RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: JOHANNES BLASSL

Erstes Geldmarktwertpapier auf Basis der Blockchain

Pilotprojekt von Continental, Commerzbank und Siemens

Erstes Geldmarktwertpapier auf Basis der Blockchain

– Herr Blassl, Continental, Commerzbank und Siemens haben mit Unterstützung von GSK Stockmann erstmals ein Geldmarktwertpapier zwischen Unternehmen auf Basis der Blockchain-Technologie abgewickelt. Was ist das Besondere?Erstmalig wurde in Deutschland eine Geldmarktwertpapier-Transaktion vollständig dematerialisiert und trotzdem rechtsverbindlich abgewickelt. Dadurch konnte die Transaktion viel schneller und effizienter durchgeführt werden als bisher.- Wodurch wird das möglich?Möglich wurde dies unter anderem durch ein vollständig in der Blockchain abgebildetes Wertpapier. Um auch die Zahlungsseite der Transaktion vollständig auf der Blockchain abzuwickeln, wurde die Euro-Kaufpreissumme zum Erwerb des Geldmarktpapiers in E-Geld umgewandelt. Mithilfe der Blockchain-Technologie konnten somit sämtliche Ansprüche digital und rechtlich verbindlich abgebildet werden. Auch eine direkte Wertstellung und Abwicklung in Echtzeit waren so möglich. Um den Handel des Wertpapiers auch direkt und digital in einem Zug-um-Zug-Geschäft (sogenanntes Delivery versus Payment) abzubilden, wurde das E-Geld digital über die Blockchain zur Verfügung gestellt, so dass die Unternehmen unmittelbar das Wertpapier gegen E-Geld handeln konnten.- Wie sehen die Auswirkungen aus?Die bei der Transaktion genutzte Blockchain-Technologie beeinflusst zurzeit zahlreiche Industrien und ist dabei, auch den Finanzsektor tiefgreifend zu verändern. Blockchains ermöglichen unter anderem die Schaffung virtueller Anlageprodukte als sogenannte Krypto-Wertpapiere, also nur auf Grundlage digitaler Verschlüsselungstechnologie existierende Wertpapiere, sowie das Aufsetzen sogenannter Smart Contracts, also technische sich selbst exekutierende Verträge.- Warum musste das nach luxemburgischem Recht passieren?Das Wertpapier wurde nach Luxemburger Recht digital begeben, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur signiert und dann gehandelt. Dies war notwendig, weil sogenannte Krypto-Wertpapiere im deutschen Privatrecht, also im Wertpapier-, Handels- und Sachenrecht, keine Wertpapiere sind, da der privatrechtliche Wertpapierbegriff nur Instrumente umfasst, die in physischen Urkunden (Einzel- oder Globalurkunden) verbrieft sind. Krypto-Wertpapiere sind demgegenüber aus privatrechtlicher Sicht reine Vertragsbündel, da es an einer solchen physischen Urkunde gerade fehlt. Ihr Handel gleicht daher eher dem von Schuldscheinen oder anderen Krediten. Um also ein wirkliches Wertpapier schaffen zu können, mussten Teile der Transaktion – keinesfalls alle – nach luxemburgischen Recht abgewickelt werden, da es das luxemburgische Recht heute schon erlaubt, solche Krypto-Wertpapiere zu schaffen, ohne dass eine physische Urkunde existiert.- Wann ist das nach deutschem Recht möglich?Hierzu müsste sich der deutsche Gesetzgeber bewegen, etwa durch eine Änderung im deutschen Depotgesetz, um die gegenwärtige Gesetzeslage anzupassen. Momentan ist es (noch) nicht möglich, unter deutschem Recht digitale Globalurkunden und damit Wertpapiere im privatrechtlichen Sinne zu schaffen und diese dann auch digital, etwa auf einer Blockchain, zu verwahren. Aber auch der deutsche Gesetzgeber erkennt die Umbrüche im Finanzdienstleistungssektor, die aufgrund der Digitalisierung stattfinden, und arbeitet an Lösungen. Erst kürzlich hat das Bundesjustizministerium gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium ein Papier veröffentlicht, in dem sie die Eckpunkte für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token vorstellen und eine “Öffnung des deutschen Rechts für Krypto-Wertpapiere” ankündigen: eine begrüßenswertere und spannende Entwicklung.- Kann man von einem Paradigmenwechsel sprechen?Dafür ist es sicherlich noch etwas früh, aber der Startschuss hin zur vollständigen Digitalisierung und Dematerialisierung des Wertpapierhandels ist mit dieser Transaktion gefallen. Damit ist ein wichtiger Schritt hin zur technischen Skalierung automatisierter Wertpapieremissionen getan.—-Dr. Johannes Blassl ist Rechtsanwalt von GSK Stockmann in Frankfurt.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.