IM INTERVIEW: THORSTEN KUTHE

Entry Standard behält trotz Umbau Vorzüge zum regulierten Markt

Anleger können nach Delisting nicht auf Abfindung hoffen

Entry Standard behält trotz Umbau Vorzüge zum regulierten Markt

– Herr Dr. Kuthe, die Deutsche Börse schließt im Freiverkehr das Segment First Quotation Board, also für Erstlistings ohne öffentliches Angebot. Was heißt das für die notierten Unternehmen in dem Segment?Vermutlich wird am 1. Oktober 2012 ein Umlisting aller Unternehmen, die derzeit im First Quotation Bord gelistet sind, in den Entry Standard stattfinden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die betreffenden Unternehmen bis dahin sämtliche Anforderungen erfüllen, die im Entry Standard verlangt werden. Das setzt insbesondere die Veröffentlichung eines von der BaFin gebilligten Prospekts voraus, wenn nicht innerhalb der letzten 12 Monate schon ein Prospekt veröffentlicht wurde. Unternehmen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, werden zwangsweise vom Kurszettel in Frankfurt genommen. Ich erwarte auch, dass die BaFin ein Ausweichen auf andere Börsenplätze über kurz oder lang unterbinden wird.- Welche Möglichkeiten haben die Anleger der 450 Werte des First Quotation Board, um auf die Veränderung zu regieren?Die Deutsche Börse hat angekündigt, alle Entscheidungen so zu treffen, dass die Anleger ausreichend Zeit haben, ihre Aktien zu verkaufen. Dabei sollten die Anleger sich frühzeitig bei den Emittenten erkundigen, ob diese die Anforderungen für einen Wechsel in den Entry Standard erfüllen werden. Allerdings ist zu erwarten, dass es gerade besonders marktenge Werte sind, bei denen es zu einem Delisting kommt. Eine Veräußerung der Aktienposition wird in der Praxis sicherlich nicht in jedem Fall einfach werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eher nicht davon auszugehen, dass den Anlegern ein Abfindungsanspruch wegen des Delistings aus dem First Quotation Board zusteht.- Ein Erstlisting im Freiverkehr wird künftig nur noch im Entry Standard möglich sein, für den die Anforderungen verschärft werden – welche Regularien sind zu erwarten?Auf jeden Fall wird für die Notierung im Entry Standard ein Wertpapierprospekt erforderlich sein. Bislang ging das auch nur auf Grundlage eines kurzen, nicht öffentlichen Exposés, wobei die deutliche Mehrzahl der Entry-Standard-Werte einen Prospekt veröffentlicht hat. Auch die Folgepflichten werden verschärft. So werden in Zukunft neben dem obligatorischen Jahresbericht ausführlichere Halbjahresberichte als bislang zu veröffentlichen sein. Die Börse betont aber, dass die Anforderungen weiterhin auf den Mittelstand ausgerichtet bleiben.- Welche Vorzüge hat der Entry Standard dann noch gegenüber einem Listing im voll regulierten Markt?Es verbleiben immer noch erhebliche Unterschiede. Der wesentlichste Zusatzaufwand im regulierten Markt ist die dort erforderliche Rechnungslegung nach IFRS, während der Entry Standard HGB oder andere nationale Rechnungslegung erlaubt. Auch sind die Anforderungen an Halbjahresabschlüsse im regulierten Markt höher, und es müssen zum Quartal Zwischenmitteilungen veröffentlicht werden. Hinzu kommen weitere umfangreiche Transparenzvorschriften, wie etwa deutlich umfangreichere Pflichten für Stimmrechtsmeldungen, Directors’ Dealings, zusätzliche Anforderungen an den Lagebericht. Auch das Übernahmerecht ist nur im regulierten Markt anwendbar.- Reichen die Maßnahmen aus, um die mutmaßlichen Marktmanipulationen an der Börse zu stoppen?Die Hürde für die Notierungsaufnahme wird durch den gebilligten Wertpapierprospekt erhöht, sodass es sich weniger lohnen dürfte, mit “Scheinfirmen” an die Börse zu gehen. Zudem sorgen die Folgepflichten dafür, dass dem Markt Informationen über Missstände frühzeitiger zur Verfügung stehen. Letztlich sind die Maßnahmen Seriositätsschwellen, die Marktmanipulationen nicht verhindern, aber aufwendiger machen. Ob dies ausreicht, um die Marktmanipulation zu stoppen, wird erst die Erfahrung zeigen. Hier sind neben der Börse die Marktteilnehmer gefragt, auch um zu verhindern, dass der gute Ruf des Entry Standard leidet.—-Dr. Thorsten Kuthe ist Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek im Kölner Büro. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.