Asset Management - Gastbeitrag

Ein Plädoyer für Zinsderivate

Börsen-Zeitung, 20.4.2010 Zinsderivate feiern zurzeit in der öffentlichen Diskussion ein fragwürdiges Comeback. Galten sie bereits als Mitverursacher der Finanzkrise, bekommen sie nun auch noch in der griechischen Tragödie eine Hauptrolle...

Ein Plädoyer für Zinsderivate

Zinsderivate feiern zurzeit in der öffentlichen Diskussion ein fragwürdiges Comeback. Galten sie bereits als Mitverursacher der Finanzkrise, bekommen sie nun auch noch in der griechischen Tragödie eine Hauptrolle zugewiesen. Diese Entwicklung ist bedauerlich, denn es wäre eigentlich Zeit für das Comeback der Zinsderivate in den Anlage- und Schuldenportfolios. Dort werden sie nämlich so dringend gebraucht wie selten zuvor. Treasurer und Portfolio-Manager stehen in den kommenden Jahren vor Herausforderungen, die ohne den Einsatz von Derivaten nur schwer zu meistern sein werden: Das Anlageportfolio muss auch in Zeiten historisch niedriger Zinssätze und reduzierter Risikobudgets die Mindestverzinsungsverpflichtungen erwirtschaften. Unsicherheit reduzierenBei der Steuerung des Schuldenportfolios erscheint es angesichts der enormen Ungewissheit über die künftige Zinsentwicklung ratsam, das Instrumentarium der Zinssicherung gezielt einzusetzen, um den Grad der Unsicherheit in der Finanzplanung zu reduzieren. Dabei müssen allerdings die Fehler der vergangenen Jahre vermieden werden. Diese haben alle einen gemeinsamen Kern: Derivate wurden zum Selbstzweck und waren nicht länger Mittel zum Zweck.Auf der Anlageseite entwickelten sich Zinsderivate in einem Wechselspiel aus viel zu ambitionierten Renditezielen und einem sich rasant entwickelnden Produktangebot. Auf der Bankenseite entstand so eine Produktsparte, bei der häufig der ganzheitliche Blick auf das Kundenportfolio und die zugrunde liegenden Anlageentscheidungen fehlte. Aufgrund der immer komplexeren Produktstrukturen geriet das Grundgeschäft immer mehr in den Hintergrund. Zweck häufig verfehltEine ähnliche Fehlentwicklung war bei Zinsderivaten für die Passivseite zu beobachten. Der eigentliche Zweck der Zinsderivate, die unmittelbare Absicherung von Zinsrisiken im Schuldenportfolio, wurde häufig verfehlt. Trotz dieser Fehlentwicklungen darf man aber nicht vergessen, dass Derivate zahlreiche Vorteile bieten und zu den flexibelsten und liquidesten Komponenten eines modernen Portfolios gehören.Die Vorteile kommen dann wieder zur Geltung, wenn man die richtigen Lehren aus den vergangenen Jahren zieht. Sowohl für Zinsderivate für das Anlageportfolio als auch für das Schuldenportfolio gilt: Die Produkte müssen erstens auf das individuelle Portofolio abgestimmt sein und zweitens aus einfachen, für den Kunden nachvollziehbaren Komponenten bestehen.Bei strukturierten Zinsprodukten für das Anlageportfolio sollte der Ausgangspunkt stets eine einfache Anleihe ohne strukturierte Elemente sein, die am Laufzeitende das eingesetzte Kapital in jedem Fall zurückzahlt. Hierbei sollte aber auch das Thema Emittentenrisiko Beachtung finden. Denn Einkauf höherer Renditen über schwache Credits hieße, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben.In einem zweiten Schritt kann dann der Investor durch Hinzufügen einzelner Komponenten das Produkt an seine Markterwartung und sein Chance-Risiko-Profil anpassen lassen. Dabei muss das Zinsderivat so strukturiert werden, dass selbst im ungünstigsten Fall für den Investor die erforderliche Mindestrendite nicht unterschritten wird. Dazu kann beispielsweise eine Zinsuntergrenze (Floor) eingezogen