Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Ingo Scholz

"Doppelnützige Treuhand gewinnt Zeit und verschafft Kontrolle"

Im Fall Opel angewendet - Wenn Gläubiger Druck auf den Eigentümer ausüben

"Doppelnützige Treuhand gewinnt Zeit und verschafft Kontrolle"

– Herr Dr. Scholz, die Bundesregierung hat Opel mit einem Treuhandmodell vor der Insolvenz der Muttergesellschaft abgesichert. Dieses ist als doppelnützige Treuhand konzipiert. Was heißt das?Der Treuhänder ist hier “Diener zweier Herren” – er ist dem Interesse der bisherigen Eigentümer verpflichtet und dem der Gläubiger. Deswegen spricht man von einer doppelnützigen Treuhand. Zu einer solchen Konstruktion kann es kommen, wenn die Gläubiger Druck auf den Eigentümer ausüben und ihn dazu veranlassen, das Eigentum zu übertragen.- So auch bei Opel?Ja, nur dass nicht Banken die Treuhand erzwungen haben, sondern Bund und Länder. Mit der Treuhand soll sichergestellt werden, dass deren Kredit über 1,5 Mrd. Euro im Rang vor den Ansprüchen des Eigentümers General Motors steht.- Für welche Konfliktsituationen ist das Modell konzipiert?Die doppelnützige Treuhand kommt aus der Sanierungspraxis. Ein Unternehmen braucht frisches Geld, und die Beteiligten streiten sich darüber, von wem und zu welchen Bedingungen es zur Verfügung gestellt werden kann. Dann kommt der Treuhänder ins Spiel: Er bekommt den Auftrag, die Anteile an dem Unternehmen zu übernehmen.- Hintergrund ist oft ein Verkaufsprozess?Ja, der Treuhänder soll die Gesellschaft an den Meistbietenden verkaufen, damit die Gläubiger ihr Geld zurückbekommen. Deswegen ist die Treuhand bei den Eigentümern wenig beliebt – ihnen wird die Möglichkeit genommen, über den besten Zeitpunkt zum Verkauf ihres Investments zu entscheiden. Wohin das führen kann, sieht man etwa am Fall Merckle.- Und die Banken?Sie setzen eine Treuhand gerne ein, wenn etwa ein mittelständisches Unternehmen in die Krise gerät. Außerdem sehen wir zur Zeit eine Reihe von Fällen aus dem Bereich kreditfinanzierter Unternehmenskäufe (Leveraged Buy-outs, kurz LBO). Das sind dann Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, die Schulden zu bedienen, die ihnen im Rahmen eines Unternehmenskaufs aufgebürdet wurden. Hier haben wir in den letzten Monaten in mehreren Fällen Treuhandmodelle geprüft und teilweise auch umgesetzt.- Wie kann der Treuhänder Restrukturierungen voranbringen?Für sich genommen ist die doppelnützige Treuhand kein Heilmittel für angeschlagene Unternehmen. Sie schirmt gegen eine Insolvenz der Muttergesellschaft ab, gewinnt damit Zeit und verschafft Kontrolle. Die Restrukturierung als solche gelingt dem Treuhänder jedoch nur, indem er ein tragfähiges Sanierungskonzept durchsetzt. Hier erreicht die Treuhand oftmals schon die Grenzen. Denn die eigentlichen Sanierer werden nicht unbedingt als Treuhänder eingesetzt. Dessen Aufgabe kann es aber sein, das Management entsprechend zu ergänzen oder einen Sanierungsplan umzusetzen, der das Vertrauen der Gläubiger genießt.- Sind steuerliche Aspekte bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu beachten?Wie vor jeder anderen Übertragung von Gesellschaftsanteilen sollte eingehend geprüft werden, welche steuerlichen Folgen für das betroffene Unternehmen und seinen Eigentümer entstehen. Zu denken ist an Verlustvorträge, Gewinnabführungsverträge zur Bildung sogenannter steuerlicher Organschaften und an Grunderwerbsteuerpflichten, die ausgelöst werden, wenn mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz übertragen werden sollen.- In welcher Form wird das Treuhandverhältnis beendet?Der Treuhandvertrag regelt typischerweise, dass der Treuhänder das Unternehmen zu einem möglichst hohen Preis veräußern soll. Die Veräußerungserlöse gehen an die begünstigten Gläubiger, Überschüsse an den Treugeber. Danach endet die Treuhand. Dient die Treuhand zunächst nur dazu, Entscheidungsblockaden zu überwinden und die Situation zu stabilisieren, kann der Treuhandvertrag auch vorsehen, dass eine Veräußerung nur folgen soll, wenn sich die Krise verschärft und das Unternehmen seine Bankverbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann. Dann endet die Treuhand ohne eine Veräußerung des Unternehmens, wenn die Bankverbindlichkeiten aus den laufenden Überschüssen zurückgeführt werden. In diesem Fall muss der Treuhänder die Anteile dem ursprünglichen Eigentümer zurückgewähren.—-Dr. Ingo Scholz ist Partner im Frankfurter Büro von Ashurst. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.