RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: CHRISTOPH SPIERING

"Ein Joint Venture ähnelt einer Ehe"

Beendigung von Gemeinschaftsunternehmen: Verkauf oder Auflösung?

"Ein Joint Venture ähnelt einer Ehe"

Herr Spiering, Continental und Osram wollen ihr Autolicht-Gemeinschaftsunternehmen auflösen. Wie beendet man eine solche Partnerschaft?Wenn die Partner sich einig sind, können sie jederzeit die für beide Seiten beste Lösung vereinbaren. Continental und Osram reagieren gemeinsam auf eine schwierige Marktsituation, die durch die weltweit schwache Autoproduktion und die Coronakrise entstanden ist, und lösen ihr Lichttechnik-Joint-Venture auf. Sie entflechten es und führen eingebrachte Bereiche zurück. Hat ein Gemeinschaftsunternehmen jedoch – anders als im geschilderten Fall – robuste Zukunftsperspektiven, so ist die Auflösungsvariante kein geeignetes Instrument, weil dadurch geschaffene Werte zerschlagen werden. Was sind die Alternativen zur Auflösung?Zumeist ist es für alle Beteiligten wirtschaftlich sinnvoll, wenn ein Gesellschafter seine Anteile auf den anderen überträgt. Der führt dann das Unternehmen allein weiter. Die geschaffenen Werte bleiben erhalten, der ausscheidende Partner erhält seinen Kaufpreis. Befinden sich die Partner jedoch im Streit, wird es schwierig bis unmöglich, eine einvernehmliche Anteilsübertragung zu erreichen. Daher ist es wichtig, für diesen Fall vorab Vorsorge zu treffen. Warum sollten die Parteien von Anfang an das Ende des Joint Venture im Blick haben?Ein Joint Venture ähnelt einer Ehe. Zu Beginn sind die Partner von ihrem Projekt begeistert, sehen mehr Chancen als Risiken. Insbesondere 50:50-Strukturen sind jedoch streitanfällig. Meinungsverschiedenheiten und Pattsituationen können entstehen. Sollte der Streit eskalieren, hilft es allen, wenn der Joint-Venture-Vertrag klare Regeln zur Lösung der Blockade enthält. An welche Instrumente ist zu denken?Wenn alle Mittel der einvernehmlichen Streitbeilegung ausgeschöpft sind und der Beendigungsfall eintritt, ist die Übertragung der Anteile des einen auf den anderen Partner naheliegend. Alternativ ist an den Verkauf des gesamten Unternehmens an einen meistbietenden Dritten zu denken. Was muss sonst noch in einem Joint-Venture-Vertrag geregelt werden?Der Joint-Venture-Vertrag ist das Drehbuch für den gesamten Lebenszyklus des Gemeinschaftsunternehmens. Er sollte Gründung, Ausstattung, Finanzierung, den operativen Betrieb, Corporate Governance, Leistungsbeziehungen zu den Partnern und Dritten sowie die Beendigung erfassen und zumindest grundsätzlich regeln. Was sind typische Beendigungsfälle?Der Regelfall ist die Zweckerfüllung des zeitlich befristeten Joint Venture, etwa durch den gelungenen Markteintritt, die erfolgreiche Projektfertigstellung oder Produktentwicklung. Der Ausnahmefall ist die Zweckverfehlung: Das Joint Venture kann seine Ziele nicht mehr erreichen, etwa weil das Marktumfeld sich ändert, zum Beispiel durch die Coronakrise, weil einer der Partner seine Strategie ändert, etwa durch Gesellschafterwechsel, oder weil ein Streit der Partner das Unternehmen blockiert. Hier hat keiner der Partner die Beendigungsursache gesetzt, die Beendigungsmechanik kennt also nur “Good Leaver”. Der besondere Ausnahmefall ist die schuldhafte Pflichtverletzung eines Partners, die den anderen Partner außerordentlich kündigen lässt. Hier sollte die Beendigungsmechanik eine Sanktionierung des “Bad Leaver” vorsehen. Falls die Partner über den Wert der Anteile streiten: Gibt es dafür Verfahren?In der Tat ist das der streitanfälligste Punkt. Er sollte im Joint-Venture-Vertrag genau geregelt werden. Denkbar ist eine externe Bewertung durch Expertengutachten. Üblicher sind Ausstiegsklauseln, sog. Shoot-out-Klauseln, die sich in verschiedenen Varianten (sog. “Russian Roulette” oder “Texan Shoot-out”) etabliert haben. Sie kombinieren Elemente freiwilliger und erzwungener Anteilsübertragung. Ein Partner hat zu Beginn einen Angebotspreis anzubieten, den er notfalls gegen sich selbst gelten lassen muss. Er wird also den Preis so wählen, dass er nicht Gefahr läuft, selbst zu einem unverhältnismäßig hohen oder niedrigen Preis kaufen bzw. verkaufen zu müssen. Gut durchdachte Ausstiegsklauseln dieser Art können eine reibungslose und gerechte Beendigung ermöglichen. Dr. Christoph Spiering ist Partner von Noerr in Hamburg. Die Fragen stellte Helmut Kipp.