RECHT UND KAPITALMARKT

Einstellung des Libor fordert Konzernfinanzierung heraus

Erste Marktreaktionen auf Wegfall des Referenzzinssatzes erkennbar

Einstellung des Libor fordert Konzernfinanzierung heraus

Von Cristina Freudenberger *)Der Referenzzinssatz Libor wird ab dem Jahr 2021 eingestellt. Referenzzinssätze wie der Libor oder auch der Euribor geben an, zu welchen Zinssätzen Banken mit erstklassiger Bonität sich im Interbankenmarkt Geld leihen. Unter anderem als Reaktion auf die Manipulationen des Libor, aber auch infolge fehlender Liquidität im Markt gab die britische Finanzaufsichtsbehörde FCA Mitte 2018 bekannt, dass die Veröffentlichung des Libor ab dem Jahr 2021 eingestellt wird. Dies betrifft zunächst nur den Libor, nicht hingegen den Euribor, über den sich insbesondere deutsche Unternehmen überwiegend finanzieren. Der Wegfall des Libor stellt Emittenten und Darlehensnehmer variabel verzinslicher Instrumente wie Anleihen oder Schuldscheindarlehen indes vor neue Herausforderungen.Erste Marktreaktionen sind schon erkennbar: Sowohl Schuldscheindarlehen als auch Anleihen mit einem variablen Zinssatz, die im vergangenen Jahr begeben wurden, enthalten bereits detaillierte Auffangvorschriften in der Dokumentation, die auch nach Einstellung des Libor eine Berechnung des variablen Zinssatzes gewährleisten sollen. Derartige Auffangvorschriften sehen in der Regel ein mehrstufiges Vorgehen vor: Zunächst wird auf einer ersten Stufe überprüft, ob von einer zuständigen Stelle, zum Beispiel einer Referenzbank wie der EZB oder der Regulierungs- oder Aufsichtsbehörde des ursprünglichen Referenzzinssatzes, ein Nachfolgereferenzzinssatz bestimmt wurde. Sollte dies nicht der Fall sein, wird in einem zweiten Schritt ein unabhängiger Berater hinzugezogen, der einen alternativen Referenzzinssatz festlegt. Ist auch dieser nicht bereit oder im Stande, einen solchen Satz zu bestimmen, soll der Referenzzinssatz gelten, der am letzten Zinsfestlegungstag anwendbar war. Vereinzelt wird dem Emittenten als Ultima Ratio zusätzlich ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt.So detailliert die Auffangvorschriften bereits sein mögen, so rudimentär sind sie in der bisherigen, bestehenden Dokumentation von Anleihen und Schuldscheindarlehen aufgeführt. Zwar gibt es auch für solche “Altdokumentationen” Regelungen, die den Fall adressieren, dass der Referenzzinssatz nicht (mehr) veröffentlicht wird. Allerdings gehen diese Mechanismen von einer temporären Nichtverfügbarkeit des entsprechenden Referenzzinssatzes aus und nicht von seiner dauerhaften Einstellung. Unbefriedigende SituationDarüber hinaus ist zweifelhaft, ob diese Auffangvorschriften noch praxistauglich sind. Abgestellt wird nämlich regelmäßig auf die Angebotssätze von Referenzbanken, deren arithmetisches Mittel den Referenzzinssatz bildet. Ob Referenzbanken tatsächlich derartige Angebotssätze veröffentlichen, wenn der Libor dauerhaft eingestellt wird, ist nicht nur mehr als fraglich, sondern praktisch ausgeschlossen. Für diesen Fall soll dann wiederum der zuletzt veröffentlichte Referenzzinssatz gelten. Faktisch führt dies dazu, dass sich variabel verzinsliche Instrumente in festverzinsliche verwandeln; eine mehr als unbefriedigende Situation für den Emittenten beziehungsweise den Darlehensnehmer und möglicherweise auch den Investor.Bei Schuldscheindarlehen gewährt § 489 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dem Darlehensnehmer die Möglichkeit zur Kündigung des Darlehens zu jedem Zinstermin. Ob der Darlehensnehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, wird auch maßgeblich von den zur Verfügung stehenden Refinanzierungsmöglichkeiten abhängen. Ein vergleichbares gesetzliches Kündigungsrecht besteht allerdings nicht für Anleihen. Ein Ausstieg aus dem Instrument durch den Emittenten könnte dann nur über ein Rückkaufangebot an die Gläubiger (Tender Offer) erfolgen. Ein solches Vorgehen ist zum einen mit Transaktionskosten und möglicherweise unerwartetem Zinsaufwand verbunden; ferner wird dem Emittenten regelmäßig nicht ein vollständiger Rückkauf gelingen. Anpassung der BedingungenSowohl bei Schuldscheindarlehen als auch bei Anleihen ist selbstverständlich eine Anpassung der Bedingungen dergestalt denkbar, dass sich die Beteiligten auf einen neuen Referenzzinssatz verständigen. Bei Schuldscheindarlehen müssen allerdings Gläubiger, für die der neue Referenzzinssatz gelten soll, einer solchen Änderung zustimmen. Dies kann für den Darlehensnehmer – je nach Größe des Investorenkreises – einen erheblichen administrativen Aufwand bedeuten. Für Anleihen gilt hingegen, dass diese auch durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger geändert werden können, sofern die Anleihebedingungen die Anwendbarkeit des Schuldverschreibungsgesetzes vorsehen. Auch hier bedeutet die Durchführung einer dafür erforderlichen Gläubigerversammlung jedoch Aufwand und Kosten.Als Nachfolgesatz für den Libor und weitere Referenzzinssätze sind sogenannte Risk Free Rates vorgesehen. Hierzu zählt insbesondere SOFR (Secured Overnight Financing Rate), der auf Transaktionen des US-Dollar-Repo-Marktes basiert und künftig als Referenzzinssatz für US-Dollar-Finanzierungen verwendet werden soll. Hinsichtlich der Verwendung solcher Risk Free Rates in Finanzierungsinstrumenten ergeben sich derzeit aber noch unbeantwortete Fragen, wie zum Beispiel der Berechnung. *) Dr. Cristina Freudenberger ist Local-Partnerin von White & Case.