Ein Blick in die Augen genügt nicht mehr
Von Martin Borning *)Geschäfte sind der Kern des Wirtschaftslebens. Damit diese auch rechtmäßig und nachhaltig sind, haben Mitglieder der geschäftsführenden Organe juristischer Personen bei Geschäftsabschlüssen umfassend die damit einhergehenden Risiken für das Wohl der Gesellschaft einzuschätzen. Das gilt auch für Risiken, die nicht im Geschäft selbst, sondern eher in der Person des Geschäftspartners begründet sind.In den letzten Jahren wurden die Sorgfaltsanforderungen bei der Auswahl von Geschäftspartnern erheblich ausgeweitet. Prüfungspflichten der Geschäftsführung bestehen nicht allein hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Geschäftspartners. Sie gelten auch im Hinblick auf rechtswidrige Verhaltensweisen und zunehmend auch auf als unethisch eingestuftes Verhalten.Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit sind Risiken, die häufig durch einen Blick in öffentlich zugängliche Finanzdaten oder einen Informationsabruf bei Wirtschaftsinformationsdiensten ermittelt werden können. Daneben kann das Ausfallrisiko des Geschäftspartners, insbesondere bei Geschäften, bei denen nicht gegen Vorkasse oder gegen sofortige Bezahlung geleistet wird, gut abgesichert werden. Bei der Lieferung physischer Waren wird dafür zumeist ein Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Zahlung vereinbart. In anderen Fällen sind Garantien, Bürgschaften oder Patronatserklärungen übliche Sicherheiten.Bürgschaften und Garantien werden bei gegebener Bonität regelmäßig von der Mutter- bzw. Konzernobergesellschaft des Geschäftspartners gegeben, ansonsten durch ein Kreditinstitut. Gibt die Obergesellschaft des Geschäftspartners nur eine Patronatserklärung zu dessen hinreichender finanzieller Ausstattung ab, ist zu beachten, dass damit im Gegensatz zu einer Bürgschaft oder Garantie allenfalls die Zahlungsfähigkeit des Geschäftspartners abgesichert wird. Und dies auch nur, wenn die Erklärung als “harte” Patronatserklärung Zahlungspflichten zur finanziellen Ausstattung des Geschäftspartners beinhaltet, nicht lediglich Überwachungs- und Informationspflichten.In keinem Fall bietet die Erklärung Schutz vor einer Zahlungsunwilligkeit des Geschäftspartners. Das Risiko der Kosten für die Rechtsdurchsetzung bleibt also bestehen. Unwirksame KlauselnBei längerfristigen Geschäftsbeziehungen liegt zum Schutz vor einer Verschlechterung der Finanzlage des Geschäftspartners der Gedanke nahe, ein Kündigungsrecht bei Zahlungsunfähigkeit vorzusehen. Einer solchen Praxis hat der Bundesgerichtshof jedoch mit seiner Rechtsprechung zu insolvenzanknüpfenden Kündigungsklauseln in den letzten Jahren einen Riegel vorgeschoben. Bis auf gesetzlich definierte Ausnahmefälle und einige wenige richterlich entschiedene Einzelfälle sind solche Klauseln unwirksam, um das Wahlrecht des Insolvenzverwalters zur Fortsetzung oder Beendigung noch nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge nicht zu unterlaufen.Neben dem Risiko eines Zahlungsausfalls ist der Geschäftspartner auch auf Indizien für rechtswidrige Verhaltensweisen zu überprüfen. Im Zentrum dieser Prüfung stehen Straftaten aus dem Bereich der Geldwäsche, der Korruption, der organisierten Kriminalität und der Terrorismusfinanzierung, aber auch Verstöße gegen Einfuhr- oder Ausfuhrverbote und Sanktionen. Geschäftsbeziehungen zu Personen, die in diesen Bereichen geltendes Recht verletzen, können großen Schaden anrichten. Hohe Geldbußen und der Ausschluss von Vergabelisten und Aufträgen der öffentlichen Hand drohen. Und nicht allein aus deutschen Regelungen, sondern auch aus international Anwendung beanspruchenden Regelungen wie denen des UK Bribery Act und des US Foreign Corrupt Practices Act. Pflicht jeder sorgfältig handelnden Geschäftsführung ist es, solche Strafen und den damit einhergehenden Reputationsschaden zu vermeiden.Aus diesen Gründen sind feste Prozesse zur Prüfung von Geschäftspartnern zu etablieren. Dabei