RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: JANET BUTLER

Entschädigung kommt nur bei rechtswidriger Anordnung in Betracht

Meist besteht kein Anspruch auf Schadenersatz für Betriebsschließungen

Entschädigung kommt nur bei rechtswidriger Anordnung in Betracht

Frau Butler, die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass viele Betriebe wochenlang schließen mussten oder noch immer nicht wieder geöffnet sind. Können betroffene Unternehmen Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz geltend machen?Das kommt auf den Einzelfall an. Das Infektionsschutzgesetz sieht Entschädigungsansprüche nur in wenigen Fällen vor, und diese stehen in der Regel nicht den betroffenen Unternehmen, sondern einzelnen Personen zu. Einen Anspruch auf Entschädigung haben zum Beispiel Personen, die einen Verdienstausfall erleiden, weil ihnen als Krankheitsverdächtige die Ausübung ihrer Beschäftigung verboten wird; eine Betriebsschließung ist aber etwas anderes als ein Berufsverbot. Solche Entschädigungen müssen Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmern zahlen und können anschließend die Erstattung der verauslagten Beträge von der Behörde verlangen. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Entschädigung vor, wenn Betroffene durch Maßnahmen zur Verhütung von übertragbaren Krankheiten einen Vermögensnachteil erleiden. Die zur Eindämmung der Corona-Pandemie angeordneten allgemeinen Betriebsschließungen wurden allerdings in aller Regel auf gesetzliche Regelungen zur Bekämpfung – nicht Verhütung – übertragbarer Krankheiten gestützt. Für solche Maßnahmen sieht das Gesetz gerade keine Entschädigung vor. Zwar plädieren einige Stimmen in der Rechtsliteratur für eine erweiternde Auslegung dieser Regelung. Es ist aber noch unsicher, ob die Gerichte dieser Auffassung folgen werden. Die gerichtliche Aufarbeitung geht jetzt erst los. Gibt es Ansprüche auf Grundlage anderer Gesetze?Denkbar sind Ansprüche auf Entschädigung nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht. Allerdings ist umstritten, ob diese Regelungen neben den Spezialregelungen des Infektionsschutzgesetzes Anwendung finden. Das Landgericht Hannover etwa hat das vor kurzem in einem Urteil vom 9.7.2020 abgelehnt. Es bleibt abzuwarten, wie sich hier die Rechtsprechung entwickelt. Stellen Betriebsschließungen einen Eingriff in Eigentum dar? Rechtfertigt das Schadenersatz?Es spricht einiges dafür, dass die angeordneten Betriebsschließungen den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts berühren. Das heißt aber nicht zwingend, dass Betroffene Anspruch auf Schadenersatz haben. Schadenersatz kommt nur in Betracht, wenn die Anordnungen rechtswidrig waren. In den bisherigen Eilverfahren, die mir bekannt sind, haben die Gerichte die Maßnahmen jedoch – abgesehen von Detailfragen zur Reichweite der Beschränkungen – im Grundsatz für rechtmäßig erachtet. Wesentlich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist dabei, ob der konkrete Umfang der angeordneten Betriebsschließung nach aktueller Kenntnislage (noch) verhältnismäßig ist, also nicht über das Ziel hinausschießt. Inwieweit Betroffene bei rechtmäßigen Maßnahmen trotzdem eine Entschädigung nach allgemeinen Rechtsprinzipien, insbesondere aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs, verlangen können, ist äußerst umstritten. Auch hierüber werden die Gerichte entscheiden müssen. In einigen Fällen haben Gerichte Betriebsschließungen aufgehoben, etwa für Läden mit mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Wie verhält es sich bei solchen Sachverhalten?Hier sind die Aussichten besser. Zwar scheiden Schadenersatzansprüche aus Amtshaftung aus, soweit die Betriebsschließungen – wie in der Regel – durch Rechtsverordnung und nicht von Behörden angeordnet wurden. Es kommen aber Ansprüche auf Entschädigung nach dem allgemeinen Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich gegen Regelungen, die als zu weitgehend erscheinen, umgehend auch gerichtlich zur Wehr zu setzen. Planen Bund oder Länder ergänzende Entschädigungsregelungen?Nein, es gibt derzeit keine Anhaltspunkte für dahingehende Planungen. Die wirtschaftlichen Folgen von Betriebsschließungen sollen offenbar vorrangig über sonstige staatliche Hilfsmaßnahmen abgefedert werden. Dr. Janet Butler ist Counsel im Bereich öffentliches Recht im Berliner Büro von Baker McKenzie. Die Fragen stellte Helmut Kipp.