Recht und Kapitalmarkt

Distressed-Debt-Investoren brauchen Ideen

Richtiges Verständnis von Position, Rechten und Besicherung der Inhaber der fraglichen Schuldtitel entscheidend

Distressed-Debt-Investoren brauchen Ideen

Von Dennis Heuer und Daniel Baierlein *) “Buy low – sell high”. Finanzinvestoren belegen immer wieder, wie gewinnträchtig diese Strategie sein kann. Das liegt vor allem daran, dass erfolgreiche Finanzinvestoren in der Lage sind, im richtigen Moment in Assets mit Wertsteigerungspotenzial zu investieren. Für 2008 wird allgemein erwartet, dass Distressed-Debt-Investoren von den gegenwärtigen Turbulenzen an den Finanzmärkten und ökonomischen Gegebenheiten profitieren könnten. Lukrative und “günstige” Asset-Klassen könnten vor allem Leverage-Kredite, also Kredite an Unternehmen mit komplexer Kapitalstruktur und einem hohen Verschuldungsgrad (Leverage) werden. Gleiches gilt für einige der seit August vergangenen Jahres in der Tagespresse für Aufmerksamkeit sorgenden Portfolien aus strukturierten Wertpapieren. InsolvenzgefährdetDie mögliche Talfahrt bestimmter Leverage-Kredite wird damit begründet, dass die derzeit historisch niedrigen Ausfallraten deutscher und europäischer Kreditnehmer infolge nachlassender Konjunkturdynamik und anhaltender Turbulenzen an den Finanzmärkten sowie insbesondere steigender Kapitalmarktzinsen signifikant ansteigen könnten. Gerade hoch verschuldete Kreditnehmer, deren Finanzierungen komplex sind, kurze Laufzeiten und frühzeitig einsetzende Covenant-Verletzungen haben, würden in einem solchen Umfeld besonders schnell in Zahlungsschwierigkeiten geraten und sind damit in außergewöhnlichem Maße insolvenzgefährdet. Indikator dafür werden Rating-Herabstufungen bei diesen Kreditnehmern sein. Diese sind bereits vereinzelt zu beobachten, wenngleich gegenwärtig das gesamtwirtschaftliche Umfeld (noch) nicht ausschlaggebend sein dürfte. Als weiterer Faktor kommt hinzu, dass Überbrückungs- und Sanierungskredite bei einem Anhalten der gegenwärtigen Finanzkrise nicht mehr im gewohnten Maße zur Verfügung stehen werden.Die zu erwartende Wertentwicklung der Portfolien aus strukturierten Wertpapieren ist hingegen von den spezifischen Basiswerten dieser Wertpapiere abhängig. Soweit es sich um Wertpapiere handelt, welche auf amerikanischen Subprime-Krediten für Hausfinanzierungen basieren (Residential Mortgage Backed Securities), sind die Ausfallraten bereits signifikant angestiegen. Marktbeobachtern zufolge wird in diesem Segment der Anstieg der Ausfallraten auch weiterhin zunehmen. Die von der weltweiten Bankengemeinde bislang gemeldeten Abschreibungen in Milliardenhöhe müssen bei vorsichtiger Betrachtung als richtungsweisende Indikatoren gewertet werden. Auch bei europäischen Residential Mortgage Backed Securities in Ländern, die in den letzten Jahren starke Preisanstiege zu verzeichnen hatten, wie z. B. das Vereinigte Königreich oder Spanien, könnte sich die Situation verschärfen. Bei strukturierten Wertpapieren mit europäischen gewerblichen Immobiliendarlehen als Basiswert (Commercial Mortgage Backed Securities) ist zu vermuten, dass einige der (ebenfalls hoch verschuldeten) Kreditnehmer infolge von Refinanzierungsproblemen in Zahlungsschwierigkeiten geraten werden. Soweit den strukturierten Wertpapieren Leverage-Kredite an deutsche oder europäische Unternehmen zugrunde liegen, gelten die bereits geschilderten Erwägungen. Bei strukturierten Schuldtiteln, die auf anderen Asset-Klassen, wie z. B. Autodarlehen oder Leasing beruhen (Asset Backed Securities), haben sich die Ausfallraten bislang nicht außerplanmäßig entwickelt. Gleichwohl hat die Finanzkrise dazu geführt, dass auch diese Schuldtitel unter Druck geraten sind und am Sekundärmarkt nicht bzw. nur mit Abschlag gehandelt werden konnten.Institutionelle Investoren, insbesondere Banken und Versicherungen, die in diesen kritischen Asset-Klassen investiert sind, werden vermutlich darüber nachdenken, sich von diesen Positionen zu trennen, um ihre Marktrisiken und damit latentes Abschreibungspotenzial zu reduzieren. Umgekehrt