Recht und Kapitalmarkt

Distressed Debt Investment kann Pflichtangebot auslösen

Gefahr des Acting in Concert nach Debt Equity Swap - Frühzeitige Abklärung mit der BaFin angeraten

Distressed Debt Investment kann Pflichtangebot auslösen

Von Stephan Rau und Christian von Sydow *) Das Outsourcing sogenannter “notleidender” Kredite (Non Performing Loans) durch deutsche Kreditinstitute hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Wie vom Bundesgerichtshof (BGH) im Januar dieses Jahres nun ausdrücklich entschieden, steht dabei auch das Bankgeheimnis der Wirksamkeit eines derartigen Forderungskaufs nicht entgegen. Neben der effizienten Einziehung und Verwertung liegt das Interesse hierauf spezialisierter Finanzinvestoren oftmals darin, über die Umwandlung der Darlehensforderungen in Eigenkapital (Debt Equity Swap) Gesellschafter des schuldnerischen Unternehmens zu werden. Dabei verfolgen sie das Ziel, auf insolvenzbedrohte Unternehmen Einfluss zu gewinnen, um sie sanieren zu können. Derartige Distressed Debt Investings sind in den USA schon länger verbreitet. InsolvenzabwendungIm Einvernehmen mit den Gesellschaftern bringen Forderungserwerber ihre Forderungen gegen eine Gesellschaft häufig über eine Sachkapitalerhöhung in die Gesellschaft ein und “wandeln” sie damit in Eigenkapital um. Durch einen solchen Debt Equity Swap wird die Eigenkapitalquote des Zielunternehmens verbessert. Hierin kann ein wichtiger Schritt zur Abwendung der Insolvenz liegen. Sorgfältig geprüft werden muss dabei allerdings im Einzelfall, ob die Einbringung der nicht werthaltigen Forderungen nicht außerordentliche Gewinne auslöst, die nach den Grundsätzen der Mindestbesteuerung auch bei hohen Verlustvorträgen zu versteuern sind. Auch die Grundsätze des zurzeit noch geltenden Eigenkapitalersatzrechts sind zu beachten.Unabhängig davon, ob die Erwerber notleidender Kreditforderungen gegen Unternehmen diese sofort in Eigenkapital umwandeln oder ob sie zunächst anderweitig auf das Unternehmen Einfluss zu nehmen versuchen, wird dies in der Regel nur unter Absprachen mit den Hauptgesellschaftern der Gesellschaft gelingen. Erwirbt ein Investor notleidende Forderungen gegen eine börsennotierte Aktiengesellschaft und trifft zwecks Einflussnahme auf die Gesellschaft Absprachen mit den Gesellschaftern, kann er nach dem übernahmerechtlichen Grundsatz des Acting in Concert verpflichtet sein, seinen “Kontrollerwerb” zu veröffentlichen und allen Aktionären ein Angebot zur Übernahme ihrer Aktien zu unterbreiten. Eine Verletzung dieser Pflicht führt zum Verlust etwaiger Mitgliedschaftsrechte und kann von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Bußgeldern sanktioniert werden.Die Pflicht zur Publizität und Abgabe eines Übernahmeangebots trifft jeden, der unmittelbar oder mittelbar mindestens 30 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft hält (§§ 29, 35 WpÜG). Der Verpflichtete muss somit nicht selbst Gesellschafter der Zielgesellschaft sein. Eine Verpflichtung kann sich vielmehr auch aus der Zurechnung der Stimmrechte Dritter ergeben. Acting in Concert Zugerechnet werden Stimmrechte von Tochterunternehmen sowie in verschiedenen Konstellationen des Auseinanderfallens von wirtschaftlichem und juristischem Eigentum (§ 30 Abs. 1 WpÜG). Darüber hinaus werden einem Investor auch die Stimmrechte aller sonstigen dritten Personen zugerechnet, mit denen er sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise (sogenanntes Acting in Concert) abstimmt (§ 30 Abs. 2 WpÜG). Haben Investoren Forderungen gegen eine Gesellschaft erworben, können sie diese nur unter Zustimmung der stimmrechtsberechtigten Gesellschafter in Eigenkapital oder mezzanine Finanzierungsinstrumente “umwandeln”. Auch die in einem Vorstadium hierzu mögliche anderweitige Einflussnahme des Forderungserwerbers auf die Gesellschaft wird im Regelfall die Zusammenarbeit mit Inhabern von mindestens 30 % der Stimmrechte voraussetzen. Entscheidend ist deshalb, welche Anforderungen an dieses Einvernehmen und die Zusammenarbeit für die Annahme eines Acting in Concert gestellt werden müssen. Stimmen sich mittelbare oder unmittelbare Inhaber von Stimmrechten nur im Einzelfall miteinander ab, liegt