Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Markus Roth

"Die Regeln zur Managerhaftung sind ausreichend"

Über Schritte bei Falschinformation des Kapitalmarkts neu nachdenken

"Die Regeln zur Managerhaftung sind ausreichend"

– Herr Dr. Roth, löst Missmanagement Schadenersatzansprüche aus?Das deutsche Recht sieht sowohl im Aktiengesetz als auch im GmbH-Gesetz eine Haftung von Managern vor. Manager, also Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte, haften für Sorgfaltspflichtverstöße. Durchgesetzt wird eine solche Haftung insbesondere im Fall der Insolvenz eines Unternehmens. Auch Aufsichtsratsmitglieder werden in der Insolvenz zur Verantwortung gezogen. Wichtig ist aber, einen Freiraum für unternehmerisches Handeln bei deutschen Aktiengesellschaften zu erhalten. Der Gesetzgeber hat dies im Jahre 2005 durch das UMAG klargestellt. – Im Zusammenhang mit der Schieflage der Hypo Real Estate wird eine Verschärfung der Managerhaftung gefordert. Sind gesetzliche Schritte notwendig?In der öffentlichen Diskussion werden die Themenkomplexe Managervergütung und Managerhaftung nicht immer sauber getrennt. Bei der Managervergütung wird es Änderungen geben. Notwendig ist eine stärkere Langfristkomponente, die auch eine Rückforderung gezahlter Vergütungsbestandteile beinhalten mag. Hierin liegt aber noch keine Managerhaftung, die sich auf das gesamte Privatvermögen erstreckt und nicht auf die von einer Gesellschaft erhaltene Vergütung beschränkt ist. Die Möglichkeiten der Aktionäre, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zur Verantwortung zu ziehen, wurden erst im Jahre 2005 erweitert. Darüber hinausgehende gesetzliche Schritte erscheinen mir nicht notwendig. – Sind Änderungen im Corporate-Governance-Kodex notwendig? Mit dem dort für die sogenannten D & O-Versicherungen vorgesehenen angemessenen Selbstbehalt kommt Deutschland im internationalen Vergleich zwar bereits eine Vorreiterrolle zu. Dennoch könnte hier eine Konkretisierung hilfreich sein. In der Literatur gehen die Meinungen darüber, wann ein Selbstbehalt angemessen ist, weit auseinander. – Welche Möglichkeiten haben Anleger bislang, Schadenersatz einzuklagen? Hier ist zwischen der gesellschaftsrechtlichen und der kapitalmarktrechtlichen Haftung zu unterscheiden. Aktienrechtlich hat der Gesetzgeber durch das UMAG im Jahre 2005 die Hürden für eine Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen durch die Aktionäre deutlich herabgesetzt. Seither reicht ein Besitz von 1 % des Grundkapitals bzw. ein anteiliger Betrag von 100 000 Euro aus. Dazu sollten zunächst die weiteren Erfahrungen abgewartet werden. Wohin Klagerechte einzelner Aktionäre führen können, sieht man aktuell bei der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen. Kapitalmarktrechtlich kommt eine Haftung der Gesellschaft für falsche Information in Betracht, aber auch die persönliche Haftung der Manager gewinnt im Zuge der Aufarbeitung des Platzens der Internet-Blase an Bedeutung. – Sollte hier nachgebessert werden, zum Beispiel das Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz aus der Schublade geholt werden?Das Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz wurde in Deutschland zu einer Zeit diskutiert, in der die Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten für Falschinformation des Kapitalmarkts praktisch noch keine Rolle spielte. Dies hat sich nunmehr geändert. Eine Wiederaufnahme der Diskussion erscheint mir deshalb sinnvoll. Diese sollte aber nicht überstürzt, sondern mit der gebotenen Vorsicht geführt werden. Der Sarbanes-Oxley Act ist ein mahnendes Beispiel für zu strikte Regeln, die das eigentliche Problem nicht treffen. Die aktuelle Krise hat ihren Ursprung in den USA, die die Kapitalmarktinformationshaftung der Manager schon lange gesetzlich geregelt haben. – Aufsichtsräten wird vorgeworfen, die rechtlichen Möglichkeiten – oder Pflichten – für zivilrechtliche Klagen nicht genügend auszuschöpfen. Zu Recht? Aufsichtsräte sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verfolgung von Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder verpflichtet. Dass das nunmehr auch umgesetzt wird, sieht man aktuell im Fall Siemens. Siemens nimmt auch die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden in Haftung. Rechtsvergleichende Studien zeigen, dass man jedenfalls gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern mit der Haftungsdurchsetzung international eher zurückhaltender ist. – Berührt das in dieser Woche auf den Weg gebrachte Finanzmarktstabilisierungsgesetz die Managerhaftung?Jedenfalls indirekt. Durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz wird der Begriff der Überschuldung in der Insolvenzordnung geändert. Bislang war auch bei einer positiven Fortführungsprognose eine Überschuldungsbilanz zu erstellen, was bei der aktuellen Situation häufig zu einer Überschuldung zu Fortführungswerten (“going concern”) geführt hätte. Die Vorstände bzw. Geschäftsführer hätten dann innerhalb von drei Wochen Insolvenzantrag stellen müssen. Bei verspäteter Stellung des Insolvenzantrags droht eine strikte Insolvenzverschleppungshaftung. Der Gesetzentwurf will das ökonomisch unbefriedigende Ergebnis des geltenden Rechts vermeiden, dass auch Unternehmen, bei denen die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie weiter erfolgreich am Markt operieren können, zwingend ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen haben. Auch und insbesondere Geschäftsführer und Vorstände mittelständischer Unternehmen profitieren von dieser Gesetzesänderung.Dr. Markus Roth ist Privatdozent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg und nimmt derzeit eine Lehrstuhlvertretung an der Universität Marburg wahr. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.