besteht die Möglichkeit für spezialisierte Distressed Debt-Investoren, mit diesen Positionen eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen, sofern ein attraktiver Kaufpreis realisiert werden kann. Spektakulärer DealBei einem Einstieg in Leverage-Kredite einzelner Unternehmen muss kaufmännisch geprüft werden, ob das Geschäft der betroffenen Kreditnehmer solide Zukunftsaussichten hat. Bei strukturierten Portfolien wird sich diese Prüfung daran orientieren, welche Asset-Klassen im Einzelnen Gegenstand des Portfolios sind, und ob für die Wertentwicklung des (restrukturierten) Portfolios eine positive Prognose möglich ist.Ein Beispiel für einen spektakulären Deal ist die Beteiligung des Hedgefonds Citadel und anderer Investoren an der Online-Bank ETrade Financial Corp. ETrade kam durch Fehlinvestitionen im US-Subprime- Markt in finanzielle Schwierigkeiten. Nach einem Bericht eines Citigroup-Analysten vergangenen Oktober, der dem Unternehmen eine Insolvenzwahrscheinlichkeit von 15 % attestierte, riefen Kunden ihre Investitionen zurück, wodurch sich die finanzielle Situation zunehmend verschlechterte.Am 29. November 2007 wurde zwischen der Citadel-Investorengruppe und ETrade eine Investitionsvereinbarung getroffen. Danach hat Citadel von ETrade ein Wertpapier-Portfolio mit einem Nennwert von 3 Mrd. Dollar, das Collateralized Debt Obligations und zweitrangige Sicherheiten aus verbrieften Hypothekeninvestitionen im US-Subprime-Markt enthielt, zum Kaufpreis von 800 Mill. Dollar (27 % des Nennwerts) gekauft. Darüber hinaus gewährten die Investoren ETrade Kapital in Höhe von insgesamt 1,75 Mrd. Dollar für Stammaktien und unbesicherte Anleihen mit einem Zinssatz von 12,5 %. Nach Vertragsabwicklung werden die Investoren 19,9 % der Stammaktien an ETrade halten und einen Sitz im Aufsichtsrat bekommen. Daneben musste sich ETrade vertraglich verpflichten, kein weiteres (höher- oder gleichrangiges) Fremdkapital aufzunehmen oder durch andere Transaktionen die Interessen der Anleihegläubiger zu beeinträchtigen. Zusätzlich wurde vereinbart, dass die neuen Anleihen nach Tilgung bestimmter Alt-Anleihen vorrangig bedient werden und andere Alt-Anleihen im Rang überholen. Dieses Beispiel zeigt, wie Distressed-Debt-Investoren bei einem Erwerb eines strukturierten Portfolios in Verbindung mit einer geeigneten Mischung aus Eigenkapital, Fremdkapital und Kontrolle durch einen Verwaltungssitz im Unternehmen vorgehen können.Aus juristischer Sicht ist zu prüfen, ob sich die von Distressed-Debt-Investoren beabsichtigten Restrukturierungsstrategien mit den Gläubigerrechten aus den erworbenen Assets umsetzen lassen können. Soweit es also etwa einem Hedgefonds nicht bloß um einen schnellen Handelsgewinn ohne begleitende Restrukturierungsmaßnahmen geht, sondern z. B. die aktive oder passive Einflussnahme auf den Restrukturierungsprozess oder die Umwandlung der Schuldtitel des betroffenen Kreditnehmers in Eigenkapital gewollt sind, ist entscheidend, ob DistressedDebt-Investoren mit den Schuldtiteln und gegebenenfalls begleitenden Maßnahmen Kontrolle über den Restrukturierungsprozess ausüben oder Maßnahmen blockieren können. Komplexe StrukturenEin wesentlicher Punkt für Distressed-Debt-Investoren ist das richtige Verständnis von Position, Rechten und Besicherung der Inhaber der fraglichen Schuldtitel im Rahmen der oftmals komplexen Architektur der Kapitalstrukturen. Dazu müssen die Rechtsverhältnisse zwischen diesen Gläubigern anhand der typischerweise verklausulierten Gläubigervereinbarungen und Finanzierungsdokumentationen angelsächsischer Prägung geprüft werden. Es ist daher zu empfehlen, die betroffenen Assets bereits im Vorfeld der eigentlichen Restrukturierungsarbeit auf ausgewählte Fragen zu überprüfen. Eine solche Prüfung ist bei einem Erwerb von bestimmten nachrangigen (Junior)-Positionen bereits gängige Praxis und auch im Hinblick auf die Refinanzierung des Erwerbs häufig geboten oder gar erforderlich. *) Dr. Dennis Heuer ist Partner, Daniel Baierlein, Rechtsanwalt bei White & Case in Frankfurt am Main.