Erst probieren, dann investieren
Von Frank Bremser, Frankfurt Die 24 Gäste, die sich am 1. März 2008 von den Sterne-Köchen Dieter Koschina, Jens Rittmeyer und Patrik Kimpel bekochen lassen, müssen tief in die Tasche greifen. 1 650 Euro pro Person kostet das Galadinner im Kronenschlösschen in Eltville. Das Teure an dem Mahl im Rahmen des Rheingau Gourmet & Wein Festival ist jedoch nicht das Essen – es ist der Wein. Denn auf der Karte stehen etwa ein 1893 Château Lafitte Rothschild oder ein 1934 Assmannshäuser Höllenberg – Weine, für die Kenner bereit sind, Unsummen zu zahlen. 2006 versteigerte das Auktionshaus Sotheby’s in New York den 8 500 Flaschen umfassenden Weinkeller des Geschäftsmanns Russel H. Frye. Dabei kam unter anderem eine Doppel-Magnum-Flasche 1865er Château Lafitte unter den Hammer. Erlös: 111 625 Dollar.Auch wenn heutige Weine (noch) nicht diese Summen erreichen – mit dem Rebensaft lässt sich trefflich spekulieren. So kostete eine Flasche Château Lafleur 1982 auf Subskriptionsbasis 220 Euro, inzwischen wird sie für gut 3 000 Euro gehandelt. Mahesh Kumar, Autor des Buchs “Wine Investments for Portfolio Diversification”, hat für “Investment-Grade-Weine” aus den Jahren 1982 bis 2002 eine Performance ermittelt, die etwa den britischen Leitindex FTSE locker abhängt. Ein seit 2000 von Liv-Ex berechneter Index aus 100 marktgängigen “Blue-Chip-Weinen” ist 2006 um 49,6 % gestiegen und konnte seit Jahresbeginn 38,9 % zulegen. Von seinem Ende Juli markierten Rekordhoch bei 247,8 Punkten ist er aber seitdem um 4 % zurückgefallen. In Kürze soll mit der Bordeaux Wine Exchange ein Konkurrent zum bisherigen Platzhirsch Liv-Ex entstehen. Getrieben wird die Nachfrage derzeit vor allem aus China, Indien und Osteuropa. Inzwischen warnen einige Experten vor einer Blase und sehen ein “Neuer Markt-Syndrom” bei den Reben. Schwere AuswahlEs ist nicht einfach, mit dem Rebensaft als Kapitalanlage überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Denn der Weinpreis unterliegt verschiedenen Einflüssen: Ungleichgewichten bei Angebot und Nachfrage, Trends oder klimatischen Veränderungen. Nicht zuletzt spielt auch die Lagerung eine entscheidende Rolle: Anforderungen, die der Privatinvestor nur schwer erfüllen kann. Entscheidend ist neben Rebe, Jahrgang oder Weingut auch der Kaufzeitpunkt. Die Auswahl fällt schwer, Experten schätzen, dass etwa von der gesamten deutschen Weinproduktion von 9 Mill. Hektolitern weniger als 2 % als Kapitalanlage taugen. Erfolgversprechender sind da die Tropfen aus Frankreich: Die großen französischen Premier Crus aus dem Burgund oder dem Bordeaux werden jedes Jahr sehnsüchtig erwartet und sind schon verkauft, bevor die erste Traube überhaupt geerntet ist – dennoch bieten auch diese Weine keine absolute Renditegarantie mehr. Denn in hohem Maße hängt der Preis vom Urteil der Kritiker ab. Und sollte das Kritikergremium um den amerikanischen Weinpapst Robert Parker den edlen Tropfen nicht mit der Bestnote 100 Punkte bewerten, ist es mit der Preissteigerung nicht mehr weit her. Die Bedeutung der Parker-Punkte lässt sich am Beispiel des 2003er Château Montrose zeigen: Laut Parker hat der Wein das Potenzial, die 100 Punkte zu erreichen. Am Tag der Veröffentlichung dieses Urteils vervierfachte sich der Flaschenpreis. Einen einfacheren Zugang zum Weinmarkt bieten die Aktien von Weinproduzenten, Zertifikate oder Weinfonds – auch wenn sie den eigentlichen Genuss des Weins im Glas oder der Flasche im Keller dem Besitzer meist vorenthalten. Der Weinexperte Mario Scheuermann, der unter anderem den bordeaux.blogg und den Blog drinktank schreibt, favorisiert für Neueinsteiger Aktien wie die des Weingroßhändlers Hawesko oder der Luxusmarke Pernod-Ricard. Interessierten gibt er einen einfachen Rat, um ein Gefühl für den Markt zu bekommen. Im Interview mit dem Blog Weinvestment sagte er: “Trinken, trinken, trinken!” Scheuermann verweist aber darauf, dass ein Weininvestment eine langfristige Angelegenheit ist. So bräuchten die großen Weine aus dem Bordeaux acht bis zehn, besser 15 Jahre und mehr, um eine interessante Rendite zu bringen. Auch einige Weingüter selbst sind an der Börse, wie etwa Barón de Ley (ISIN: ES0114297015), ein Zusammenschluss von mehreren spanischen Rioja-Weingütern. In Australien haben sich einige exportorientierte Weingüter zu McGuigan Simeon Wines (ISIN: AU000000MGW9) zusammengeschlossen, in den USA sind die ADRs der chilenischen Vina Conco y Toro notiert ((ISIN:US9271911060). MineralwasserrisikoDoch auch viele der großen Getränkekonzerne sind bei Wein aktiv. Bei den Aktien von Unternehmen wie der amerikanischen Constellation Brands (ISIN:US21036P1084), der britischen Diageo (GB0002374006) oder der Franzosen Pernod-Ricard (ISIN: FR0000120693) und LVMH (ISIN: FR0000121014) kauft sich der Anleger jedoch auch ein gewisses Bier- oder Mineralwasserrisiko ein – was nicht zu unterschätzen ist. LVMH erwirtschaftet gut ein Fünftel ihres Umsatzes mit Weinen und Spirituosen. Der Konzern hält unter anderem Anteile an den Weingütern Chateau d’Yquem und Cheval-Blanc. Was für ein Vabanque-Spiel Weininvestments jedoch sind, zeigt die australische Foster’s Group. Diese hatte 2005 den größten Weinproduzenten des Kontinents Southcorp übernommen. Die anhaltende Dürre in Australien wird jedoch Experten zufolge im laufenden Jahr zu einem Ertragseinbruch von 43 % führen und damit den Preisvorteil der Weine aus Down Under schmälern. Vor allem vor diesem Hintergrund votiert kaum ein Analyst noch dafür, Foster’s-Titel zu kaufen. Auch die Zertifikateindustrie hat den Wein entdeckt. Das Basket-Zertifikat der Raiffeisen Centrobank bildet einen Index aus 14 Unternehmen der Weinbranche ab (ISIN: AT0000454202). Die Performance von – 3,3 % seit Jahresbeginn ist jedoch nicht allzu berauschend.Bei Weinfonds haben die Zeichner meist die Möglichkeit, mit Beendigung des Fonds entsprechend ihren Anteile zwischen Rendite und Ausschüttung zu wählen. Dabei ist der Markt für Weinfonds ist in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen. “2006 war das beste Jahr innerhalb eines Jahrzehnts, um mit Wein Rendite zu machen”, so Miles Davies, Gründer des Londoner Fine Wine Fund, der ein Volumen von 100 Mill. Dollar anpeilt. Die Renditeaussichten sind wohl auch weiter gut, aber die Manager lassen sie sich auch teuer bezahlen. Der Fine Wine Fonds etwa behält eine 15-prozentige Performance Fee und eine Managementgebühr von 2 % ein. Und anders als bei vielen klassischen Weinfonds ist eine Auslieferung der Weine nicht vorgesehen – der Wein ist ein reines Investitionsgut.In Deutschland teilen sich vier Gesellschaften den Markt für geschlossene Weinfonds auf: Paulson Rare Wine Beteiligung, Blue Capital/Wealth Cap, Guter Geschmack und Valveri Invest. Marktgerüchten zufolge sollen auch einige Großbanken einem Weinfonds nicht abgeneigt sein. Das Volumen ist jedoch deutlich kleiner als bei den britischen Produkten, wo diese Investmentform eine lange Tradition hat. So soll das neue Produkt von Paulson, das in Kürze startet, ein Volumen von 3 bis 4 Mill. Euro haben bei einer Laufzeit von fünf Jahren.Ein weiterer Anbieter, die Wine Capital Selection GmbH, geriet mit ihrem rheinland-pfälzischen Weinfonds “Zum Wohle 2006” schwer unter Beschuss. Dieser versprach auf Fünfjahressicht Renditen von 50 bis 80 %, die Experten zufolge mit pfälzischen Weinen nicht zu erzielen sind.Weininvestments versprechen also eine hohe Rendite, sind aber riskant. Und wer trotz aller Vorsicht nicht die gewünschte Rendite erzielt, kann sich immer noch von Mahesh Kumar trösten lassen: “Es ist interessant und macht Spaß, in Wein zu investieren. Man kann sich blendend darüber unterhalten, selbst wenn man kein Geld damit verdient.” Oder den Wein einfach trinken.