Investmentfonds - Gastbeitrag

Die Zeit des Islamic Finance ist gekommen

Börsen-Zeitung, 30.7.2010 Es ist kein Zufall, dass mit Islamic Finance ein auf Partnerschaft und Ethik basierendes Finanzsystem derzeit zu den am schnellsten wachsenden der Welt gehört. Und angesichts der Verwerfungen und der Unsicherheit infolge...

Die Zeit des Islamic Finance ist gekommen

Es ist kein Zufall, dass mit Islamic Finance ein auf Partnerschaft und Ethik basierendes Finanzsystem derzeit zu den am schnellsten wachsenden der Welt gehört. Und angesichts der Verwerfungen und der Unsicherheit infolge der Finanzkrise überrascht es auch nicht, dass Islamic Finance auf reichlich Nährboden für Wachstum stößt. Islamic Finance begreift man dabei am besten als eine Partnerschaft zwischen einem Finanzdienstleister und seinem Kunden. Besser noch als eine Art “ethisches Finanzwesen”, in dem Risiken und Chancen, also Gewinne wie Verluste, geteilt werden und jedem Geschäft ein echter Vermögenswert zugrunde liegt.Statt mit anderen Institutionen darum zu wetten, in welche Richtung sich die Finanzmärkte bewegen oder von Unternehmen Kreditzinsen zu verlangen, verdienen islamische Institutionen Geld damit, in eine Partnerschaft mit dem Kunden zu investieren. Dabei wird nach einer bestimmten Zeit der Gewinn oder der Verlust eines Investments ermittelt und zwischen Bank und Kunden aufgeteilt. Steigt der Wert der Anlagen, so profitieren beide Seiten davon. Fällt ihr Wert, wird der Verlust geteilt. Manche islamischen Versicherungsgesellschaften gehen sogar einen Schritt weiter und zahlen einen Teil der Prämie zurück, wenn der Kunde die Versicherung in einem Jahr nicht in Anspruch genommen hat. Im Islamic Finance sind Zinsen und Geschäfte mit verbotenen Produkten wie etwa Glücksspiel, Alkohol oder Pornografie nicht erlaubt. Auch dürfen keine zu hohen Risiken eingegangen werden. Diese Prinzipien liegen allen sogenannten Scharia-Produkten zugrunde. Jahrhundertealtes PrinzipDas partnerschaftliche Prinzip ist bereits Jahrhunderte alt, der Markt selbst hingegen jung und raschen Entwicklungen unterworfen. Ende 2009 wurden im Rahmen des Islamic Finance bereits 822 Mrd. Dollar verwaltet, eine Steigerung von 29 % gegenüber 2008. Bei 1,6 Mrd. Muslimen weltweit, von denen lediglich 14 % mit Banken zusammenarbeiten, und einer stetig steigenden Anzahl an schariakonformen Produkten gibt es noch viel Wachstumspotenzial.Die besondere Anziehungskraft des Islamic Finance liegt in seiner ethischen Grundlage. Kulturell bedingt handelt man konservativ und ist eher daran interessiert, langfristige Partnerschaften zwischen Menschen und Unternehmen zu fördern als auf kurzfristige Marktbewegungen zu setzen.Die sich dadurch bietenden Möglichkeiten locken nicht nur islamische Investoren. Im November 2009 hat etwa General Electric als erstes US-Unternehmen eine islamische Anleihe über 500 Mill. Dollar begeben. Dies zeigt, dass Islamic Finance nicht nur Menschen und Unternehmen anspricht, die sichergehen wollen, dass ihre Investments den islamischen Gesetzen entsprechen. Es bietet auch Firmen eine Chance, die über schariakonforme Finanzprodukte neue Investorengruppen und Finanzierungsmöglichkeiten erschließen wollen.Islamic Banking war in den vergangenen Jahren belastbarer als das konventionelle Bankwesen. Das soll aber nicht heißen, dass es gegen jegliche Verwerfungen immun ist. Die Marktentwicklung hat dazu geführt, dass auch im Islamic Finance mehr als je zuvor getan werden muss, um die