werden.Ein solches Vorgehen ermöglicht den Investoren gerade in Niedrigzinsphasen die Chance, überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, ohne dabei auf Papiere von Emittenten schlechter Qualität zurückgreifen zu müssen. Damit werden zwei aktuelle Anlageprobleme gelöst: Anleger wie Pensionskassen haben feste Auszahlungsverpflichtungen zu erfüllen, können aber momentan risikolose Anlagen nur zu historisch niedrigen Zinssätzen tätigen. Geringe RisikobudgetsSo liegen beispielsweise fünfjährige Bundesobligationen aktuell bei einer jährlichen Rendite von ca. 2,2 %. Normalerweise würden sie in einer solchen Situation den Anteil risikoreicherer Anlageklassen wie Unternehmensanleihen oder Aktien erhöhen. Aber hier kommt das zweite Problem zum Tragen: Zwei Krisen an den Finanzmärkten innerhalb von zehn Jahren haben dazu geführt, dass die Risikobudgets vieler Investoren aufgezehrt sind. Sie können daher nicht auf Papiere von Emittenten schlechter Bonität zurückgreifen. Eine Erhöhung der Aktienquote ist vor diesem Hintergrund ebenfalls meist nicht möglich.Gerade in diesem Punkt bieten strukturierte Zinsprodukte eine adäquate Lösung. Anleger können aus einer großen Auswahl von Emittenten unterschiedlicher Bonität wählen. Selbst Anleger, die nur in Anleihen höchster Bonität, zum Beispiel in Emissionen von Bundesländern oder Förderbanken, investieren dürfen, können so attraktive Renditen erzielen. Darüber hinaus können Zinsstrukturen einen wertvollen Beitrag zur Diversifikation im Portfolio leisten, wenn sie beispielsweise in Zeiten steigender Renditen (in denen festverzinsliche Anleihen verlieren) überproportionale Kupons zahlen und so negative Effekte dämpfen. Umfeld bietet ChancenDas aktuelle Niedrigzinsumfeld bietet gleichzeitig auch Chancen, nämlich bei der Steuerung des Schuldenportfolios. Über alle Laufzeitbänder hinweg weisen die Zinsen in der Eurozone historische Tiefstände aus, die sich beispielsweise mittels Festzahlerswaps sichern lassen. Besonders mit Blick auf die sehr volatilen, im vergangenen Jahr stark gestiegenen individuellen Kreditaufschläge und die starken Schwankungen der für die Kreditzinsen relevanten Geldmarktsätze kann es sinnvoll sein, das Marktzinsänderungsrisiko mittels Zinsderivaten zu eliminieren.Bei einem Schuldenportfolio mit hoher Zinsbelastung kommt die Beimischung von Zinsderivaten zur Reduktion der Zinszahlungen in Betracht. Dazu müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens: Es muss immer ein vorher definierter Risiko-Cap bestehen. Das heißt, selbst im ungünstigsten Fall darf der Zinssatz eine vorab festgelegte Grenze nicht überschreiten. Zweitens: Der Risiko-Cap muss sich innerhalb des über das Portfolio hinweg festgelegten Rechnungszinses befinden.Wie bei der Steuerung des Anlageportfolios gilt auch beim Schuldenportfolio, dass es keine Standardlösungen gibt. Ob ein Unternehmen ein aktives Zinsmanagement betreibt und welche Zinsderivate es dabei einsetzt, sollte es erst nach einer ausführlichen Analyse des Kreditportfolios entscheiden, die es zusammen mit seiner Bank durchführt. Nur so lässt sich eine effiziente Zinskostenstruktur erzielen. Darunter ist eine Kostenstruktur zu verstehen, die der Unternehmensphilosophie hinsichtlich der Höhe der maximalen Zinskosten einerseits und einem auf das Unternehmen abgestimmten Risikoprofil andererseits in optimaler Weise entspricht.So eingesetzt, können Derivate auch weiterhin einen positiven Beitrag zur Risikoreduktion und Optimierung sowohl in Anlage- als auch in Liability-Portfolios leisten.