Finanzen persönlich

Dokumentationspflicht bietet Anlegern besseren Schutz

Neues Gesetz soll Käufer von Aktien und Anleihen bei Falschberatung helfen - Mindestqualifikation von Finanzvermittlern noch offen

Dokumentationspflicht bietet Anlegern besseren Schutz

Von Stefan Terliesner Der deutsche Anleger ist offenbar ein schutzbedürftiges Wesen. Die Schuld an den oft erheblichen Verlusten von Privatanlegern in der Finanzmarktkrise gibt die Politik nicht zuletzt der mangelnden Beratungsqualität von Bankmitarbeitern und Fondsvermittlern. Um auch die Käufer von Aktien und Anleihen künftig besser vor Börsenverlusten zu schützen, haben Bundestag und Bundesrat vor wenigen Tagen das “Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung” beschlossen. Stichtag 1. Januar 2010Am 1. Januar 2010 treten die neuen Regelungen in Kraft. Neben der längeren Verjährungsfrist bei Schadenersatzansprüchen sieht das Gesetz vor, Vermittler besser zu qualifizieren, zu registrieren und zu verpflichten, eine spezielle Haftpflichtversicherung abzuschließen.Die wichtigste Verbesserung für Anleger ist die Dokumentationspflicht. Banken und Vermittler müssen künftig in einem Beratungsprotokoll festhalten, welche Wünsche ein Investor äußert und welche Produkte in der Beratung somit empfohlen wurden. Das Protokoll kann als Beweismittel dienen, wenn etwa einem Kunden, der private Altersvorsorge wollte, zu riskanten Finanzprodukten geraten wurde.Die Frist für die Geltendmachung solcher Schadenersatzansprüche wird auf die üblichen drei Jahre verlängert. Sie beginnt aber erst zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Finanzschaden erkennbar geworden ist, und nicht wie bisher sofort nach Vertragsabschluss.Die Pflicht zur Vorlage eines Beratungsprotokolls gilt auch in der Telefonberatung. Hier muss dem Anleger nach dem Telefonat ein Protokoll übermittelt werden. Dann hat er eine Woche lang Zeit, vom Vertragsabschluss zurückzutreten, wenn das Protokoll unrichtig oder unvollständig ist.Die neuen Anlegerschutzregeln sind Teil der Reform des Schuldverschreibungsgesetzes von 1899. Das Bundesjustizministerium bastelte seit 2003 an einer Reform, kam aber über das Stadium eines Diskussionsentwurfs nicht hinaus. Erst die aktuelle Finanzmarktkrise und der Wunsch nach einer Verbesserung des Anlegerschutzes führten jetzt zur Verabschiedung des Schuldverschreibungsgesetzes durch den Bundestag.Für die Verbraucherschützer ist das neue Gesetz aber nur “ein erstes Rettungspaket, um Anleger und Sparer besser zu schützen”. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert zusätzliche Maßnahmen. “Um die Lehren aus der Finanzmarktkrise zu ziehen, sind weitergehende Regelungen notwendig”, betont Vorstand Gerd Billen. Die am 3. Juli vom Bundestag ebenfalls behandelte Entschließung von CDU/CSU und SPD liefere dazu die richtigen Stichpunkte.Die große Koalition will auch die Qualifikation der Finanzvermittler verbessern. Die Vorlage eines Gewerbescheins würde danach nicht mehr ausreichen, um Verbraucher über Vor- und Nachteile von Aktien und Anleihen beraten zu dürfen. “Notwendig ist ein einheitliches und strenges Anforderungsniveau für alle Vermittler von Finanzprodukten”, heißt es in dem Antrag der großen Koalition. Abschlüsse bei der IHKWie eine Mindestqualifikation für alle Vermittler von Finanzprodukten aussehen wird, ist noch nicht klar. Die Industrie- und Handelskammern bieten entsprechende Qualifikationen bereits an. “Wir gehen davon aus, dass die bewährten und erfolgreichen IHK-Qualifikationen anerkannt werden”, schätzt Wolfgang Kuckertz, Vorstand der Going Public Akademie für Finanzberatung, die aktuelle Situation ein. “Das Beste, was Berater machen können, ist, in ihre eigene Existenz zu investieren und bereits jetzt mit einer Qualifikation im Kapitalanlage- und Finanzierungsbereich zu starten”, ist Kuckertz überzeugt. Die Going Public Akademie bietet entsprechende Lehrgänge zum Fachberater für Finanzdienstleistungen (IHK) oder Fachwirt für Finanzberatung (IHK) an.Gegen Entgelt beraten lassen können sich Verbraucher auch bei den Verbraucherzentralen. Der Bund will die anbieterunabhängige Verbraucherberatung durch einen starken Ausbau des Finanzberatungsangebots in den Verbraucherzentralen der Länder stärken. Zudem soll das Anreiz- und Provisionssystem von Finanzvermittlern auf den Prüfstand kommen. Pläne aus Großbritannien, die provisionsabhängige Beratung abzuschaffen, lehnt die Bundesregierung aber ab. Damit würde die Honorarberatung zum Standard erklärt.”Es kann nicht darum gehen, Vertriebswege zu verbieten”, sagt die für den Verbraucherschutz zuständige Bundesministerin Ilse Aigner. “Wichtig ist, dass der Verbraucher erkennen kann, ob und welche Provisionen im Preis inbegriffen sind.” Dies gehöre ebenfalls auf ein Informationsblatt. “Dann kann der Verbraucher entscheiden, ob er die Provision zahlen will oder eine Honorarberatung ohne Provision wählt.” Einige Beobachter gehen davon aus, dass die Honorarberatung eines Tages zum Standard wird. Dabei zahlt der Kunde für eine Finanzberatung einen festen Honorarsatz unabhängig von den gekauften Produkten. “Innerhalb von fünf Jahren könnten 5 bis 10 % des Beratergeschäfts auf Honorarbasis laufen”, sagt Dieter Rausch, Geschäftsführer Verbund Deutscher Honorarberater. Aktuell sei es lediglich 1 %. Damit die Honorarberatung sich etablieren kann, müssen aber auch die Verbraucher bereit sein, sich in Vermögensfragen gegen Honorar beraten zu lassen. Studien belegen immer wieder: Gerade das sind die Deutschen nicht.