nach dem Wortlaut von § 30 Abs. 2 WpÜG kein Acting in Concert vor. Die bloße Einbringung von Forderungen im Rahmen einer Kapitalerhöhung – möglicherweise nach einer aus Sanierungsgründen aktienrechtlich gebotenen, unmittelbar vorangehenden Kapitalherabsetzung – bezeichnet nur einen Einzelfall. Eine Absprache, die sich nur auf die Ermöglichung und Durchführung dieser Kapitalmaßnahmen bezieht, begründet deshalb keine Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots. In der Praxis reichen Absprachen zwischen Forderungsinhabern und Gesellschaftern in Fällen des Debt Equity Swap jedoch üblicherweise über einzelne Kapitalmaßnahmen hinaus. Im Übrigen sind die Bedeutung der Annahme eines “Einzelfalls” und die Auslegung des Acting in Concert aber auch umstritten. OLG-UrteileDas Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main konkretisierte im Jahr 2004 den unbestimmten Begriff des Acting in Concert dahingehend, dass es eine Zusammenarbeit zwecks Koordinierung und kontinuierlicher gemeinsamer Ausübung der Stimmrechte voraussetze. Eine Nachhaltigkeit der gemeinsamen Einflussnahme auf das Unternehmen sei ebenso erforderlich wie die Unterwerfung der Beteiligten unter eine einheitliche Stimmführerschaft. Ein bloß tatsächliches paralleles Abstimmungsverhalten der Beteiligten reiche nicht aus. Demgegenüber urteilte das OLG München im April 2005, dass ein Acting in Concert eine nachhaltige Einflussnahme auf die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane einer Zielgesellschaft voraussetze. Diese könne auch bei einer koordinierten Einflussnahme im Einzelfall vorliegen, wenn sie auf eine bestimmte zeitliche Intensität bezogen sei. Jedes einzelne abgestimmte Verhalten mit nachhaltiger Wirkung auf die Herrschaftsverhältnisse der Zielgesellschaft, d. h. auf deren Geschäftsführungs- und Aufsichtsratsorgane, führe bereits zur Zurechnung der Stimmen im Sinne des Acting in Concert. In der Revision gegen das Urteil des OLG München führte der BGH im September 2006 aus, dass die in der Praxis übliche koordinierte Besetzung eines Aufsichtsrats noch kein Acting in Concert darstellt. Ob dies auch gilt, wenn mit der Besetzung des Aufsichtsrats eine grundlegende Veränderung der Unternehmenspolitik angestrebt wird, ließ der BGH ausdrücklich offen. Zwar ließ er eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der diesbezüglichen Rechtsauffassung des OLG München erkennen. Dennoch bleibt hinsichtlich der Voraussetzungen für die Annahme eines Acting in Concert und der hiervon ausgeschlossenen Fälle der Abstimmung im Einzelfall weiterhin ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit bestehen.Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Erwerber notleidender Darlehensforderungen gegen börsennotierte Unternehmen verpflichtet sein kann, seinen “Kontrollerwerb” zu veröffentlichen und ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre abzugeben, wenn er sich mit Aktionären, die über mindestens 30 % der Stimmrechte verfügen, über die Geschäftspolitik des Unternehmens abstimmt. Ob der Forderungserwerber selbst bereits Aktionär ist, ist dabei irrelevant. Die Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots besteht nicht, wenn sich die Abstimmung des Forderungserwerbers mit Hauptaktionären allein auf die Umwandlung der Forderungen in Eigenkapital bezieht. Sie besteht ebenfalls nicht, wenn sich die Einigung mit anderen Aktionären im Vorfeld einer Hauptversammlung lediglich auf die Besetzung des Aufsichtsrats bezieht. AbstimmungGehen geplante Absprachen darüber hinaus und beziehen sie sich insbesondere auch auf die langfristige Geschäftspolitik der Gesellschaft, sollte hingegen frühzeitig Kontakt zur BaFin aufgenommen werden. Hierbei sollte erörtert werden, ob eine beabsichtigte Zusammenarbeit mit Gesellschaftern wirklich ein Acting in Concert darstellt. Schließt die BaFin dies zumindest nicht aus, sollten die Chancen für eine Befreiung von der Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots aus Sanierungsgründen nach § 37 Abs. 1 WpÜG i.V.m. § 9 S. 1 Nr.3 WpÜG-AngVO diskutiert werden.*) Dr. Stephan Rau und Christian von Sydow sind Partner bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater in München.