ANLAGEPRODUKTE - IM INTERVIEW: CHRISTIAN VOLLMUTH, DDV

"Die Risikokennzahl muss aussagekräftig sein"

DDV will Erfahrungen in Gesetzgebung einbringen

"Die Risikokennzahl muss aussagekräftig sein"

– Herr Vollmuth, die Europäische Kommission hat kürzlich drei Gesetzgebungsvorschläge vorgelegt, mit denen sie den Schutz von Kleinanlegern stärken will. Wie sehen denn die Vorgaben für Zertifikate aus?Für Zertifikate ist nur einer dieser Gesetzgebungsvorschläge relevant, nämlich Prip. Nach dem Verordnungsentwurf der Kommission soll es künftig auch für strukturierte Produkte Beipackzettel geben. Bisher gab es solche Informationsblätter, die sogenannten Key Investor Information Documents – kurz KIID -, nur für Investmentfonds.- Von Prip (Packaged-Retail-Investment-Products-Initiative) sind Zertifikate also unmittelbar betroffen. Wehrt sich die Branche gegen die neue Regulierung?Definitiv nicht, der Verband begrüßt sie vielmehr ganz entschieden. Zum einen wird hier nur europäisch verbindlich gemacht, was in Deutschland für unsere Branche schon seit mehr als einem Jahr gilt. Zum anderen unterstützen wir das mit Prip verfolgte Ziel, die Produkttransparenz für Anleger zu erhöhen.- In Deutschland gibt es die Kurzinformationen zu Finanzprodukten seit Längerem. Hat sich die deutsche Variante nicht bewährt?Andersherum wird ein Schuh daraus. Der Gesetzgeber ist in Deutschland mit dem Produktinformationsblatt, kurz PIB, mit gutem Beispiel vorangegangen. Da Erfahrung auch hier klug macht, ist es sinnvoll, Erkenntnisse aus der deutschen Praxis in den europäischen Gesetzgebungsprozess einzubringen und Verbesserungspotenzial zu erkennen.- Was könnte verbessert werden?Viele konkrete Details der Umsetzung des Kommissionsentwurfs sind noch offen. Er enthält bisher lediglich einen Rahmen für Struktur, Inhalt und Präsentation der Produktinformationen sowie Ermächtigungen zum Erlass weiterer Rechtsakte. Ein Fortschritt ist auf jeden Fall, dass das Kind in Europa künftig nur einen Namen hat. Denn bei so manchem Anleger sorgen drei Bezeichnungen für Beipackzettel in Deutschland – namentlich PIB, VIB und KID – sicher für Verwirrung.- Was verändert sich im Vergleich zum deutschen Produktinformationsblatt?Beispielsweise soll im europäischen Produktinformationsblatt das Risikoprofil des Produkts auf eine einzige Kennzahl heruntergebrochen werden. Das ist in Deutschland bisher nur für die Investmentfonds vorgeschrieben.- Ist das sinnvoll?Definitiv ja. Jeder Privatanleger sollte sich vor einer Investition ein zutreffendes Bild vom Risiko machen. Allerdings muss die Risikokennzahl auch aussagekräftig sein, was von der derzeitigen Risikokennzahl für Fonds eher nicht behauptet werden kann. Deswegen sollte sie auch nicht auf Zertifikate übertragen werden. Sie bildet das tatsächliche Risiko- und Ertragsprofil nur unzureichend ab. In den niedrigen Risikoklassen wird zu fein ausdifferenziert, während in den höheren Risikoklassen Produkte mit massiv unterschiedlichen Risikoprofilen undifferenziert in einen Topf geworfen werden. Das hat zur Folge, dass beispielsweise breit diversifizierte Aktienindizes beziehungsweise Aktienfonds in dieselbe Risikoklasse fallen wie hoch spekulative Optionen. Das ist weder sachgerecht noch für den Anlageinteressenten hilfreich.- Zertifikate gelten bei Kritikern als häufig zu komplex und intransparent. Insbesondere die Filialprodukte stehen da in der Kritik. Lassen sich die wichtigsten Informationen überhaupt auf drei Seiten wiedergeben?Selbstverständlich. Es geht ja nicht etwa darum, komplexe mathematische Formeln zu erläutern. Wer Auto fahren will, muss ja auch nicht im Detail wissen, wie Motor und Getriebe funktionieren, um rechtzeitig rauf- oder runterschalten zu können. Der Anleger muss stattdessen wissen, welcher Basiswert dem Produkt zugrunde liegt, welche Bedingungen an die Rendite geknüpft sind, und er muss vorab Risiken und Kosten kennen. Was Produkttransparenz angeht, schneiden Zertifikate sogar besser ab als viele andere etablierte Finanzprodukte. Es ist ein Irrglaube, dass eine erhöhte Komplexität ein erhöhtes Risiko darstellt. Insbesondere können Sicherungsstrategien, die in einzelnen Produkten enthalten sind, sehr komplex sein, aber gleichzeitig das Risiko zum absoluten Vorteil des Anlegers minimieren.- Kann Deutschland theoretisch von den Vorgaben der EU-Verordnung abweichen und eine schärfere Risikoeinteilung und ausführlichere Prips einführen?Ich gehe davon aus, dass der europäische Gesetzgeber den Inhalt der Produktinformationsblätter im Rahmen einer Maximalharmonisierung sehr genau vorgeben wird. Das macht Abweichungen von den Vorgaben kaum möglich. Deswegen ist es uns ja so wichtig, unsere deutschen Erfahrungen mit den PIB in den europäischen Gesetzgebungsprozess einzubringen.- Könnte die Form der Regulierung dazu führen, dass der Zertifikatemarkt zu einem Nischenmarkt verkommt?Definitiv nicht. Wir gehen eher davon aus, dass der einheitliche Standard für Produktinformationsblätter die Vorteile von Zertifikaten im Vergleich zu anderen Produkten besser erkennbar macht. Hinsichtlich der Transparenzkriterien für Finanzprodukte müssen sich Zertifikate sicher nicht verstecken. Da müssen sich andere Anlageformen sehr viel mehr Gedanken machen.—-Die Fragen stellte Armin Schmitz.