Unterstützung globaler Investoren zu sichern. So besteht beispielsweise Bedarf an noch mehr Diversifizierung bei den angebotenen Produkten und Dienstleistungen, Schulungen und international standardisierten Verfahren. Investoren, die auf schariakonforme Anlagen Wert legen, haben aber jetzt schon Zugang zu einem breiten Portfolio an Versicherungen und Rückversicherungen (Takaful und Retakaful), Bankdienstleistungen für Privatkunden sowie Vermögensverwaltungen und islamischen Anleihen (Sukuk), um nur einige Beispiele für das steigende Angebot zu nennen.Der Markt wächst und fordert Veränderungen, sodass ständig neue Produkte entwickelt werden. So wurde Anfang des Jahres beispielsweise ein Rahmenvertrag namens Tahawwut Master Agreement ausgearbeitet und in Bahrain veröffentlicht, in dem klare Bedingungen für die Struktur von schariakonformen Absicherungsinstrumenten festgelegt sind. Der Vertrag ist die Antwort auf die deutliche Nachfrage von schariaorientierten Investoren, die ihre immer größer werdenden Positionen gegen Risiken absichern möchten Großer InvestorenappetitAlle Anzeichen weisen darauf hin, dass Islamic Finance weiterhin schneller wachsen wird als das konventionelle Finanzwesen. Der Appetit der Investoren ist groß, und über 30 Länder – nicht nur muslimische – nutzen inzwischen das Know-how von Bahrain als Marktführer, um sich beraten zu lassen und um zu lernen, wie man eigene Versicherungsprodukte und islamkonforme Anleihen entwickelt. Einige Fakten verdeutlichen, wie stark Islamic Finance in Bahrain in den vergangenen Jahren gewachsen ist: Im Juli 2010 verwalteten die 27 islamischen Banken des Königreichs zusammen bereits ein Vermögen von 24,5 Mrd. US-Dollar gegenüber 16,4 Mrd. US-Dollar im Juni 2008. Zudem sind in Bahrain inzwischen neun islamische Versicherungen ansässig. Auch einige der führenden Regulierungsbehörden für Islamic Finance sind vor Ort, so zum Beispiel die Accounting and Auditing Organisation for Islamic Financial Institutions (AAOIFI), das Liquidity Management Centre (LMC) sowie der International Islamic Financial Market (IIFM).Islamic Finance besitzt ein großes Potenzial. Doch wie in allen Wachstumssegmenten bleiben einige Herausforderungen bestehen. Es müssen beispielsweise klar definierte, faire Aufsichts- und Prüfverfahren geschaffen werden, die gewährleisten, dass alle Geschäfte den ethischen Grundlagen der Scharia entsprechen – hierzu zählen auch eine verbesserte internationale Standardisierung der Produkte sowie eine stärkere Regulierung der Märkte. Ebenso ist es wichtig, dass die Anzahl ausgebildeter Fachkräfte mit dem Wachstum Schritt hält.Bedeutend ist auch, dass mit dem Wachstum sorgsam umgegangen wird. Den Rahmen hierfür bilden strenge Auflagen und Bilanzierungsregeln im Sinne einer konservativen Bilanzpolitik, transparente Gesetze sowie die genaue Eignungsprüfung neuer Produkte vor deren Einführung. Außerdem ist wie in allen Investmentbereichen darauf zu achten, dass eine zu starke Konzentration auf bestimmte Anlagen vermieden wird bzw. andere Anlageformen nicht generell ausgeschlossen werden. Eine zu starke Abhängigkeit von Immobilien und Aktien trifft manche Scharia-Produkte ebenso wie konventionelle Produkte.In einem noch immer mit Unsicherheit behafteten Finanzumfeld ist Islamic Finance wie geschaffen dafür, einer der wenigen Lichtblicke zu bleiben. Wenn mit dem Wachstum verantwortungsvoll umgegangen wird, können Investoren zuversichtlich sein, dass das Beste noch vor ihnen liegt.