Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Timo Holzborn

"Die Zulassung von Wertpapieren ist nicht einfacher geworden"

Seit 1. Juli neue Regeln - "Stolperschwellen" für Emittenten

"Die Zulassung von Wertpapieren ist nicht einfacher geworden"

Seit dem 1. Juli gibt es neue und einheitliche Regeln für Börsen- und Verkaufsprospekte von Wertpapieren. Mit einem Europäischen Pass können Emittenten ihre Papiere vereinfacht europaweit in den Handel bringen. Erstmals wird die Prospektpflicht auf Vermögensanlagen ausgedehnt, die nicht in Wertpapieren verbrieft sind – den so genannten “grauen Kapitalmarkt”. – Herr Dr. Holzborn, ist die Zulassung von Wertpapieren mit den neuen Prospektregeln einfacher geworden? Unter dem Strich: nein. Es gibt zwar jetzt einheitliche Regeln für Börsen- und Verkaufsprospekte. Dafür sind die Anforderungen insgesamt gestiegen, und das gesamte Regelwerk ist komplexer geworden. Vor Angebot und Zulassung muss man wissen, wann brauche ich einen Prospekt? Das steht im Wertpapierprospektgesetz. Was gehört in den Prospekt hinein? Das steht in der EU-Prospektverordnung, einem detailverliebten Gesetz mit sprachlichen Fehlern, die einige Regeln schlicht unverständlich machen. Außerdem finden sich darin unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung von einem Committee of the European Securities Regulators (CESR) empfohlen wird. Ein Beispiel: Wenn sich die Vermögensstruktur in der Zeit vor einer Prospekterstellung geändert hat, ist ein Pro-forma-Modul gemäß EU-ProspektVO anzufertigen. Die Einzelheiten ergeben sich aus einer CESR-Empfehlung. Außerdem gelten für die Marktzulassung noch Börsengesetz und Börsenzulassungsverordnung. – Und die Möglichkeit, im Prospekt auf andere Dokumente zu verweisen, ist das keine Erleichterung? Grundsätzlich schon. Der Prospekt kann sich auf das Wesentliche konzentrieren und wird nicht mit Informationen überfrachtet. Leider gestattet es die BaFin bislang nicht, auf Jahresabschlüsse zu verweisen. In Luxemburg ist dieses dagegen unproblematisch möglich. Hier werden die Grenzen der Harmonisierung deutlich. – Gibt es Stolperschwellen, die Emittenten kennen sollten? Ja, einige. Denken Sie an den “Europäischen Pass”. Das Dokument erlaubt Emittenten, ihre Aktien in der gesamten EU ohne weitere Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren zu handeln. Allein ein Notifizierungsverfahren ist erforderlich. Die Haftung für Fehler im Prospekt richtet sich aber nach wie vor nach nationalen Vorschriften. In Deutschland haftet der Emittent für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. In Großbritannien dagegen genügt im Grundsatz einfache Fahrlässigkeit, wobei eine die Umsetzung abzuwarten bleibt. Emittenten sollten deshalb nicht den Fehler begehen, den Europäischen Pass zu nutzen und dann allein auf nationale Vorschriften zu achten. – Was bedeutet die neue Zuständigkeit der BaFin für einen Emittenten? Er muss mit Abstimmungsproblemen zwischen zwei Behörden rechnen. Denn die Genehmigung für seinen Prospekt erhält er jetzt von der BaFin. Über die Zulassung der Wertpapiere zum Handel entscheidet aber nach wie vor die Börse. Früher lag beides in Händen der Börse. – Ihr Kollege Dr. Gerald Reger hat am vergangenen Freitag mit der Strukturierung des Fonds Star Private Equity einen der ersten Verkaufsprospekte für Kapitalanlagen des “grauen Marktes” von der BaFin genehmigt bekommen. Sie haben bei dem Projekt mitgewirkt. Was sind Ihre Erfahrungen? Erfreulicherweise lief es unbürokratisch, denn um das Verfahren kommt man nicht mehr herum. Früher konnten Anbieter von Anteilen an Kommanditgesellschaften und anderen Unternehmensbeteiligungen wie Medien-, Immobilien- oder Private-Equity-Fonds diese direkt öffentlich anbieten und in den Vertrieb geben. Jetzt müssen sie vorher einen so genannten Vermögensanlagen-Verkaufsprospekt erstellen und ihn von der BaFin “gestatten” lassen. Ansonsten drohen Bußgeld und Prospekthaftung. – Wie wirken sich diese neuen Regelungen auf den Prospekt selbst aus? Eine Veränderung erkennt man leicht: Die Prospekte sind um ein Vielfaches dicker. Der typische Anleger erhält allerdings viele Informationen, die für ihn wenig relevant sind. Schon fast satirischen Charakter haben manche Negativtestate. Damit wird bekundet, dass bestimmte Umstände nicht vorliegen. Ein Beispiel: Obwohl die meisten Fonds KGs sind, müssen sie ausdrücklich erklären, dass sie keine AG sind. Aber auch umfassende Rechnungslegungsdokumente blähen das Prospekt unnötig auf. Hier zeigt sich, dass auf die alte Verkaufsprospektverordnung zurückgegriffen wurde. Sie orientiert sich an Bedürfnissen der Wertpapieremission.*) Dr. Timo Holzborn ist Rechtsanwalt der Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz in München. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.