RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: ANNA IZZO-WAGNER

"Eine engere Produktaufsicht erscheint unerlässlich"

Diskussion über Bankenaufsicht und Trennbankensystem wirft Fragen auf

"Eine engere Produktaufsicht erscheint unerlässlich"

– Frau Dr. Izzo-Wagner- , in der Diskussion um das Trennbankensystem werden gerne die in den USA und in Großbritannien skizzierten Modelle als mögliche Vorbilder genannt. Was steckt dahinter?Man sollte hier systematisch zwischen der Struktur der Bankensysteme in den USA und in Großbritannien unterscheiden. Früher war das prägende Merkmal der USA in der Tat das Trennbankensystem. Nach der Aufnahme dieses Grundsatzes durch den Glass-Steagall Act 1933 mussten sich die Banken zwischen den zwei Modellen “Commercial Bank” und “Investment Bank” entscheiden. Insgesamt wurde dieser Trennbanken-Grundsatz in den USA jedoch regelmäßig umgangen und zunehmend aufgeweicht. Ergebnis war schließlich die Aufhebung des Glass-Steagall Act im Jahr 1999. Die Banken in Großbritannien weisen teilweise einen sehr hohen Spezialisierungsgrad auf, tendieren aber gerade in den letzten Jahren zu einem gewissen Universalbankensystem.- Wo liegen genau die Unterschiede in den Modellen?Aktuell propagiert John Vickers in Großbritannien das sogenannte “Ringfencing” – eine Art interner Schutzwall zwischen verschiedenen Funktionsbereichen, wie etwa zwischen dem Einlagen- und Kapitalmarktgeschäft. Diese Form der Modulierung und Strukturierung innerhalb einer Bank soll es erleichtern, Teile einer Bank im Krisenfall abzustoßen. Der in den USA diskutierte Dodd-Frank Act wiederum sieht in seiner zentralen “Volcker Rule” das Verbot des Eigenhandels vor und möchte Beteiligungen in und Beziehungen zu Hedgefonds sowie Private-Equity-Fonds beschränken. Ein echtes Trennbankensystem ist dies natürlich nicht.- Was sind mögliche rechtliche Probleme, wenn ein Trennbankensystem in Deutschland eingeführt würde?Ein Trennbankensystem im engen Sinne käme einer Zerschlagung der Universalbanken in Deutschland gleich. Abgesehen von ganz praktischen Problemen wie der Schwierigkeit, alle Backoffice- und Stabsfunktionen auf zwei Banken zu verteilen, Kunden innerhalb eines Hauses ganzheitlich bedienen zu können und Bankprodukte effizient miteinander zu verbinden, stellen sich auch rechtliche Fragen: Was geschieht mit den an die deutschen Universalbanken erteilten Banklizenzen? Werden diese geteilt oder muss der ausgegliederte Geschäftsbereich eine neue Lizenz beantragen? Ferner ist zu entscheiden, ob die zahlreichen wechselseitigen Beteiligungen oder personellen Verflechtungen zwischen den Geschäftseinheiten zulässig bleiben sollen, und wenn ja, wie.- Welchen aufsichtsrechtlichen Ansatz würden Sie verfolgen?Die Bankenaufsicht ist in allererster Linie eine Instituts- und keine Produktaufsicht. Dieser Ansatz ist rechtssystematisch dem Schutz des Kredit- und Finanzdienstleistungswesens, der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte und der Gesamtwirtschaft geschuldet. Allerdings haben Finanzmarktprodukte in den letzten 20 Jahren enorm an Komplexität, Vielfalt und Dynamik gewonnen. In Kombination mit der weltweiten Tätigkeit von Banken haben diese Produkte eine Systemrelevanz erreicht, die sich spätestens 2008 in voller Kraft gezeigt hat. Es erscheint unerlässlich, dass eine Produktaufsicht im engeren Sinne eingeführt wird. Sowohl die nationale als auch eine europäische Aufsicht müssen in der Lage sein, dieser hoch spezialisierten Branche auf Augenhöhe zu begegnen und den Produkten immanente Risiken zu identifizieren. Flankiert werden müsste dies natürlich auch mit den entsprechenden Umsetzungsbefugnissen.- Welche Rolle könnte eine europäische Bankenaufsicht hierbei spielen?Die Bankenunion wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht halte ich es für unverzichtbar, ein sogenanntes “Level Playing Field” zu schaffen. Nur so kann eine Aufsicht der neuen Komplexität und den neuen Strukturen von Finanzprodukten gerecht werden und einen Krisenfall früher erkennen. Aber natürlich ist auch dieser Ansatz noch mit vielen praktischen Problemen verbunden: Zu klären wäre etwa, welche Länder und Institutsgrößen einzubinden sind, welcher nationale Haftungsumfang im Krisenfall gilt sowie die Frage nach den konkreten Befugnissen einer solchen Aufsicht.—-Dr. Anna Izzo-Wagner, Rechtsanwältin im Frankfurter Büro von Taylor Wessing. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.