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Erbschaftsteuerreform: Vererben vor dem Tod nicht immer sinnvoll

Um Steuern zu sparen, überschreiben viele Eltern ihr Eigenheim schon zu Lebzeiten - Neue Bedingungen schlagen ab 2009 bei teuren Immobilien ins Kontor

Erbschaftsteuerreform: Vererben vor dem Tod nicht immer sinnvoll

Von Sandra Middendorf Der Countdown läuft. Vielen Immobilienbesitzern juckt es in den Fingern. Noch vor der Änderung der Erbschaftsteuerreform wollen sie ihr Hab und Gut zu steuerlich günstigen Bedingungen auf ihren Nachwuchs übertragen. Denn nur noch bis Ende dieses Jahres werden Immobilien mit einem Verkehrswert von rund 50 bis 60 % ihres tatsächlichen Werts in die Steuerrechnung eingehen, danach zu 100 %. Dennoch lohnt es sich nicht für jeden, seine Immobilie noch bis zu den Änderungen familienintern zu übergeben. Überflüssige AktivitätenGerade im klassischen Fall, in dem eine Familie ihrem Kind das kleine Eigenheim übergibt, sei es meistens völlig überflüssig, noch vor Ende des Jahres aktiv zu werden, sagt Hans-Michael Schiller, Rechtsanwalt, Notar und Mitglied im Bundesvorstand Verband Wohneigentum. Denn sowohl vor als auch nach der Steuerreform bliebe das verschenkte Vermögen unter dem Freibetrag des Kindes. Denn nicht nur der Verkehrswert wird zum nächsten Jahr angepasst, auch die Freibeträge sollen angehoben werden. Bei einer Immobilie im Wert von 300 000 Euro werden heute rund 180 000 Euro steuerlich erfasst. Übertragen Eltern diese Immobilie ihrem einzigen Kind, liegt der Wert innerhalb seines Freibetrags von 205 000 Euro. Ebenso steuerfrei bliebe diese Übergabe aber auch nach der Reform, wenn die Immobilie mit dem tatsächlichen Wert von 300 000 Euro in die Rechnung eingeht, der Freibetrag des Nachkommens sich aber auf 400 000 Euro erhöht. Gehört die Immobilie beiden Elternteilen, kann – heute wie nächstes Jahr – sogar der doppelte Freibetrag steuerfrei verschenkt werden. “Nur bei größeren Vermögen ist die Übertragung noch in diesem Jahr sinnvoll”, sagt Schiller. Denn der niedrigere Verkehrswert, zu dem eine Immobilie heute in die Rechnung eingeht, fällt bei größerem Vermögen stärker ins Gewicht. Übergeben Eltern heute Immobilien mit einem Wert von 5 Mill. Euro, die ihnen gemeinsam gehören, ihrem einzigen Sohn, würden rund 3 Mill. Euro steuerlich erfasst. Der Sohn, der über einen Freibetrag von 205 000 pro Elternteil, also insgesamt Euro verfügt, müsste demnach noch 259 0000 Euro zu 19 % versteuern, hätte also eine Belastung von insgesamt 492 100 Euro zu tragen. Im nächsten Jahr müsste er trotz höherer Freibeträge 798 000 Euro an den Fiskus zahlen. Bei noch größeren Vermögen sei es nicht nur wichtig zu prüfen, ob man noch vor Jahreswechsel übertragen sollte, sondern vor allem, ob es nicht sinnvoll sein könnte, die Immobilien nach und nach zu übertragen und so den Freibetrag, den ein Nachkomme alle zehn Jahre in Anspruch nehmen könne, öfter auszuschöpfen, sagt Schiller. Entfernte VerwandteÄhnlich sieht es bei der Übertragung an entfernte Verwandte aus. “Das bietet sich in vielen Fällen an, weil die Steuersätze steigen, die Freibeträge aber im Verhältnis nicht so sehr angehoben werden”, sagt Markus Deutsch vom Deutschen Steuerberaterverband. Und die Steuersätze, die für das Vermögen oberhalb