werden. Weite AuslegungDie SEC legte dabei den Begriff “Angebot” sehr weit aus und schloss jegliche Veröffentlichungen ein, die geeignet waren, den Markt für die anzubietenden Wertpapiere zu konditionieren oder ein öffentliches Interesse an den Wertpapieren zu wecken. Publizierte Informationen betreffend den Geschäftsverlauf eines Unternehmens, die auf herkömmlichem Weg oder durch Verwendung einer Webseite verbreitet wurden, konnten daher als ein unzulässiges Angebot von Wertpapieren und damit als Tatbestand einer vorzeitigen Bekanntmachung (“Gun Jumping”) angesehen werden, wenn festgestellt wurde, dass diese Informationen den Markt für eine bevorstehende Emission konditionierten. Vier KategorienDie neuen US-rechtlichen Bestimmungen lockern die Regelungen zur “Quiet Period”, erleichtern den Zugang zu Geschäftsinformationen und teilen die Emittentenwelt in vier Kategorien ein: 1. Well-known seasoned issuers (“wohlbekannte kapitalmarkterfahrene Emittenten”; WKSIs), deren globaler Aktienstreubesitz mindestens 700 Mill. Dollar beträgt bzw. die in den letzten drei Jahren in bei der SEC registrierten öffentlichen Platzierungen Wertpapiere im Gesamtwert von mindestens 1 Mrd. Dollar begeben haben und berechtigt sind, Registrierungsanträge in der Kurzform F-3 einzureichen. In der Regel werden Emittenten etwa zwei Jahre nach erstmaliger Registrierung bei der SEC berechtigt, die Kurzform F-3 zu verwenden.2. Seasoned issuers (“kapitalmarkterfahrene Emittenten”), die berechtigt sind, die Kurzform F-3 als Registrierungsantrag zu verwenden, deren Aktienstreubesitz jedoch unterhalb der 700-Mill.-Dollar-Schwelle bzw. deren Gesamtvolumen anderer in SEC-registrierten Transaktionen platzierten Wertpapiere unterhalb der 1-Mrd.-Dollar-Schwelle liegt. 3. Unseasoned issuers (“kapitalmarktunerfahrene Emittenten”), die nach dem US Securities Exchange Act von 1934 zur Berichterstattung an die SEC verpflichtet, aber noch nicht berechtigt sind, die Kurzform F-3 als Registrierungsantrag zu verwenden. 4. Non-reporting issuers, die keiner Berichterstattungspflicht gegenüber der SEC unterliegen. Die neuen gesetzlichen Grundlagen lockern die “Quiet Period” insbesondere für WKSIs. WKSIs dürfen künftig im Vorfeld einer geplanten öffentlichen Wertpapierplatzierung in den USA ohne zeitliche Restriktionen verbale Verkaufsangebote unterbreiten sowie sog. “Free Writing Prospectuses” (d. h. schriftliche Unterlagen, die im weitesten Sinne des US-Kapitalmarktrechts ein “Angebot” darstellen, den strengen formalen Anforderungen des US Securities Act von 1933 für Verkaufsprospekte aber nicht entsprechen) verteilen. Ein “Free Writing Prospectus” ist jedoch bei der SEC einzureichen. Darüber hinaus dürfen auch Emittenten, die keine WKSIs sind, nach den neuen US-amerikanischen Bestimmungen sog. “Free Writing Prospectuses” verteilen, allerdings erst nach Einreichung eines entsprechenden Registrierungsantrags bei der SEC (WKSIs dürfen solche Unterlagen bereits vor Einreichung eines Registrierungsantrags verteilen). Wesentliche ÄnderungDies stellt eine wesentliche Praxisänderung dar, zumal bisher der von der SEC geprüfte und genehmigte Prospekt als alleinige legitime Geschäftsgrundlage der Investitionsentscheidung der Anleger galt; von geringfügigen und im Detail definierten Ausnahmen abgesehen wurde in der Vergangenheit die Verbreitung von anderen platzierungsbezogenen Unterlagen im Ergebnis untersagt.Kapitalmarkterfahrene Emittenten, kapitalmarktunerfahrene