Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Michael Arnold und Dirk Wasmann

"Entscheidung zu Wella bringt Rechtssicherheit"

Wirksames Mittel, um die Blockade von Strukturmaßnahmen durch Anfechtungsklagen zu überwinden

"Entscheidung zu Wella bringt Rechtssicherheit"

Der Squeeze-out der Minderheitsaktionäre der Wella AG ist in das Handelsregister eingetragen worden. Damit sind alle Aktien der außenstehenden Anteilseigner auf den Hauptgesellschafter Procter & Gamble übergegangen. Die Übernahme des Haarkosmetikunternehmens ist abgeschlossen. Das OLG Frankfurt hat jetzt die Eintragung des Squeeze-out-Beschlusses zugelassen, der auf Verlangen von Procter & Gamble Ende 2005 gefasst und nach Erhebung zahlreicher Anfechtungsklagen 2007 bestätigt worden war. Der Bestätigungsbeschluss war wiederum angefochten worden. Das OLG Frankfurt hat in einem zweiten Freigabeverfahren entschieden, dass die Erhebung der Klagen gegen den Squeeze-out-Beschluss der Eintragung in das Handelsregister nicht entgegensteht. – Herr Dr. Arnold, Herr Dr. Wasmann, was ist das Besondere an der OLG-Entscheidung?Arnold: Das Besondere liegt in Folgendem: Wird ein Squeeze-out-Beschluss mit Anfechtungsklagen angegriffen, besteht eine Registersperre. Vor rechtskräftiger Abweisung der Klagen darf der Beschluss daher nur eingetragen werden, wenn ein Gericht dies etwa wegen der offensichtlichen Unbegründetheit der Klagen in einem besonderen Eilverfahren – dem so genannten Freigabeverfahren – ausspricht. Ein solches Freigabeverfahren hatte Wella im Hinblick auf den Squeeze-out-Beschluss aus dem Dezember 2005 vor dem Landgericht Frankfurt beantragt. Dieser Antrag wurde aber schon in erster Instanz vom Landgericht und sodann in der weiteren Instanz vom OLG Frankfurt rechtskräftig zurückgewiesen. Daraufhin fasste die Hauptversammlung von Wella im Februar 2007 einen Bestätigungsbeschluss. – Das heißt?Wasmann: Durch einen solchen Beschluss bekräftigt die Hauptversammlung, einen mit Anfechtungsklagen angegriffenen Beschluss trotz etwaiger Mängel als wirksam behandeln zu wollen. Ist der – hier allerdings seinerseits angefochtene – Bestätigungsbeschluss wirksam, können die Anfechtungsklagen gegen den Ausgangsbeschluss schon deshalb keinen Erfolg mehr haben. Dies trug Wella in einem zweiten Freigabeverfahren vor, welches sie nach Fassung des Bestätigungsbeschlusses vor dem LG Frankfurt einleitete. Das Landgericht war der Auffassung, ein solches Verfahren sei nicht zulässig. Ihm stehe die Rechtskraft der den ersten Freigabeantrag abweisenden Entscheidung des OLG Frankfurt entgegen. Als erstes Gericht überhaupt hat nunmehr das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden, dass ein zweites Freigabeverfahren gleichwohl zulässig ist und dieses auch für begründet erklärt. – Was sind die zentralen Aussagen der OLG-Entscheidung?Arnold: Die OLG-Entscheidung bekräftigt die Bedeutung von Bestätigungsbeschlüssen: Nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main stellt der Bestätigungsbeschluss eine neue Tatsache dar, also eine Änderung des Lebenssachverhalts, die im ersten Freigabeverfahren nicht behandelt wurde, von dessen Rechtskraft mithin auch nicht erfasst ist. Daher eröffne der Bestätigungsbeschluss die Möglichkeit, ein weiteres Freigabeverfahren einzuleiten. – Und wenn angefochten wird? Wasmann: Dies gilt nach Auffassung des OLG auch dann, wenn der Bestätigungsbeschluss – wie in der Regel und auch hier – seinerseits angefochten wird: Im Rahmen des zweiten Freigabeverfahrens sind dann inzident auch die Erfolgsaussichten der gegen den Bestätigungsbeschluss erhobenen Klagen zu prüfen. Materiellrechtliche Wirkung des – voraussichtlich wirksamen – Bestätigungsbeschlusses ist es nach dem Oberlandesgericht Frankfurt, dass angebliche formale Fehler des Ausgangsbeschlusses – etwa vermeintliche Verfahrensfehler in der Hauptversammlung – nicht mehr gerügt werden können. Eine neue Ermittlung der Squeeze-out-Abfindung zum Zeitpunkt des Bestätigungsbeschlusses sei entbehrlich. – Was heißt das für die Praxis?Arnold: Für alle laufenden und künftigen Squeeze-out-Verfahren bringt die rechtskräftige OLG-Entscheidung einen weiteren Gewinn an Rechtssicherheit. Die Entscheidung gibt Aktiengesellschaften ein weiteres wirksames Mittel an die Hand, um die Blockade von Strukturmaßnahmen durch Anfechtungsklagen zu überwinden. Selbst wenn die Aktiengesellschaft in einem ersten Freigabeverfahren unterliegt, muss sie nicht warten, bis über die Anfechtungsklagen selbst rechtskräftig entschieden ist. – Was sollte sie tun?Wasmann: Sie kann schon nach Fassung eines Bestätigungsbeschlusses ein erneutes Freigabeverfahren auch dann einleiten, wenn der Bestätigungsbeschluss, wie regelmäßig zu erwarten ist, seinerseits angefochten wird, und so die Eintragung des Squeeze-out-Beschlusses vor rechtskräftigem Abschluss der Hauptsacheverfahren erreichen. – Können Sie die Entscheidung insoweit einordnen?Arnold: Die Entscheidung des OLG Frankfurt liegt damit im Trend neuerer Entscheidungen, insbesondere auch des BGH und des BVerfG, die die Rechtmäßigkeit des Squeeze-out bestätigen und dessen Durchführung erleichtern. Dr Michael Arnold und Dr. Dirk Wasmann sind Partner im Stuttgarter Büro der Kanzlei Gleiss Lutz. Sie haben Wella in dem Verfahren betreut.Die Fragen stellte Walther Becker.