erfolgt nach einer Erfassung der Identität regelmäßig ein Abgleich mit den wichtigsten Embargo- und Sanktionslisten und eine Google-Recherche zur Person. Des Weiteren wird der Geschäftspartner anhand bestimmter Risikoparameter kategorisiert. Die Palette möglicher Geschäftspartner ist groß: Zulieferer, Abnehmer, Dienstleister, Kooperationspartner, aber auch Vermittler, Vertreter oder Agenten.Die Tätigkeiten dieser Geschäftspartner sind bereits abstrakt unterschiedlich risikogeneigt. In der Regel ist die Risikogeneigtheit zum Beispiel in Bezug auf Korruptionsstraftaten, zulieferseitig geringer einzuschätzen als abnehmerseitig und bei Vermittlertätigkeiten stärker. Daneben sind abstrakte Branchen- und Länderrisiken des Geschäftspartners relevante Risikofaktoren. Diese Faktoren sowie die Google-Rechercheergebnisse zu konkreten Hinweisen bestimmen den Umfang der weiteren Geschäftspartnerprüfung.Die weitere Prüfung erfolgt regelmäßig durch Abfrage von Datenbanken, Einholung von Auskünften bei Wirtschaftsinformationsdiensten und über eine Selbstauskunft des Geschäftspartners, insbesondere zu seiner Eigentümerstruktur und Beziehungen zu staatlichen Stellen. Auch die Beauftragung spezieller Dienstleister für vertiefte Prüfungen ist möglich. Häufig Garantien verlangtAm Ende des Prozesses steht die Entscheidung über den Geschäftsabschluss, welche innerhalb der Unternehmenshierarchie auf einer Ebene in Abhängigkeit mit der identifizierten Risikostufe des Geschäftspartners getroffen werden sollte. Das Ergebnis der Prüfung sollte dann in unternehmensinterne Listen aufgenommen werden, um künftige Prüfungen zu beschleunigen.Flankierend werden häufig vom Geschäftspartner in Verträgen Garantien zur Einhaltung gesetzlicher Regelungen und insbesondere geldwäsche- und korruptionsrechtlicher Verbote verlangt. Auch die Einhaltung der eigenen Compliance-Richtlinien kann dem Geschäftspartner so auferlegt werden. Diese Klauseln haben jedoch eher symbolischen Charakter und sind für sich genommen nicht ausreichend, das Geschäftspartnerrisiko effektiv abzusichern. In den vergangenen Jahren zeigt sich daneben die Tendenz, Geschäftspartner auch auf sonstiges unethisches Verhalten hin zu überprüfen. Dabei stehen insbesondere Themen wie Arbeitnehmerrechte, fairer Handel, Umweltschutz, Bekämpfung von Armut und Stärkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Fokus. Unternehmen werben damit, internationalen Richtlinien und Grundsätzen anzuhängen, etwa dem UN Global Compact, den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen oder DIN ISO 26 000, und deren Werte auch in ihren Lieferketten und anderen Geschäftsbeziehungen einzuhalten.Stellte die Übernahme solcher Prinzipien früher eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen dar, wird sie heute verstärkt auch politisch eingefordert. Größere und kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften sind seit dem letzten Jahr dazu verpflichtet, den Lagebericht zu ihrem Jahres- oder Konzernabschluss um eine Erklärung zu nichtfinanziellen Aspekten der Unternehmenstätigkeit zu erweitern. Darin ist darzulegen, welche Auswirkungen ihr Geschäftsmodell auf Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung hat und wie sie die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit in Bezug auf diese Themen handhaben. Erklärungspflicht erhöht DruckDiese Erklärungspflicht erhöht den Druck auf die betroffenen Unternehmen, verantwortungsvoll zu handeln. So gibt es zwar keine gesetzliche Pflicht, Geschäftspartner nach Kriterien wie der Einhaltung von Arbeitnehmerrechten oder fairem Handel auszuwählen. Viele Unternehmen geben sich aber dennoch Ethikrichtlinien, mit denen sie sich zur Berücksichtigung solcher Kriterien verpflichten. Daran müssen sich auch die Geschäftsführungen messen lassen, was die Tendenz zur Ausweitung der Prüfungspflichten bei der Auswahl von Geschäftspartnern fortsetzt.—-*) Dr. Martin Borning ist Managing Associate bei Linklaters in Berlin.