der Freibetragsgrenze angesetzt werden, sind nach dem alten Gesetz vor allem für die Steuerklassen zwei und drei niedriger. In diese Klassen fallen die weiter entfernten Verwandten wie Stiefeltern, Schwiegereltern, Lebenspartner. Will ein Grundstücksbesitzer sein Hab und Gut an entfernte Verwandte übergeben, könnte sich Eile demnach lohnen. Deutsch empfiehlt jedem, noch vor Ende des Jahres eingehend zu prüfen, was sich für ihn mit der Reform ändern wird, um unter Umständen noch vorher handeln zu können. Schiller bringt es auf eine einfache Formel: Die neue Regelung macht nur dann einen Unterschied, wenn die Immobilienwerte über den Freibeträgen liegen. Wenn es sich jedoch steuerlich nicht eindeutig lohnt, frühzeitig zu übertragen, warnt er tendenziell eher vor einer Schenkung zu Lebzeiten. “Jeder sollte zunächst prüfen, ob im Erbfall überhaupt eine Steuer anfällt”, sagt er. Auch Michael Bonefeld, Fachanwalt für Erbrecht, rät zur Vorsicht. “Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob man für die steuerliche Einsparung sein Vermögen aus der Hand geben will”, sagt er. Denn jeder Übertrag birgt eine Menge anderer Gefahren, die viele Schenker über die kleinen steuerlichen Vorteile hinweg vergessen. Beinahe alle können zwar im Vorfeld ausgeschlossen werden, dazu sollte man aber unbedingt den Rat von Anwälten oder Steuerberatern einholen. Nießbrauch einräumenZunächst einmal müssen die Beteiligten regeln, wer im verschenkten Haus wohnen bleibt. Soll dies weiterhin Schenker sein bietet sich das Nießbrauchsrecht an. Danach ist der Beschenkte zwar der Eigentümer, dem Schenker wird jedoch das volle Nutzungsrecht einräumt. Der alte Eigentümer darf demnach nicht nur weiter in der Immobilie wohnen, sondern sie als Einziger vermieten, verpachten oder baulich verändern. Das schützt ihn vor den Konsequenzen einer möglichen finanziellen Pleite des neuen Besitzers. Aber genau in diesen Sonderrechten liegen auch Gefahren, und zwar sozialrechtlicher Natur. “Wenn die alten Besitzer das Recht behalten, das Haus zu vermieten, kann dieses Recht eines Tages auch an das Sozialamt fallen”, sagt Schiller. Und zwar dann, wenn der alte Eigentümer zu einem Pflegefall wird, in einem Heim untergebracht werden muss und die Kosten dafür nicht aus eigener Rente bestreiten könne. Deswegen müsse man das Nießbrauchsrecht unbedingt nicht mit dem Tod, sondern mit dem Auszug der Eltern enden lassen, sagt der Anwalt. RückforderungsrechtEbenso wichtig ist es für die alten Inhaber, im Falle einer drohenden finanziellen Pleite ihrer Nachkommen das Häuschen zu retten, indem sie sich bereits bei der Übertragung ein Rückforderungsrecht einräumen lassen. Sonst fallen in dem Moment, in dem die Schenker die Immobilie zurück in ihren Besitz nehmen, ein zweites Mal Steuern an. Auch hier ist der Zeitpunkt, zu dem dieses Recht endet, entscheidend. Gilt das Rückforderungsrecht bis zum Tod des alten Besitzers, kann sich ebenso wie beim Nießbrauchsrecht das Sozialamt einschalten, wenn der Besitzer zum Pflegefall wird und in Zahlungsschwierigkeiten kommt. “Das Sozialamt kann es dann zurückfordern anstatt der Eltern”, sagt Schiller, und es zur Bezahlung der Heimkosten belasten. Die Lösung auch hier: Das Ende des Rückforderungsrechts an der Einwohnermeldebestätigung festmachen.