Emittenten und Emittenten ohne SEC-Berichterstattungspflicht dürfen künftig außerhalb einer Frist von 30 Tagen unmittelbar vor Einreichung eines Registrierungsantrags bei der SEC mehr oder weniger frei kommunizieren, solange sich die verbreiteten Informationen nicht auf die geplante Wertpapierplatzierung beziehen. Nach den neuen Bestimmungen des US-amerikanischen Wertpapierrechts stellt eine solche Kommunikation im Zweifel keine unzulässige Marktkonditionierung mehr dar. Im Ergebnis wird die “Quiet Period” für diese Emittenten somit auf 30 Tage vor Einreichung des Registrierungsantrags beschränkt, wobei auch innerhalb dieser Frist zwei neue sog. “Safe Harbors” für marktübliche Unternehmenskommunikation geschaffen wurden. Somit wird in Zukunft auch innerhalb dieser 30-Tage-Frist die Veröffentlichung von bestimmten Unternehmensinformationen in Einklang mit der bisherigen Praxis der Gesellschaft nicht als unzulässiges “Angebot” (mit den daraus resultierenden Haftungsrisiken) angesehen. Emittenten, die bereits der SEC-Berichterstattungspflicht nach dem US Exchange Act von 1934 unterliegen (kapitalmarkterfahren oder -unerfahren) dürfen künftig zukunftsorientierte Aussagen (“Forward Looking Statements”) sowie tatsachenbezogene Informationen über den Geschäftsverlauf ( “Factual Business Information”) des Unternehmens veröffentlichen, ohne dadurch rechtstechnisch ein Angebot von Wertpapieren auszulösen bzw. den Markt im Vorfeld auf ein solches Angebot zu konditionieren. Emittenten, die noch keiner SEC-Berichterstattungspflicht nach dem US Exchange Act von 1934 unterliegen, kommen ebenfalls in den Genuss dieser Safe-Harbor-Regelung, allerdings beschränkt auf tatsachenbezogene Informationen über den Geschäftsverlauf der Gesellschaft (nicht in Bezug auf zukunftsorientierte Aussagen). Beide neuen Safe- Harbor-Regelungen schließen einen Hinweis auf eine geplante Wertpapierplatzierung aus. Jede Information über die Platzierung stellt nach wie vor ein potenziell unzulässiges “Angebot” dar, sofern sie nicht bereits gemäß bestehender und sehr beschränkter Safe-Harbor-Regelungen erlaubt ist.Durch die Änderungen bei der Handhabung der “Quiet Period” und der zulässigen Unternehmenskommunikation in Bezug auf geschäftsbezogene Informationen, zusammen mit weiteren Änderungen betreffend die Verteilung von Verkaufsprospekten, die Verbreitung von Unternehmensstudien unabhängiger Finanzanalysten sowie das Verfahren der sog. Shelf Registration (“Vorratsregistrierung”), passt die SEC das US-amerikanische Prozedere rund um ein öffentliches Wertpapierangebot in sinnvoller Weise einem Umfeld globaler elektronischer Kommunikationsmittel und beschleunigter grenzüberschreitender Kapitalmarkttransaktionen an.Diese überfällige Reform des US-Wertpapierrechts darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die in den USA geltenden hohen Anforderungen in Bezug auf vollständige und richtige Offenlegung aller wesentlichen Informationen über einen Emittenten sowie dessen Geschäfts- und Finanzlage davon unberührt bleiben. Diese strengen – und in der Praxis auch durchaus sanktionierten – Haftungsbestimmungen finden auch in Zukunft auf alle mündlichen oder schriftlichen Unterlagen Anwendung, die im Zusammenhang mit einer US-amerikanischen Wertpapierplatzierung verwendet werden. *) Dr. Stephan Hutter ist Attorney-at-Law und Partner, Mark Devlin Attorney-at-Law und Counsel im Frankfurter Büro der Sozietät Shearman & Sterling LLP.